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Liebliche Klangspiele aus dem Kirchturm von St. Martin
![Peter Bray brachte das Carillon im Turm von St. Martin in sensationeller Weise zum Klingen. Peter Bray brachte das Carillon im Turm von St. Martin in sensationeller Weise zum Klingen.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674144167-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Peter Bray aus Canberra in Australien bringt die Vorzüge der Illertisser Carillons in konzertanter Weise zu Gehör und begeistert damit viel Publikum.
Der Ruf von Berühmtheit eilte dem australischen Carillonneur Peter Bray schon voraus, als sich sein vom Förderkreis für Kirchenmusik und klassische Musik veranstalteter Auftritt in St. Martin ankündigte. Das war nicht zu viel versprochen, wie sich Samstagnachmittag beim Konzert im bestuhlten Brunnenhof gezeigt hat: Denn der 24-jährige Senior Carillonneur am National Carillon in Canberra beeindruckte mal mit lieblichen Klangspielen wie einem dahinschwebenden Ave Maria (Johann Sebastian Bach, 1685 bis 1750/Charles Gounod,1818 bis 1893) oder dem polyphonen, dämonisch-düsteren Allegro Maestoso aus der neunten Klaviersonate von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791).
Dutzende von Zuhörenden genossen den Klangreichtum bei milden Temperaturen, einige mit geschlossenen Augen in sich versunken, andere gespannten Blickes auf die Schalllöcher im Turm – als ob die Melodien auch visuell einzufangen wären. Nicht zu erkennen war, dass Peter Bray seinerseits in den Pausen der Stücke hinunterblickte, um etwas von der Stimmung zu erhaschen. Wie er später mitteilte, habe auch er Instrument und Publikum genießen können. Worauf Josef Kränzle, Stifter des Carillons, zutreffend bemerkte: "Das schöne Instrument ist nur halb so viel Wert, wenn es nicht gut gespielt werden kann."
Australischer Carillonneur Peter Bray spielt in Illertissen
Peter Bray betitelte sein Programm mit "Passion Through Bronze: An Australian Carillonist's Perspective", was sich etwa so übersetzen lässt: Leidenschaft in Bronze – aus der Perspektive eines australischen Carillonneurs. In seine Leidenschaft bezieht Bray alle großen Musikepochen mit ein und verteilte sie auf vier Kapitel seines Konzertprogramms. Bei dem gelungenen Querschnitt zeigte er zugleich die Wandlungsfähigkeit des Instruments, indem er es in höchst virtuoser Weise als eigenständiges Konzertinstrument vorstellte: als Klangkörper mit silbernen Glockentönen, der Fülle einer Orgel und einer in rasender Geschwindigkeit abzugreifenden Tastatur. Wer sich da den weitläufigen Stockspieltisch eines Carillons vor Augen hielt, konnte nur staunen.
Im ersten Abschnitt "A Love For Baroque And Classical Music" war mit dem "Prelude V" von Matthias Vanden Ghyen (1721 bis 1785) ein flämischer Organist und Virtuose des Glockenspiels zu hören. Peter Bray trug das zwischen Barock und Klassik angelegte Eröffnungsstück in scheinbar spielerischer Leichtigkeit vor. Oder die "Fugue From Sonata I For Solo Violin" von Johann Sebastian Bach, bei dem der Künstler melodiöses Geigenspiel einschließlich Doppelgriffe und zierlicher Triller auf dem Carillon umzusetzen wusste.
Förderkreis für Kirchenmusik St. Martin veranstaltet Carillon-Konzert
Beim zweiten Kapitel "A Passion For Arranging Nostalgic And Recognisable Themes" waren Klassiker der Gefühlswelt geboten wie "La Vie En Rose" von Edit Piaf (1915 bis 1963) oder "The Man I Love" von George Gershwin (1898 bis 1937). Peter Bray brachte dafür die Glocken in feinfühliger Dynamik zum Singen und Swingen, geradezu traumhaft. Sodann "Romantic Belgian Classics" als drittes Kapitel, wobei der belgische Glockenspieler Jef Rottiers (1904 bis 1985) mit Ballade und "Sprookje", also einer Erzählung, zu hören war. Der Carillonneur verlieh seinem Spiel märchenhafte Züge, auf unheilvolle Akkorde oder tiefe warnende Glockentöne folgten wasserfallartige Klangspiele und klirrend helle Klanggerinsel. Geboten war Dramatik pur.
Der letzte Programmteil "Melodious Modern Masterpieces" führte endgültig in die gegenwärtige, rein fürs Glockenspiel komponierte Literatur. Mit "Image No. 2" von Émilien Allard (1915 bis 1976) wurde das Stück eines gern gehörten kanadischen Carillonneurs und Komponisten aufgeführt. Unüberhörbar und schön herausgehoben dabei die impressionistischen musikalischen Farbtupfer. Mit "Modal Nocturne" von Geert D’hollander (geboren 1965) und einer "Sonatine" von Stefano Colletti (geboren 1973) wurden noch einmal anspruchsvolle, komplexe Kompositionen aufgeführt.
"Royal Queen Fabiola International Carillon Competition" im Juli in Mechelen
Die jeweils mit großem Applaus bedachten Stücke zeigten, dass die Nische Carillonmusik in Illertissen seit dem Einbau des Turmglockenspiels im Jahr 2006 ihren Platz im Kulturleben der Stadt hat. Und umgekehrt: Illertissen ist mit seinem 51 Glocken zählenden Instrument in der Carillonszene bekannt. Peter Bray legte 2022 sein Diplom im Hauptfach Musik an der Australian National University ab und machte 2023 den Abschluss an der Royal Carillon School "Jef Denyn" in Mechelen. Im Juli wird er nach 2019 dort erneut beim berühmten Wettbewerb "Royal Queen Fabiola International Carillon Competition" antreten. Auf dem Weg dorthin hat er sich in Illertissen schon mal warm gespielt.
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