Das Junihochwasser im nördlichen Günztal war kein Jahrhunderthochwasser. Es war schlimmer: ein HQ extrem. Im Hochwasserrisikomanagement steht diese Bezeichnung für eine Abflussmenge, die anderthalbmal so groß ist wie bei einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ100). Auch Kettershausen war von der Katastrophe betroffen. Wie stark – darüber referierte Stefanie Kienle vom Wasserwirtschaftsamt Kempten bei der jüngsten Gemeinderatssitzung. Und sie sprach über Möglichkeiten, wie der Hochwasserschutz für Kettershausen in Zukunft verbessert werden könnte. Viele Gemeinderätinnen und Gemeinderäte hatten dazu eine Meinung.
Das Junihochwasser der Günz war ein Extremereignis
Kienles Resümee: Bei dem Hochwasserereignis kam es zu großflächigen Überflutungen, die deutlich größer waren als das amtlich festgelegte Überschwemmungsgebiet. Die beiden fertiggestellten Hochwasserrückhaltebecken waren ab dem Abend des 31. Mai in Betrieb. In Engetried wurde der Rückhalteraum zu 70 Prozent, in Eldern fast vollständig ausgenutzt. Insgesamt 2,5 Millionen Kubikmeter Wasser aus der östlichen sowie westlichen Günz wurden darin zurückgehalten. Der Spitzenzulauf in den Becken lag in der Größenordnung eines Jahrhunderthochwassers. In der „vereinigten Günz“ war es ein HQ extrem. Dabei haben kleinere Zuflüsse die Gesamtsituation deutlich verschärft. Und selbst mit allen fünf geplanten Hochwasserrückhaltebecken wären Überschwemmungen an der Günz entstanden. „Der Hochwasserschutz hat seine Grenzen“, sagte Kienle dazu.
Für das Hochwasserschutzprojekt entlang der Günz, das seit 2010 läuft, bilde das 100-jährliche Hochwasser die Grundlage, erläuterte sie weiter. Hinzu kommen weitere 15 Prozent als Klimazuschlag. „Bis zu einem HQ100 funktionieren die Schutzmaßnahmen“, berichtete sie. Der Hochwasserschutz für Kettershausen kann neben der Abflussdrosselung durch die insgesamt fünf geplanten Hochwasserrückhaltebecken zusätzlich mit innerörtlichen Schutzbauwerken erreicht werden. Ein diesbezügliches Konzept wurde im Jahr 2010 für ein Jahrhunderthochwasser im Rahmen des Günz-Hochwasserschutzprojekts erstellt. Im Einlaufbereich der Günz in den Mühlkanal sieht das Konzept eine Drosselung und bauliche Verengung vor. Zudem sollen die Uferkante abgesenkt, Überflutungsflächen beibehalten und Verwallungen gebaut werden. Im Gemeinderat gab es damals jedoch keinen Beschluss dafür.
Der dritte Bürgermeister Sebastian Rehder kritisierte den Plan. Nach seinen Erfahrungen aus dem Junihochwasser wäre es sinnvoller, die Günz schon ein Stück weit vor dem Einlauf in den Mühlkanal abzuleiten und dann flussabwärts an geeigneter Stelle wieder einzuleiten. Damit würde erst gar nicht so viel Wasser in den Mühlkanal fließen, befand er. Teilweise habe die Günz diesen Weg beim Junihochwasser schon selbst aufgezeigt. Gemeinderat Roland Knoll meinte, die aktuellen Erfahrungen sollten in das vor 14 Jahren erstellte Konzept einfließen und entsprechende Anpassungen vorgenommen werden. Clemens Winter machte darauf aufmerksam, dass es sich in Kettershausen um ein HQ extrem gehandelt hat und Schutz vor einem 100-jährliches Hochwasser den „Bürgern nichts bringt“. Hier solle mehr investiert werden.
Bislang wurden für Kettershausen noch keine Schutzmaßnahmen beschlossen
Die Gemeinde Kettershausen hat sich damals am Hochwasserschutzprojekt Günztal mit einem Fixbetrag von gut 1,1 Millionen Euro beteiligt. Zusätzliche innerörtliche Schutzmaßnahmen auf Grundlage des Konzepts von 2010 werden aktuell mit weiteren 650.000 Euro veranschlagt, wobei die Gemeinde die Hälfte zu tragen hätte. Laut Stefanie Kienle wäre der Abschluss einer Beteiligtenvereinbarung der erste Schritt, um innerörtliche Maßnahmen zu realisieren. Projektvorbereitungen, einschließlich neuer Vermessungen, ein nächster. Auch wenn sich der Gemeinderat sofort dafür entscheiden sollte, würden bis zur Umsetzung allerdings noch zwei bis drei Jahre vergehen.
Von Rätin Marina Göppel kam der Vorschlag, in die Vereinbarung, deren Kosten ja bislang auf einem HQ100 berechnet sind, zusätzlich auch ein Schutzmodell für ein HQextrem aufzunehmen. Fabian Fischer erklärte sein generelles Unverständnis darüber, dass den Berechnungen der statistischen Hochwassergrößenordnungen keine aktuellen Daten zugrunde gelegt werden. Mathias Göppel wies ferner darauf hin, dass in der Kettershauser Günz Verschlammungen entstanden sind, die den Flusslauf verengen. Bürgermeister Markus Koneberg sagte schließlich: „Wir werden uns Gedanken machen.“ Das soll zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt Kempten und auch dem Flussmeister geschehen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden