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Landkreis Neu-Ulm: Das Aus droht: Mühlenbetreiber schlagen wegen Stromkosten Alarm

Landkreis Neu-Ulm

Das Aus droht: Mühlenbetreiber schlagen wegen Stromkosten Alarm

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    Die Betreiber der Vogtmühle in Illertissen schlagen Alarm: Die steigenden Energiekosten sind für die Mühlen bald nicht mehr zu stemmen.
    Die Betreiber der Vogtmühle in Illertissen schlagen Alarm: Die steigenden Energiekosten sind für die Mühlen bald nicht mehr zu stemmen. Foto: Alexander Kaya

    Auf die lange Tradition seines Unternehmens ist Albert Vogt stolz. Seit 1695 wird bei den Vogtmühlen Korn zu Mehl verarbeitet, ein jahrhundertealter Familienbetrieb, den er vor 50 Jahren übernommen hat und den sein Sohn Albert und seine Tochter Isabel weiterführen sollen. Doch wie lange das noch gut gehen soll, weiß der Illertisser Müller nicht. Die explodierenden Energiekosten bereiten dem Unternehmen allergrößte Sorgen. "Wenn wir nicht mehr konkurrenzfähig sind, bedeutet das für uns das Aus."

    Schon ab dem 1. Januar habe er derzeit keinen Stromvertrag mehr, erzählt Vogt. Und er weiß, dass es vielen Kollegen ähnlich geht. "Normalerweise haben wir Stromkosten von 200.000 Euro im Jahr. Nach der Erhöhung werden es zwei Millionen Euro sein." Der Illertisser Unternehmer ist sich sicher: "Das können wir nicht stemmen. Unter diesen Umständen ist die Fortführung der Mühlen nicht möglich."

    Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (links) und Landtagsabgeordnete Beate Merk machten sich bei der Vogtmühle in Illertissen ein Bild von der schwierigen Situation für die Müller.
    Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (links) und Landtagsabgeordnete Beate Merk machten sich bei der Vogtmühle in Illertissen ein Bild von der schwierigen Situation für die Müller. Foto: Alexander Kaya

    Die Lage bei den Mühlen in Bayern ist angespannt

    Die Lage ist beim überwiegenden Teil der Mühlen in Bayern ähnlich angespannt, bestätigt Josef Rampel, Geschäftsführer des Bayerischen Müllerbunds. "Es gibt kaum eine Branche wie die unsere, die durch den Krieg in der Ukraine so stark betroffen ist." Rohstoffpreise auf Achterbahnfahrt, wachsende Kosten für Düngemittel und Lieferengpässe bei Ersatzteilen für die Mühlen seien dabei schon ein großes Problem. "Doch das ist alles noch klein gegenüber der Energiekrise", erklärt Rampel.

    Die Vogtmühlen Illertissen

    1695 kaufte Christoph Vogt die obere Mühle in Dietenheim. Ab 1840 wurde im Jedesheimer "Binsengraben" gemahlen, 1908 baute Albert Vogt II. die Kunstmühle an der Bahnlinie in Illertissen, dem heutigen Standort des Unternehmens.

    Albert Vogt IV. übernahm 1980 das Familienunternehmen, das im Jahr 2020 sein 325. Gründungsjubiläum feierte. Seine Ehefrau Christina Vogt, die Kinder Albert Vogt V. und Isabel Vogt führen das Unternehmen heute gemeinsam.

    Die Vogtmühlen umfassen eine Weizenmühle, eine Roggenmühle und eine Futtermühle, die Milchviehfutter erzeugt. Kunden sind regionale Bäckereibetriebe, Großbäckereien und der Lebensmittelhandel. (rjk)

    Der Verband macht sich deshalb auch für den Ausbau erneuerbarer Energien stark, vor allem bei der Wasserkraft sei ein moderater Ausbau notwendig. "Wir brauchen jede Kilowattstunde." Auch die Vogtmühlen haben ein eigenes kleines Wasserkraftwerk – doch das könnte nur einen Bruchteil der nötigen Energie für die drei Mühlen liefern, sagt Juniorchef Albert Vogt. "Außerdem ist dieses Kraftwerk meine Altersvorsorge", fügt sein Vater hinzu.

    So ergeht es dem Mühlenbetreiber und CSU-Bundestagsabgeordneten Alexander Engelhard

    Auf mehr erneuerbare Energien will künftig auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Engelhard bei seinen Mühlen in Weißenhorn-Attenhofen zurückgreifen. Eigentlich hätte seine neu bestellte Photovoltaikanlage schon eintreffen sollen, mit der er dann ein Drittel seines Strombedarfs abdecken will. Ein weiteres Drittel übernimmt die Wasserkraft, das andere der Fremdstrom. Die Gesamtkosten dafür hätten sich bei ihm verdoppelt. Weil er unmittelbar, nachdem die Gasalarmstufe ausgerufen wurde, einen Stromvertrag abgeschlossen habe, ist er aber "mit einem blauen Auge davongekommen". Mehr zu schaffen macht ihm aber, dass die Kaufkraft bei Bio-Lebensmitteln spürbar zurückgeht. Er spricht von 30 Prozent und rechnet mit bis zu 50 Prozent.

    Sorgen bereiten den Müllern auch ihre Zulieferer und Abnehmer – denn während auch für die Landwirte die Produktion zum Beispiel durch stark gestiegene Kosten für Düngemittel immer schwieriger wird, geben zahlreiche Bäckereien auf. Zuletzt seien es rund 600 gewesen, die geschlossen haben, sagt Josef Rampel. "Die Betriebe ziehen jetzt vor, was sonst eigentlich erst in zwei, drei Jahren anstehen würde." Bayerns Bäcker-Innungschef Heinrich Rampel hatte unlängst im Interview mit unserer Redaktion mit Blick auf die Energiekrise von einer "Alarmstufe Brot" gesprochen.

    Hoffnung setzen die Müller dagegen auf die Landespolitik. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) versuchte beim Besuch im Illertisser Unternehmen, vor allem den Juniorchefs des gut 325 Jahre alten Familienunternehmens Mut zu machen. "Was Ihre Eltern hier aufgebaut haben, dürfen Sie nicht aufgeben." Auch sie sieht in der Wasserkraft hohes Potenzial, um künftige Energieengpässe abfangen zu können. Kaniber spricht von einer extremen Notsituation in Deutschland. "Man kann das Land jetzt nicht absaufen lassen." Die Mühlen und die Bäckereien, die das Mehl verarbeiten, sieht sie dabei als existenziell notwendig an. "Wenn in München eine Großbäckerei ausfällt, hängen gleich 200 Filialen dran. Das bedeutet: Ein ganzer Stadtteil bekommt kein Brot."

    Mühlen in Not: Wie können die Betriebe entlastet und ihnen geholfen werden?

    Einen ersten wichtigen Schritt, um die Betriebe zu entlasten, sieht die Ministerin in Steuersenkungen. "Runter mit den Energiesteuern, an denen verdient der Staat nämlich kräftig mit. Das geht in der jetzigen Situation nicht." Im Bereich der Ernährung dürfe nicht passieren, was bei der Energie der Fall sei: die Abhängigkeit von Dritten. Die EU müsse deswegen die Ernährungssicherung ebenso als strategisches Ziel begreifen. Dass man auch durch schwere Jahre hindurchkommen kann, dafür sind für die Ministerin nicht zuletzt die Vogtmühlen Illertissen das beste Beispiel.

    Der Oppositionspolitiker Engelhard sieht auch die Ampel-Regierung in Berlin in der Pflicht und fordert "endlich" ein Handeln sowie eine Strompreisdeckelung nicht nur für die Industrie, sondern auch für das Handwerk. So könnte der gesamte Mittelstand planen und kalkulieren. "Jeden Tag, den wir länger warten, wird die Lage komplizierter und die Verwerfungen größer", so der CSU-Politiker. Er geht zudem davon aus, dass der nächste Winter "noch härter" wird. Auch deshalb, weil die Atomkraftwerke Ende 2023 vermutlich nicht mehr zur Verfügung stehen.

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