Wofür stehen die Direktkandidaten der Landtagswahl in Bayern im Stimmkreis Neu-Ulm? Etwa bei Themen wie Migration, Gesundheit oder Energiewende? Das wollten wir von den Bewerbern und der Bewerberin der sechs bereits im Landtag vertretenen Parteien wissen und luden sie zu einer Podiumsdiskussion ins Wolfgang-Eychmüller-Haus in Vöhringen ein. Sie machten dort vor etwa 150 Besucherinnen und Besuchern ihre Positionen deutlich, zeigten aber auch Flagge für einen respektvollen Umgang miteinander – denn der Steinwurf von Neu-Ulm wirkte noch nach.
Das sagen die Landtagskandidaten zum Steinwurf von Neu-Ulm
Bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen auf dem Petrusplatz mit Katharina Schulze und Ludwig Hartmann hatte ein Mann einen Stein auf die Bühne geworfen. Verletzt wurde dabei niemand, doch der Angriff sorgte bundesweit für Aufsehen. Die Moderatoren der Veranstaltung, Redaktionsleiter Ronald Hinzpeter und Verantwortliche Redakteurin Rebekka Jakob, befragten deshalb die Kandidaten und die Kandidatin zur Debattenkultur und dem teilweise rauen Umgang in diesem Landtagswahlkampf.
"Ich muss wirklich sagen, dass ich schockiert bin", sagte Julia Probst (Grüne). Besonders Frauen seien von solchen Attacken betroffen. "Wir müssen mehr aufeinander hören, uns mehr zuhören", forderte sie. Enttäuscht sei sie von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich erst drei Tage nach dem Vorfall dazu geäußert habe. Dessen Parteifreund Thorsten Freudenberger (CSU) zeigte klare Kante: "Gewalt darf niemals Mittel von Politik sein. Respekt und Wertschätzung sind Grundlage jeder Politik."
AfD-Mann Schmid fühlt sich von Daniel Fürst (SPD) provoziert
"Wir sind ständig von Angriffen betroffen", konstatierte Franz Schmid (AfD) und meinte: "Es ist wichtig, dass sich die Parteien respektieren." In diesem Zusammenhang kritisierte er Daniel Fürst (SPD), der auf dem Wochenmarkt ein T-Shirt mit der Aufschrift "Fck AfD" getragen habe. Der erwiderte: "Es muss legitim sein, dass man seine Meinung, seine Position vertritt. Was ich nicht akzeptiere, sind rechtsextreme Parteien wie die AfD. Das sind Nazis."
Zur Aussage seines Parteichefs Hubert Aiwanger (Freie Wähler), die schweigende Mehrheit müsse sich die Demokratie zurückholen, sagte Ronald Prießnitz (FW): "Wir leben in einer Demokratie." Er sei allerdings ein Anhänger der direkten Demokratie mit mehr Bürgerbeteiligung. "Das ist gelebte Kultur." Adrian Kapic (FDP), mit 20 Jahren jüngster Kandidat im Stimmkreis, wollte deutlich machen, dass nicht alle jungen Leute "Klimakleber" seien. "Es gibt auch andere, die politisch mitgestalten wollen."
Für das Thema Zuwanderung ist zwar nicht der Landtag zuständig, doch es bewegt viele Menschen, weshalb die Kandidierenden auch dazu Stellung nahmen. Sowohl Thorsten Freudenberger als auch Julia Probst forderten eine europäische Lösung, wobei der CSU-Mann ergänzte: "Wir müssen die Grenze schützen und Sachleistungen einführen." Illegale Einwanderung gehöre unterbunden, forderte Daniel Fürst. "Es muss gelingen, dass man die Schleusertruppen außer Gefecht setzt." Franz Schmid meinte: "Die, die sich nicht integrieren wollen, müssen wir abschieben."
Das Thema Migration bewegt die Menschen im Landkreis Neu-Ulm
"Die Menschen sitzen in ihren Unterkünften und dürfen nichts tun", sagte Ronald Prießnitz. Oft würden die Qualifikationen der Menschen aus dem Ausland nicht anerkannt. Ein weiteres Problem sei die "Gettoisierung bei der Unterbringung" der Geflüchteten. Adrian Kapic vertrat die Ansicht, dass sich der Fachkräftemangel nicht ohne Zuwanderung lösen lasse. Außerdem sollten Azubis ebenso Stipendien bekommen wie Studierende.
Julia Probst beklagte, dass die Wirtschaft Menschen mit Behinderung oft übersehe: "Die Leute sind da, die wollen arbeiten." Daniel Fürst, selbst Kaminkehrer, meinte, das Handwerk habe ein Imageproblem. Dabei müssten sich Handwerksmeister im Vergleich mit Zahnärzten oder Rechtsanwälten nicht verstecken. Sozialberufe müssten aufgewertet werden, sagte Kinderpfleger Franz Schmid.
Bei der Podiumsdiskussion in Vöhingen geht es auch um Gesundheit
Die desolate Finanzlage der Kreiskliniken sorgt seit Jahren für Schlagzeilen. Thorsten Freudenberger jedoch forderte: "Wir dürfen die Gesundheit der Menschen nicht in erster Linie unter finanziellen Gesichtspunkten diskutieren." In der Gesundheitsversorgung müsse es eine viel stärkere Zusammenarbeit geben. Eine Forderung, die Roland Prießnitz unterstützte, der sich für Kooperationen mit dem Universitätsklinikum Ulm und den Krankenhäusern im Alb-Donau-Kreis aussprach.
Julia Probst wünschte sich eine bessere Unterstützung von Frauen, um wohnortnahe Geburten zu ermöglichen. Zudem dürften Ärztinnen auf dem Land nicht allein gelassen werden. Die bürokratischen Hürden für Fachkräfte aus dem Ausland im Gesundheitsbereich seien viel zu hoch, sagte Daniel Fürst. "Das sind keine Zustände."
Windkraft ist ein Reizthema vor der Landtagswahl in Bayern
Dass die Windkraft in Bayern ausgebaut werden muss, war weitgehend Konsens auf dem Podium. AfD-Mann Schmid scherte allerdings aus: "PV-Anlagen sind sicherlich sinnvoll, Windkraft lehnen wir ab." Und: "Wir sagen klar Ja zur Atomkraft." Während Daniel Fürst meinte, die CSU in Bayern sei in Sachen erneuerbare Energien "im Schlafwagen unterwegs", entgegnete Thorsten Freudenberger, dass der Freistaat bei Wasserstoff, Geothermie und Fotovoltaik Spitze in Deutschland sei. Julia Probst fand, die Politik konzentriere sich zu sehr auf das Thema Wasserstoff, während Adrian Kapic meinte: "Der Süden sollte technologieoffen bleiben." Roland Prießnitz sagte: "Wir haben ein Speicherungsproblem, das müssen wir lösen."
In der Abschlussrunde durften die Kandidaten und die Kandidatin jeweils einen Zettel ziehen und dem darauf stehenden Mitbewerber ein Kompliment machen. Adrian Kapic zog den Namen von Julia Probst und sprach ihr seine Bewunderung für ihren Einsatz für Inklusion aus und dafür, dass sie es trotz ihres Handicaps so weit geschafft habe. Das rührte die Angesprochene so sehr, dass sie Kapic auf der Bühne spontan umarmte. Weniger erfreut zeigte sich Daniel Fürst, der AfD-Kandidat Schmid ein Kompliment machen sollte, was ihn sichtlich vor Probleme stellte. Schließlich rang er sich durch zu: "Nette Frisur, vor allem auf den Plakaten. Wirklich guter Scheitel."