Eigentlich bieten Statistiken den Vorteil, dass sie Vergleiche ermöglichen. Doch diesmal muss Gerhard Klingler, Leiter der Polizeiinspektion Weißenhorn, bei der Vorstellung der Kriminalstatistik 2020 eines vorweg betonen: Das vergangene Jahr sei mit nichts zu vergleichen, was vorher war. So außergewöhnlich sei das Corona-Jahr 2020 gewesen. "Unsere Arbeit hat sich durch die Pandemie verändert", sagt der Erste Polizeihauptkommissar.
Rein von den Zahlen her lässt sich aus der Statistik herauslesen, dass das Gebiet um Weißenhorn, Pfaffenhofen, Holzheim und Roggenburg noch sicherer geworden ist. 660 Straftaten wurden erfasst, 58 weniger als 2019. Es ist der mit Abstand niedrigste Wert in den vergangenen sechs Jahren. Die Kriminalitätshäufigkeitszahl, die Anzahl der bekannt gewordenen Fälle, errechnet auf 100.000 Einwohner, unterschreitet mit 3454 (Stadt Weißenhorn) beziehungsweise 2591 (kompletter Dienstbereich) deutlich die Werte für den gesamten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West (4026) und für Bayern (4528).
Gar nicht erfasst sind in der Statistik Ordnungswidrigkeiten, die der Polizei im Moment viel Arbeit bescheren: Darunter fallen sämtliche Verstöße gegen die Corona-Auflagen, wenn zum Beispiel Menschen nächtliche Ausgangsbeschränkungen missachten oder sich verbotenerweise in Gruppen treffen und dabei Abstands- und Hygieneregeln ignorieren. Wurden 2019 noch 121 Ordnungswidrigkeiten angezeigt, waren es 2020 insgesamt 547 (jeweils ohne den Bereich Verkehr). Einfach seien die Einsätze nicht, weil sich viele Menschen uneinsichtig zeigen und die Beamten in lange Diskussionen verwickeln, wie Klingler berichtet.
Bei Verdachtsfällen gehen die Beamten dem Polizeichef zufolge "mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl" vor. "Wir versuchen mit Argumenten zu erklären, warum die Corona-Auflagen wichtig sind." Wenn die Argumente keine Wirkung zeigten oder Menschen wiederholt wegen Verstößen auffielen, dann gebe es eine Anzeige, sagt Klingler. Das sei unter anderem auch bei den 32 Versammlungen von Gegnern der Corona-Auflagen der Fall gewesen, die 2020 in Pfaffenhofen und Weißenhorn stattgefunden haben. Bei solchen größere Veranstaltungen wird die örtliche Polizei regelmäßig von anderen Dienststellen unterstützt.
Zahlen aus der Kriminalstatistik 2020 der Polizei Weißenhorn
Zum Dienstbereich der Polizeiinspektion Weißenhorn gehören Weißenhorn, Pfaffenhofen, Holzheim und Roggenburg mit allen zugehörigen Ortsteilen. Das Gebiet hat insgesamt 25.656 Einwohner.
Im Jahr 2020 hat die Polizei Weißenhorn insgesamt 660 Straftaten registriert, 2019 waren es 58 mehr, also 718. Im Vergleich zum Vorjahr verringerte sich die Zahl der Straftaten somit um 8,1 Prozent.
Die Kriminalitätshäufigkeitszahl, also die Anzahl der bekannt gewordenen Fälle errechnet auf 100.000 Einwohner, liegt im Bereich der Polizeiinspektion Weißenhorn bei 2591 (Vorjahr: 2838), in der Stadt Weißenhorn bei 3454 (Vorjahr: 3928). Zum Vergleich: Der Wert für ganz Bayern ist 4528, für den kompletten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West 4026.
Die Aufklärungsquote der Polizeiinspektion lag laut Statistik im Jahr 2020 bei 71,7 Prozent, 10,6 Prozentpunkte höher als 2019. Der Wert ist nahezu identisch mit der Aufklärungsquote von 71,6 Prozent des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Der Wert für Bayern: 66,4 Prozent.
Die Polizei Weißenhorn zählte 2020 exakt 19 Fälle von Gewaltkriminalität, drei mehr als im Vorjahr (plus 18,8 Prozent). Bei der Straßenkriminalität ging die Zahl der Fälle um 45 auf 71 zurück (minus 38,8 Prozent). 123 Fälle von Diebstahl wurden erfasst, 113 beziehungsweise 47,9 Prozent weniger als 2019. Die Zahl der Wohnungseinbruchdiebstähle ging um zwölf Fälle auf sechs zurück - ein Minus von 66,7 Prozent.
1040 Verkehrsunfälle hat die Weißenhorner Polizei in ihrem Dienstbereich erfasst, 12,6 Prozent weniger als im Vorjahr. An 85 Unfällen (8,2 Prozent) waren 18- bis 24-Jährige beteiligt, an 71 Unfällen (6,8 Prozent) Menschen ab 65 Jahren. Die Zahl der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt waren, ist von 55 auf 61 gestiegen. (AZ)
Doch zurück zu den Straftaten: Dort bildet die Statistik ab, wie sich die Dinge wegen Corona verlagert haben: Es gibt deutlich weniger Straßenkriminalität (71 Fälle, 45 weniger als 2019), weniger Diebstähle und nur noch wenige Einbrüche. Die Zahl der Wohnungseinbruchdiebstähle ging um zwölf Fälle auf sechs zurück, ein sattes Minus von 67 Prozent. "Auf der Straße hat sich weniger abgespielt, mehr Menschen waren zu Hause", sagt Klingler. Für Einbrecherbanden sei das Risiko, entdeckt zu werden, sehr hoch gewesen. Dafür wurden knapp 19 Prozent mehr Fälle von Gewalt erfasst (ein Anstieg um drei auf 19), 51 Rauschgiftdelikte (plus sechs) und auch mehr Betrügereien. 65 klassische Betrugsfälle wurden registriert (einer mehr als im Vorjahr), 71 Fälle (plus drei) sind dem Bereich Callcenter-Betrug/Enkeltrick/falscher Polizeibeamter zuzuordnen.
Im Raum Weißenhorn passierten 2020 deutlich weniger Verkehrsunfälle
In Summe konnte die Polizei mehr Tatverdächtige ermitteln (369 statt 354), 77 Prozent waren männlich, 23 Prozent weiblich. Die Gesamtzahl der Einsätze im Dienstbereich und in Senden stieg von 5636 auf 5740. In dem Fall wird die Nachbarstadt mit eingerechnet, weil die Beamten der Polizeiinspektion Weißenhorn nachts auch zu Einsätzen nach Senden fahren. Bemerkenswert ist die Zunahme nach Ansicht des Polizeichefs allerdings nicht, in den Jahren zuvor habe sich der Wert regelmäßig um sechs oder sieben Prozent erhöht. Am häufigsten waren verdächtige Wahrnehmungen (745), Verkehrsunfälle mit Sachschaden (488), Ruhestörungen (399) und Streits (331), wegen denen die Polizei gerufen wurde.
Dass die Menschen im vergangenen Jahr weniger unterwegs waren, lässt sich auch anhand der Zahlen der Verkehrsunfälle ablesen: 2019 waren es 1190, im Jahr 2020 insgesamt 1040, was einem Rückgang von 12,6 Prozent entspricht. Wie in den Jahren zuvor wurde glücklicherweise niemand bei einem Verkehrsunfall in Weißenhorn, Pfaffenhofen, Holzheim und Roggenburg getötet. Die Zahl der Unfälle, bei denen Personen schwer verletzt wurden, reduzierte sich von 26 auf 20 (minus 23 Prozent). Dafür ereigneten sich mehr Unfälle mit Radfahrern (jetzt 61, vorher 55), was Klingler unter anderem auch darauf zurückführt, dass mehr Menschen mit schnelleren E-Bikes unterwegs sind.
Zum Schluss berichtet der Polizeichef noch von einem Einsatz mit glücklichem Ausgang, den er positiv in Erinnerung behält: Ein alkoholisierter Mann stieg auf ein Hausdach, offenbar mit der Absicht, sich von dort in die Tiefe zu stürzen. Einem jungen Kollegen, erzählt Klingler, sei es gelungen, ebenfalls auf das Dach zu klettern und den Mann mit vielen Argumenten und Geschick zu überreden, wieder herunter zu kommen. "Niemand kam zu Schaden", sagt der Polizeichef.
Lesen Sie dazu auch:
Vermieter bestreitet, Mieterin in Weißenhorn an die Brust gefasst zu haben
Jugendlicher beschimpft Polizisten in Weißenhorn
Demo gegen Corona-Maßnahmen in Weißenhorn - und Protest in Vöhringen
- Vermieter bestreitet, Mieterin in Weißenhorn an die Brust gefasst zu haben
- Jugendlicher beschimpft Polizisten in Weißenhorn
- Demo gegen Corona-Maßnahmen in Weißenhorn - und Protest in Vöhringen