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Bellenberg/Illerberg: Aus dem Klassenzimmer in die Manege: Kinder machen Zirkus

Bellenberg/Illerberg

Aus dem Klassenzimmer in die Manege: Kinder machen Zirkus

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    Im großen Zirkuszelt in Bellenberg wird in und vor der Manege trainiert.
    Im großen Zirkuszelt in Bellenberg wird in und vor der Manege trainiert. Foto: Regina Langhans

    Eine prächtige Zirkuskuppel auf dem Festplatz zwischen Grundschule und Kindergarten in Bellenberg macht neugierig auf luftige Trapezkünste oder lustige Clownsnummern. Die Erwartungen sind berechtigt, werden aber etwas anders erfüllt: Nicht Zirkusleute stehen in der Manege, sondern Kinder aus der Lindenschule und dem Haus des Kindes "Guter Hirte". Der "1. Ostdeutsche Projektcircus Andre Sperlich" tourt seit 2006 durch die Lande, um jungen Menschen derartige Erfahrungen zu ermöglichen. Die Aufführungen finden am Mittwoch, 3. Juli, um 15 Uhr, am Donnerstag, 4. Juli, um 15 Uhr und 18 Uhr sowie am Freitag, 5. Juli, um 15 Uhr statt. Tickets gibt es an der Zirkuskasse.

    Zirkusluft atmen, sich Kunststücke zutrauen, Beifall ernten: Für fünf Tage tauchen derzeit 35 Vorschulkinder und 150 Schulkinder aus Bellenberg sowie 85 Schülerinnen und Schüler aus Illerberg in diese besondere Welt ein, welche für die elf Mitglieder zählende Zirkusfamilie von Helmut Rosner mit Verwandten der Familie Sperlich Alltag heißt. Alles in allem eine logistische Herausforderung für Daniela Schneller-Jokschus, Rektorin der Lindenschule und der angeschlossenen Grundschule Illerberg wie auch für die Artistenfamilie. Dennoch herrschte vergleichsweise Ruhe und Konzentration im Zelt mit 270 Kindern, als am Montag Zirkusdirektor Helmut Rosner über die Regeln und Vorschriften für die nächsten Tage informierte. Damit trainiert und gelernt werden kann, ging es um Disziplin und Selbstbeherrschung, aber auch darum, an genügend Pausenbrot, Trinken oder gegebenenfalls Sportkleidung zu denken. Sodann sprach der Zirkusdirektor ein Kaugummi- und Bonbonverbot aus, weil Gefahr bestehe, sich zu verschlucken. 

    Zirkus-Projektwoche für Kinder aus Bellenberg und Illerberg

    Den eigentlichen Auftakt zur Zirkuswoche gab die Artistenfamilie selbst, indem sie Beispiele ihrer Kunst vorführte, um den Kindern die Entscheidung für eine der Zirkusnummern zu erleichtern: etwa für Akrobatik, Trapez, Schwebebalken, Jonglage, Clownskünste, Taubenrevue, Piraten, Feuershow, Tüchertanz oder Zauberei. So hatte sich Selina Häfele aus Bellenberg für die Piratennummer entschieden und war dann doch überrascht. Statt auf hoher See fanden die Raubzüge "nur" zu Lande statt. Aber als sie ins Fass gesteckt und von Schwertern "durchbohrt" werden sollte, wurde ihr ganz schön mulmig. Dann erfasste sie den Trick, dass sich die Messer beiseite biegen ließen, und konnte ihr Abenteuer richtig genießen. Aber war es nun Spuk, oder nicht? Der kleine Pirat Yasin Schwachhofer hegt Zweifel und erkundigt sich teilnahmsvoll bei Selina: "Haben wir dir sehr wehgetan?" Selina lacht herzlich und verneint, doch sie freut sich über die Anteilnahme des Erstklässlers.

    Absolut mutig zeigten sich auch die Artistinnen bei waghalsigen Gleichgewichtsübungen auf dem Schwebebalken. Den glücklichen Gesichtern von Laura Allgaier, Josy Schuster und Anna-Maria Brechtel steht die Freude über ihren Erfolg ins Gesicht geschrieben, denn sie sprudeln fast gleichzeitig los: Nein, eigentlich hätten sie fast keine Angst gehabt, beim Balancieren herunterzufallen. "Und zum Schluss war es sogar ein ganz tolles Gefühl", so das Trio aus Illerberg. Heidi Rosner, Schwägerin von Helmut Rosner und eine seiner Assistentinnen beim Trainieren der Kinder, freut sich mit. Die Kleinen würden richtig aufleben: "Es ist unser Ziel, dass nach einer Zirkuswoche ganz viele Lichter am Himmel unter der Zeltkuppel funkeln."

    "1. Ostdeutscher Projektcircus Andre Sperlich" ist zu Gast

    Am Trapez in der Manege unterstützt der Chef selbst. Behutsam übt Helmut Rosner mit seinen Schützlingen diverse Kunststücke ein, lässt sie sogar zu zweit auf der großen Schaukel turnen. Alles sieht beeindruckend souverän aus, als ob die Mädchen regelmäßig im Turnverein übten. Zumindest Nathalie Gottwald aber nicht, wie sie ganz unaufgeregt nach einem gelungenen Trainingsabschnitt versichert. Stattdessen findet sie, das Lernen all der Kunststücke sei "cool". Der Zirkuschef kann das nur bestätigen, dass die Kinder in ihre Auftritte hineinwachsen würden. Am Ende ihres Gastspiels bekomme er oft Rückmeldungen, dass zurückhaltende Kinder ihre Scheu zu meistern gelernt hätten. Das Schöne am Projektzirkus sei, dass wirklich alle Menschen für ein und dieselbe Sache miteinander zu tun hätten, so Rosner. Im gewohnten Alltag werde getrennt zwischen Kindern und Erwachsenen, Männern und Frauen, selbst beim Sport. Vielleicht springe ja etwas vom eigenen liebevollen Umgang innerhalb seiner Zirkusgroßfamilie auf die vielen Gastkinder über, hofft Rosner: "Bei uns wird miteinander gearbeitet, Hand in Hand."

    Was er an seinem, in den Artistenfamilien Hein und Sperlich zugrunde gelegten Beruf so liebt, ist die Freiheit. "Wir erziehen unsere Kinder selbst, die natürlich auch zur Schule gehen, bloß anders." Schade, dass der Zirkus in Deutschland nicht als "Kulturgut" anerkannt werde wie in anderen Ländern Europas, bedauert Rosner. Während der Trainingspause nützt sein Sohn Simon Rosner die Manege, um das Jonglieren zu üben und die Spindel mit dem Seil bis hoch unter die Kuppel zu jagen.

    Für die 270 Kinder in Bellenberg wird es ab Mittwoch ernst, zunächst bei der Generalprobe, schon fix und fertig gekleidet und geschminkt, um dann für die Premiere nachmittags um 15 Uhr bestens vorbereitet zu sein.

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