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Bellenberg: Bei ihr geraten Trickbetrüger an die Falsche

Bellenberg

Bei ihr geraten Trickbetrüger an die Falsche

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    Die Seniorin aus Bellenberg telefonierte lange mit dem Betrüger. Zum Schein mimte sie die leicht senile Großmutter.
    Die Seniorin aus Bellenberg telefonierte lange mit dem Betrüger. Zum Schein mimte sie die leicht senile Großmutter.

    Vor wenigen Tagen erst hatte die Seniorin einen Beitrag im Fernsehen gesehen, der sie wütend gemacht hatte. Sehr wütend sogar. Ein älterer Herr, der vor der Kamera kaum die Tränen zurückhalten konnte, war von Trickbetrügern um 80.000 Euro betrogen worden. "Da dachte ich mir noch, so ein Gauner sollte mir mal begegnen", erzählt die Frau. Am Dienstag vergangene Woche, um 10 vor eins, klingelte dann tatsächlich das Telefon: Ihr "Enkel" brauchte dringend Hilfe.

    Falscher Enkel will 30.000 Euro für Autokauf leihen

    Am Anfang dachte ich wirklich noch, es sei mein Enkel am Telefon, erzählt die Seniorin aus Bellenberg. Er sagte, er brauche dringend meine Hilfe, erzählt sie, die sich kurz ernsthaft Sorgen gemacht hatte. Doch als der Anrufer dann 30.000 Euro für einen Autokauf verlangt hatte, war ihr klar, dass ein Betrüger am Apparat war. Und der sollte nicht so einfach davon kommen. Zum Schein ging sie auf die Masche ein, mimte gleich die Rolle der leicht senilen Großmutter. "'Aber Jonathan, das ist viel Geld. Ich weiß nicht, ob ich das besorgen kann', habe sie gesagt", erzählt die Seniorin, die ihren Namen nicht in der Presse lesen möchte, aber mit ihrer Geschichte andere auf solche Betrugsmaschen aufmerksam machen will. Der Anrufer hatte sie weiter angebettelt. "Also habe ich ihm zugesagt, gleich um 14 Uhr zur Bank zu gehen", sagt die 68-Jährige.

    Gleich nachdem der Betrüger aufgelegt hatte, rief sie mit dem Handy eine Freundin an. Die Festnetzleitung wollte sie frei halten, falls sich der falsche Enkel gleich wieder meldet. Ihre Freundin sollte die Polizei alarmieren. "Ich selbst war viel zu nervös. Da ist mir nur eingefallen, diese eine Freundin um Hilfe zu bitten. Die ist besonders taff." Kurze Zeit später waren schon zwei Beamte in Zivil bei der Bellenbergerin. Die ging derweil zur Bank, um so zu tun, als ob sie das Geld abhole. Der falsche Enkel rief erneut an, wollte wissen, ob alles geklappt hat.

    Dem Druck standzuhalten ist nicht einfach

    Der Anrufer hatte dann verlangt, dass sie das Telefon offen liegen ließ. So wollte er wohl hören, ob sich noch jemand im Haus befand. Knapp drei Stunden hatte die Frau den Betrüger dann am Telefon. Das bedeutet drei Stunden lang volle Konzentration. Kein unbedachtes Wort durfte über die Lippen der 68-Jährigen kommen. Alexander Kurfürst von der Polizei Illertissen erklärt: Oft reiche schon ein Wort, um den Tätern zu verraten, dass man sie durchschaut hat. Dem Druck standzuhalten, sei nicht einfach.

    Die beiden Polizisten saßen derweil mucksmäuschenstill im Esszimmer der Seniorin. Mithilfe kleiner Zettel, die sie über den Tisch schoben, leiteten sie die 68-Jährige durch den Einsatz. Zum Beispiel, als der Anrufer verlangte, sie solle die Scheine zählen, die die Frau natürlich nicht zu Hause hatte. "Zum Kopfrechnen war ich in der Situation zu nervös", sagt sie. Einer der Polizisten schob ihr einen Zettel zu: 150 Scheine müssten es sein, aber sie solle 149 sagen. Das wirkt glaubwürdiger. Der Betrüger hatte die Antwort geschluckt.

    Vorsicht vor diesen Betrugsmaschen

    Handwerker-Trick: Mit einigen Maschen sind Betrüger in Bayern besonders erfolgreich. Oft geben Sie sich beispielsweise als Handwerker aus, um so Zugang zur Wohnung zu erhalten. Oder sie bitten um ein Glas Wasser. Sobald die Betrüger in der Wohnung sind, stecken sich in unbeobachteten Momenten Wertgegenstände ein.

    Enkel-Trick: Diese alter Trick funktioniert leider immer noch. Die Betrüger rufen bei Senioren an und stellen sich als Freunde eines Enkels vor - der in eine Notlage geraten sei und nun Bargeld brauche. Wenig später steht dann ein angeblicher Bote vor der Haustür, um seinem Opfer die Ersparnisse abzunehmen.

    Falsche Polizisten: Immer wieder rufen falsche Polizisten bei älteren Menschen an und bitten sie um eine angebliche Mithilfe bei Ermittlungen. Um Einbrechern eine Falle zu stellen, müssten Wertgegenstände vor die Tür gelegt werden. Die sammeln die Betrüger später einfach ein.

    Falschgeld überprüfen: Auch bei dieser Masche geben sich die Betrüger als Polizisten aus. Sie klingeln aber direkt an der Haustür und behaupten, das Bargeld im Haus für eine Überprüfung mitnehmen zu müssen - es könnte sich nämlich um Falschgeld handeln. Gutgläubige Opfer merken erst Tage später, dass sie bestohlen wurden.

    Geschäfte an der Haustür: Immer wieder überreden Betrüger Menschen an der Haustür zu dubiosen Geschäften mit teurer Ratenzahlung. Die Polizei weist darauf hin, dass sich so abgeschlossene Verträge innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen widerrufen lassen.

    Teure Telefonnummer: Manchmal hinterlassen die Betrüger auch einfach einen Zettel an der Haustür. Da niemand zu Hause gewesen sei, solle man wegen eines Pakets oder einer wichtigen Angelegenheit sofort eine bestimmte Nummer wählen - dieser Anruf kostet dann aber viel Geld.

    Die Seniorin ist den beiden Polizisten dankbar. Auch ohne Worte - der Betrüger hörte ja immer mit - hatten die Männer es geschafft, sie immer wieder zu beruhigen und ihr die Sorgen, dass etwas schief gehen könnte, zu nehmen. "Es kommt uns immer so selbstverständlich vor, die Polizei rufen zu können, wenn irgendetwas ist", sagt sie. "Aber so selbstverständlich ist es gar nicht, dass es Menschen gibt, die sich im Dienst immer wieder in Gefahr begeben." In den Tagen nach dem Vorfall sei ihr bewusst geworden, dass auch der Einsatz bei ihr zu Hause anders hätte ausgehen können. Der Geldabholer hätte schließlich auch bewaffnet sein können.

    Betrüger will immer mehr Geld

    Der Betrüger sei am Telefon immer dreister geworden. Nachdem die Seniorin ihn überzeugt hatte, dass sie die 30.000 Euro daheim hatte, verlangte der Mann nochmal 25.000 Euro in bar. Er versprach, gleich einen Kredit aufzunehmen und ihr alles sofort zu überweisen. Das Auto, das er ersteigern wolle, werde immer teurer. Schließlich verlangte er sogar noch nach Schmuck und Goldbarren. Während all dieser Gespräche blieb die 68-Jährige in ihrer Rolle der ältlichen Dame, die für ihren Enkel alles machen würde. Sie habe versucht, mit ihm zu sprechen, wie mit dem echten Enkel. Sie hatte sogar noch angeboten, Schnitzel zu machen, wenn er dann das Geld abholen würde. Die würde der echte Enkel auch immer von ihr bekommen, erzählt sie.

    Um das Geld abzuholen schickte der falsche Enkel dann einen angeblichen Buchhalter des Autohändlers vor, von dem der falsche Enkel ein Auto ersteigert hatte. Der wurde dann an Ort und Stelle festgenommen. Die Verhaftung beschreibt die Frau als "phänomenal". Sie schaue ja gerne Krimis, aber so etwas habe sie da noch nicht gesehen. Als der Geldabholer kam, positionierte sich einer der beiden Polizist an der Tür. Als sie öffnete sei dieser - einer Raubkatze gleich - auf den Mann an der Tür zugesprungen. Es habe kaum einen Wimpernschlag gedauert, da sei der Gauner schon in Handschellen gewesen, berichtet die Bellenbergerin.

    Und sie berichtet davon, wie ausgefuchst die Betrüger vorgegangen seien. Einmal sollte sie kurz auflegen. Dann habe das Telefon nochmal geklingelt: Angeblich war ihre Bank in der Leitung, die ihr mitteilen wollte, dass eine größere Überweisung eingegangen sei. Echte Banken informieren in so einem Fall jedoch in der Regel nicht. Die Betrüger wollen ihre Opfer so in Sicherheit wiegen. Die Bellenbergerin spielte aber auch bei diesem Anruf die arglose Seniorin. "Ach, auf meinen Joni kann man sich einfach verlassen", habe sie gesagt.

    Nach dem falschen Enkel ruft der falsche Polizist an

    Dann klingelte nochmal das Telefon. Ein angeblicher Beamter der Kripo Neu-Ulm wollte wissen, ob seine Kollegen schon da seien. Die Seniorin schaltete wieder schnell und verneinte. Die Betrüger hatten sich so vergewissern wollen, dass tatsächlich keine Polizei involviert war.

    Alexander Kurfürst, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Illertissen, sagt über diese Betrugsmasche: "Das ist ein Massenphänomen. Die Hintermänner sitzen häufig in Call-Centern im Ausland." Auch wenn der Geldabholer, der nun festgenommen wurde, wohl einer der kleinsten Fische in dieser Tätergruppe sei, sei die Festnahme ein Erfolg: Je häufiger auch bei der Übergabe die Handschellen klicken, umso schwerer tun sich die Hintermänner Leute für diesen Job zu rekrutieren. Grundsätzlich, so Kurfürst, spricht nichts dagegen, bei einem Anruf, den man als versuchten Betrug enttarnt, einfach aufzulegen. Über Hinweise sei die Polizei aber immer dankbar.

    Während der Mittelsmann schon hinter Gittern sitzt, laufen die Ermittlungen der Kripo Neu-Ulm nach den Strippenziehern. Mit einem schnellen Erfolg rechnet Jürgen Salzmann, Sprecher der Neu-Ulmer Kriminalpolizei nicht. Die Täter gehen hochprofessionell vor. Das zeigen auch die verschiedenen Kontrollanrufe der Betrüger im aktuellen Fall.

    Doch wie geriet die Bellenbergerin überhaupt ins Visier der Täter? Die Polizei habe ihr erklärt, so die 68-Jährige, dass die Täter in Telefonbüchern nach eher altmodisch klingenden Namen und kurzen Telefonnummern suchen. Drei- oder vierstellige Nummern haben nur Anschlüsse, die schon seit Jahrzehnten bestehen.

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