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Landkreis Neu-Ulm/Unterallgäu: Diese Maschen wenden Telefonbetrüger an, um Geld zu ergaunern

Landkreis Neu-Ulm/Unterallgäu

Diese Maschen wenden Telefonbetrüger an, um Geld zu ergaunern

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    Momentan sind wieder vermehrt Telefonbetrüger in der Region aktiv. Die unbekannten Täter gehen sehr geschickt vor. Das verdeutlicht die Polizei in einer Mitteilung.
    Momentan sind wieder vermehrt Telefonbetrüger in der Region aktiv. Die unbekannten Täter gehen sehr geschickt vor. Das verdeutlicht die Polizei in einer Mitteilung. Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

    Die Identitäten, die sie vorgaukeln, sind vielfältig. Ihre Absicht ist eindeutig: Mit dreisten Maschen versuchen Kriminelle, vor allem ältere Bürger am Telefon hereinzulegen und sie dazu zu bringen, bereitwillig Geld zu geben. In den vergangenen Tagen waren wieder verstärkt Betrüger aktiv, die sich als vermeintliche Verwandte, Polizisten oder andere Personen ausgaben. Glücklicherweise scheitern viele dieser Betrugsversuche. Doch wenn es den Kriminellen gelingt, an Geld zu kommen, dann sind es häufig hohe Summen - so wie vor Kurzem in einem Fall im Unterallgäu: Dort konnten die Verbrecher einen fünfstelligen Bargeldbetrag von einer Babenhauserin erbeuten.

    Mit einer ungewöhnlichen Mitteilung macht das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West auf das Phänomen aufmerksam, vor dem aus Sicht der Beamten nicht oft genug gewarnt werden kann. Dazu zunächst ein Blick in die Statistik: Im Jahr 2020 verzeichnete das Polizeipräsidium durchschnittlich 113 Anrufe pro Monat von falschen Polizeibeamten, der Schaden beläuft sich auf mehr als 400.000 Euro. Durchschnittlich neun Anrufe pro Monat fielen unter die Kategorie "Enkeltrick", mehr als 100.000 Euro Schaden entstanden.

    Mit diesem Plakat warnte die Polizei Nordrhein-Westfalen vor Betrügern, die sich am Telefon als Polizeibeamten ausgeben.
    Mit diesem Plakat warnte die Polizei Nordrhein-Westfalen vor Betrügern, die sich am Telefon als Polizeibeamten ausgeben. Foto: Martin Gerten, dpa

    Die Masche "Schockanruf" wurde 2020 vom Präsidium statistisch noch nicht erfasst, seit diesem Jahr tritt sie verstärkt auf. In dem genannten Fall im Unterallgäu waren die Anrufer mit der Schilderung einer vermeintlichen Notlage erfolgreich, wegen der die Angerufene sofort Bargeld aufbringen müsse. Eine Seniorin in Weißenhorn hingegen ging am Dienstag nicht auf die Forderungen der Unbekannten ein: Eine Frau hatte mit weinerlicher Stimme vorgegeben, die Schwiegertochter zu sein und einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem jemand getötet worden sein soll. Während des Gesprächs gab die Anruferin den Hörer an eine andere Frau weiter, die sich als Polizeibeamtin ausgab. Sie sagte, dass für die Schwiegertochter eine Kaution in Höhe von 20.000 Euro fällig sei. Die Seniorin antwortete, sie wolle sich erst mit ihrem Schwiegersohn besprechen, beendete das Gespräch und rief die echte Polizei.

    Diese und ähnliche Fälle veranlassten das Präsidium dazu, am Donnerstag eine Mitteilung unter dem Titel "Ein Tag im Leben eines Callcenter-Mitarbeiters" zu veröffentlichen. Mit reichlich Ironie werden darin Anrufversuche dargestellt, die sich zwei Tage zuvor im Zuständigkeitsgebiet des Präsidiums zugetragen haben. Diese stehen aber vermutlich nicht in direktem Zusammenhang und gingen wohl von verschiedenen Callcentern aus.

    Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West schildert den fiktiven Tagesablauf eines Callcenter-Mitarbeiters

    So heißt es im Text: "Der Arbeitstag des Anrufers beginnt in Oberstaufen. Gegen 10.45 Uhr ruft er bei einer Frau an. Er muss sich nun genau an sein Skript halten, sich konzentrieren und darf keinen Fehler machen. Er ist vorgeblich der Enkel der angerufenen Frau. Und es kommt noch schlimmer: Der Anrufer hat einen Verkehrsunfall erlitten. Also kehrt er im Gespräch seine emotionalste Seite hervor, um dann nonchalant 14.000 Euro zu fordern, da ihm sonst Ungemach droht." Für das nächste Telefonat, so heißt es im Text weiter, sei es gut, dass der Anrufer schon seine Emotionen trainiert habe. "Denn nun muss er eine schockierende Nachricht überbringen. Und um die Messlatte noch höher zu legen, schlüpft er auch noch in die Rolle eines gestandenen Kripo-Kommissars."

    Der Sohn des Angerufenen soll einen tödlichen Unfall verursacht haben, mit 20.000 Euro ließe sich die Sache für den Betroffenen wieder geradebiegen. In einem weiteren Telefonat ist der Anrufer der vermeintliche Enkel, der 26.000 Euro für ein Eilgutachten fordert. Später gibt er sich als Rechtsanwalt aus, der 20.000 Euro benötigt, um nach einem Unfall eine Gefängnisstrafe im Ausland zu verhindern. Erschöpft von den vielen Telefonaten übergibt der Anrufer am Nachmittag an seine Kollegin, die dann bei der betagten Frau in Weißenhorn auf die Tränendrüse drückt.

    In Attenhofen, Weißenhorn und Holzheim scheiterten Betrüger am Donnerstag

    In all diesen auf ironische Weise nacherzählten Fällen erkannten die Angerufenen glücklicherweise auch in der Realität den Betrug. So war es auch am Donnerstag bei drei weiteren Taten in Weißenhorn und Holzheim. Zunächst rief ein Mann bei einem 81-Jährigen in Attenhofen an und meldete sich mit "Kriminalpolizei". Dem Polizeibericht zufolge berichtete der Unbekannte, dass in der Nachbarschaft eingebrochen worden sei. Er fragte, ob der Angerufene Wertsachen, Bargeld oder einen Tresor zu Hause habe. Der 81-Jährige verneinte dies und legte auf. Danach verständigte er die Polizeiinspektion Weißenhorn.

    Als Beamter des Raubdezernats Neu-Ulm gab sich ein unbekannter Anrufer gegenüber einer 80-jährige Frau aus Weißenhorn aus. Einem 83-Jährigen aus Holzheim wurde vorgegaukelt, mit einem Mitarbeiter der "Wohlfahrt der Polizei" zu sprechen. Auch diese Senioren reagierten richtig, gaben keine persönlichen Informationen preis und wendeten sich an die Weißenhorner Polizei.

    Im Kampf gegen die Betrugsanrufe setzt die Polizei nun auf ein neues Warnkonzept. Wie das Präsidium mitteilte, werden in den nächsten Tagen Firmen, Taxizentralen, Pflegedienste und Banken angeschrieben und zur Mithilfe aufgefordert. So soll noch punktueller und zielgruppenorientierter auf betrügerische Callcenter-Anrufe reagiert werden können, hinter denen nach Angaben von Polizeipräsidentin Claudia Strößner meist Banden aus dem Ausland stecken. "Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger schnell und lokal dort warnen, wo die Polizei gerade betrügerische Anrufe registriert", sagte Strößner.

    Die Polizei wendet sich an das soziale Umfeld der potenziellen Opfer

    Leitender Kriminaldirektor Michael Haber erläutert die Funktionsweise: "Wir wenden uns mit einer Warnung an neue Zielgruppen. Im Mittelpunkt steht hier nicht das Opfer, sondern dessen soziales Umfeld. Dazu zählen beispielsweise Beschäftigte in Pflegeberufen, die von einem betrügerischen Anruf erfahren, oder Taxifahrer, die einen Senior zu einer Bank oder Sparkasse bringen. Aber auch Bankmitarbeiter, oftmals der letzte Kontakt vor einer Geldübergabe. Sprechen Sie bitte die Seniorinnen und Senioren an, wenn Ihnen etwas ungewöhnlich vorkommt, und informieren Sie die Polizei!"

    Sendet die Polizei nun eine Warnmeldung, so sollen alle Beschäftigten des angeschriebenen Unternehmens zügig informiert werden. Sie wissen dann, dass hier und jetzt Betrüger aktiv sind. Durch erhöhte Sensibilität aller Beschäftigten gegenüber der Zielgruppe der Betrüger, den Seniorinnen und Senioren, erhofft sich die Polizei, weitere Fälle verhindern zu können. (mit AZ)

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