Parteienkämpfe gibt es schon, seit Politik gemacht wird. In der Antike meuchelte man sich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen gegenseitig nieder und auch später ging es nicht weniger blutig zu – man denke nur an die Auswüchse des Dreißigjährigen Krieges. Die persönlichen Interessen wurden vehement vertreten, Kompromisse galten lange Zeit als Zeichen der Schwäche, bei unlösbaren Konflikten wurde das Schicksal auf dem Schlachtfeld entschieden.
Dies war auch die Ausgangssituation, in der sich die Reichsstadt Ulm zu Beginn des 14. Jahrhunderts befand. Die Königswahl endete unentschieden: Sowohl Ludwig der Bayer als auch Friedrich der Schöne von Österreich fochten um die deutsche und die Reichskrone. Das
Der Graf aus Weißenhorn bot viel Geld
Ob der Habsburger sparsamer gehaushaltet hätte, wissen wir nicht. Ludwig war auf alle Falle wieder einmal knapp bei Kasse, und es blieb ihm wohl keine andere Wahl, als 1331 einen Teil des Reichsgebietes zu verpfänden. Damit war das Schicksal der bislang freien Reichsstadt Ulm besiegelt. 10.000 Pfund Heller bot Graf Berthold von Neuffen aus Weißenhorn dem Wittelsbacher und bekam als Sicherheit die Herrschaft über Ulm. Für die dortigen Bewohner, mehr noch für den Stadtadel, muss das ein schwerer Schlag gewesen sein, war man bisher doch direkt dem Kaiser unterstellt.
Dieses Merkmal der Reichsfreiheit fiel auf einmal weg, auch wenn es sich nur um eine Pfandnahme handelte. Vielleicht wussten die Ulmer aber auch, dass manches Pfand niemals mehr wieder eingelöst wurde. Auf alle Fälle hatte man es jetzt mit einem Stadtherren zu tun, der zwanzig Kilometer entfernt auf einer Burg im Rothtal saß. Nun war Berthold von Neuffen jedoch nicht ein beliebiger Landadliger, seine Wege mit jenen Ludwigs des Bayern kreuzten sich oft. Als Inhaber der Herrschaften Weißenhorn und Graisbach an der Lechmündung verfügte der Neuffe über beträchtliche Ländereien. Bedeutend anmutende Titel zierten seine Vita: Generalprokurator von Oberbayern, königlicher Rat, Reichsvikar für die Lombardei. Der Weißenhorner Graf und der Wittelsbacher König und Kaiser kannten sich jedenfalls und schätzten einander. Wie zu erwarten war, reagierten die Ulmer auf dieses Geschäft mit einem Bürgeraufstand, der jedoch bald niedergeschlagen wurde. Am 8. Mai 1333 wurde die Stadt zur Annahme der Unterwerfungsbedingungen gezwungen und Graf Berthold erhielt umfangreiche Vollmachten: Er war fortan befugt, Ratsherren einzusetzen und zu entlassen sowie gegenüber Verschwörern eine uneingeschränkte Strafgewalt auszuüben.
Nach dem Tod des Neuffen fiel die Pfandschaft zurück ans Reich
Das harte Regiment zeigte offenbar Wirkung, denn in den folgenden Jahren wissen die Quellen von keinen weiteren Unruhen zu berichten. Die inneren Zwistigkeiten, denen Patriziat und Zünfte im Untergrund sicherlich weiter frönten, brachen erst wieder nach dem Tode des Neuffen im Jahre 1342 offen aus und mündeten in der Folge schließlich in die beiden Schwörbriefe der Jahre 1345 und 1397. Da Graf Berthold keine erbberechtigten männlichen Nachkommen hatte, fiel auch die Pfandschaft wieder zurück ans Reich: Ulm war wieder einzig und unmittelbar dem Kaiser unterstellt. Die Herrschaft Weißenhorn wurde übrigens über Bertholds Tochter Anna in die Ehe mit Friedrich von Niederbayern eingebracht. Und dieser Friedrich war niemand anderes als der Enkel von Kaiser Ludwig dem Bayern. Aber das ist eine andere Geschichte ...
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