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Illertissen: Die "Tabutanten" thematisieren in Illertissen humorvoll Unausgesprochenes

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Die "Tabutanten" thematisieren in Illertissen humorvoll Unausgesprochenes

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    Mit wenigen Requisiten aber beeindruckenden Mundarteinlagen vermochten die "Tabutanten" in der Schranne in Illertissen immer wieder neue Bilder zu erzeugen.
    Mit wenigen Requisiten aber beeindruckenden Mundarteinlagen vermochten die "Tabutanten" in der Schranne in Illertissen immer wieder neue Bilder zu erzeugen. Foto: Regina Langhans

    Selbst die Grenzerfahrungen im Leben eines Menschen haben ihre humorvolle Seiten – wenn sie denn zugelassen werden. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik. So überschrieben die "Tabutanten", wie sich Christine G. Holzer und Simone Schmitt nennen, das Stück ihres Improvisationstheaters mit: "Sie werden lachen, es geht um den Tod". Die ausgebildeten Theaterpädagoginnen haben sich darauf verlegt, von der Gesellschaft verdrängte Seiten im Leben von Menschen zu enttabuisieren. Der vom ambulanten Hospizverein organisierte Auftritt in der Schranne in Illertissen war gut besucht. 

    Für sein spontanes Schauspiel benötigte das Duo aus Aschaffenburg bis auf wenig Technik und sparsame Requisiten vor allem Vorgaben aus dem Publikum. Sobald entsprechende Stichworte zu Begriffen wie Liebe, Ängste, Tod – und gewissem Lokalbezug mit "Semlerbrezel", "Lanwehrpraline", Friedhofstraße und 20-er Zone – gesetzt waren, begannen die Protagonistinnen ihre kunstvollen Erzählgeflechte. 

    "Tabutanten" thematisieren in Illertissen die Themen Sterben und Tod

    Anhand der scheinbar willkürlich zusammengewürfelten Begriffe, die aber bewusst menschliche Grenzerfahrungen streifen, wussten die Darstellerinnen überdrehte und komische Handlungen rund um die Tabuthemen Sterben und Tod zu erfinden. Das sorgte für skurrile Szenen und spontane Lacher in Situationen, die im wirklichen Leben ganz und gar nicht zum Lachen sind. 

    So erging gleich eingangs die Frage ans Publikum nach Überlegungen zur eigenen Bestattungsform. Viele meldeten Interesse für die Urnenbestattung, andere entschieden sich aber für den Sarg. "Einige wollen also zurückkehren", fasste Christine Holzer zusammen. Das sorgte für Gelächter. 

    Sprachlich eloquent spielten sich die Miminnen ihre Rollen zu und traten überzeugend auf. Von der Friedhofstraße – und damit verbundenen Ängsten, in der beruhigten Zone geblitzt zu werden – war es nicht weit zum Friedhof. Dort besuchte eine trauernde Frau mit dem Hund Fifi das Grab ihres Sepp und hielt mit ihm Zwiesprache. Als sie ein Glockenspiel hörte, verstand sie es als Bestätigung ihres Tuns. Auf ihre nächste Frage hin herrschte aber Schweigen, worauf die Witwe enttäuscht reagierte, weil ihr Mann offenbar kein Zeichen geben wollte und Stille herrschte. Stattdessen wurde sie von der Antwort einer Spaziergängerin überrascht, die sie zurechtwies: "Genau, es ist die Stille, werden Sie jetzt ruhig." 

    Aus scheinbar Willkürlichem erfinden die "Tabutanten" komische Handlungen

    Zu einer urkomischen Situation kam es, als die gestenreich mit Brezelbacken beschäftige Christine Holzer von der Geschäftsfrau Simone Schmitt angesprochen wurde, die ihre Belegschaft zum Lachen bringen wollte. Klar, dass ihr da empfohlen wurde, die Welt einmal durch die "Brezel-Brille" zu sehen. Dazu passte das Thema der Achtsamkeit, etwa gegenüber Lebensmitteln und ihren Produzenten, wenn in liebevoller Handarbeit Brezeln hergestellt würden. 

    Oder vielleicht einmal niedliche Minisärge, "denn das Leben ist würzig und süß", so die Miminnen. Eine Zugabe von duftendem Lavendel würde "gegen den Verfall helfen", wenn es denn einmal hieße "Augen zu und durch". Dieser Spruch wurde bald zum "Running Gag" in verschiedenen Szenen, womit auf das unweigerliche Ausgeliefertsein am Lebensende verwiesen wurde, dem am besten gelassen entgegenzusehen sei. 

    Des Weiteren thematisierten die Darstellerinnen Begriffe wie Freundschaft, Füreinander einstehen und Loslassen können oder in der Gegenwart zu leben. Als die Hospizhelferin Sibylle (Christine Holzer) im wunderbar sächsischen Tonfall mit Peter aus Illertissen (Simone Schmitt) Testament und weiteres Vorgehen nach dessen Tod besprach, mochte einem das Herz aufgehen: Peters sorgende Schwester hatte Hilfe geholt, weil sie sich außerstande sah, die letzten Dinge mit dem Bruder zu besprechen. Dieser wiederum schien froh, jemand anderem das spätere Wohlergehen seiner Schwester ans Herz legen zu können. Dafür gab es extra langen Applaus.

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