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Weißenhorn: Die Stadt Weißenhorn will den Breitbandausbau selbst in die Hand nehmen

Weißenhorn

Die Stadt Weißenhorn will den Breitbandausbau selbst in die Hand nehmen

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    Mithilfe eines noch zu gründenden kommunalen Unternehmens und durch Einsatz von Fördergeldern sollen Weißenhorn und seine Ortsteile flächendeckend mit Glasfaser erschlossen werden.
    Mithilfe eines noch zu gründenden kommunalen Unternehmens und durch Einsatz von Fördergeldern sollen Weißenhorn und seine Ortsteile flächendeckend mit Glasfaser erschlossen werden. Foto: Marcus Merk

    Nach der Reaktivierung der Bahnstrecke und dem Aufbau des Fernwärmenetzes steht in Weißenhorn das nächste große Infrastrukturprojekt auf der Agenda. In einer Sondersitzung hat sich der Stadtrat am Montagabend mit dem flächendeckenden Breitbandausbau im Stadtgebiet befasst. Ziel ist es, dass künftig jedes Gebäude in der Kernstadt und in den Ortsteilen mit einem Glasfaseranschluss versorgt wird. Im Rahmen eines Betreibermodells will die Stadt das mit Unterstützung von Fachleuten selbst umsetzen. Dafür sollen ein kommunales Unternehmen gegründet und eine Millionensumme investiert werden.

    Dass die Stadt den hohen Aufwand betreiben will, liegt daran, dass die Telekommunikationsunternehmen von sich aus nur aktiv werden, wenn es sich aus ihrer Sicht wirtschaftlich lohnt. Für Gebiete, wo der Markt versagt, bieten der Bund und der Freistaat Bayern Fördergelder für den Breitbandausbau an. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine schnelle und sichere Internetverbindung für die Menschen ist.

    Die Telekommunikationsunternehmen planen derzeit keinen Netzausbau in Weißenhorn

    Eine Markterkundung nach der Gigabit-Richtlinie hat ergeben, dass die vier in Weißenhorn präsenten Telefon- und Internetanbieter in den nächsten drei Jahren keinen Eigenausbau planen. Deshalb hat die Firma Corwese im Auftrag der Stadt überprüft, wo ein Breitbandausbau mithilfe von Fördergeldern möglich und notwendig ist. Förderfähig sind nach Angaben von Jürgen Schuster von der Firma Corwese alle Privatanschlüsse, die über weniger als 100 Megabit (Mbit/s) pro Sekunde im Download verfügen.

    Das Stadtgebiet wird zum Gesamtausbau in drei Bereiche mit unterschiedlicher Priorität eingeteilt. Vorrangig soll der Bereich A ausgebaut werden. Das sind Schuster zufolge 1853 Adressen in Weißenhorn und den Ortsteilen, die noch keine 100 Mbit/s haben. Auf 17,7 Millionen Euro bezifferte er die Gesamtkosten für eine Erschließung des Bereichs mit Glasfaser. Abzüglich der Zuschüsse von Bund und Land bliebe für die Stadt Weißenhorn ein Eigenanteil von 2,9 Millionen Euro. Durch die Verlegung neuer Leitungstrassen könnten 1148 weitere Adressen mit einem besseren Anschluss versorgt werden. Sie werden dem Bereich B zugeordnet und sind selbst nicht förderfähig. Im Zuge der Erschließung der förderfähigen Adressen könnten sie aber mit vergleichsweise wenig Aufwand gleich mit angeschlossen werden.

    Beim Ausbau des Glasfasernetzes in Weißenhorn sollen nach Möglichkeit unter anderem Synergien mit der Fernwärme Weißenhorn GmbH genutzt werden.
    Beim Ausbau des Glasfasernetzes in Weißenhorn sollen nach Möglichkeit unter anderem Synergien mit der Fernwärme Weißenhorn GmbH genutzt werden. Foto: Andreas Brücken (Archivfoto)

    1637 Adressen liegen laut Schuster im Bereich C. Sie sind - wie auch der Bereich B - mit 100 Mbit/s bereits gut versorgt. Um dort mit Glasfaser höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, müsste die Stadt den Berechnungen zufolge 4,9 Millionen Euro investieren. Fördergelder gibt es dafür nach derzeitigem Stand nicht. "Diese Kosten hätte die Stadt Stand jetzt alleine zu tragen", sagte Schuster.

    Ein Glasfaseranschluss wertet eine Immobilie deutlich auf

    Wie lässt sich der Gesamtausbau nun umsetzen? Dazu hat Peer Welling vom Beratungsunternehmen Rödl & Partner einen detaillierten Businessplan ausgearbeitet, den er dem Gremium vorstellte. Viele Menschen seien heute zufrieden mit 100 Mbit/s, sagte er. Aber die Zahlungsbereitschaft für leistungsfähigere Anschlüsse nehme signifikant zu, und ein Glasfaseranschluss werte eine Immobile deutlich auf. Welling empfiehlt der Kommune deshalb, selbst als Betreiber, als sogenannter Asset Owner, aufzutreten und die Infrastruktur zu schaffen. Die Leitungen könnten dann zu marktüblichen Preisen an Internet-Service-Provider verpachtet werden - also an Unternehmen, mit denen der Endkunde einen Vertrag abschließt, wie beispielsweise die Telekom oder 1&1.

    Das Netz könne aufgebaut und über einen Zeitraum von 30 Jahren abgeschrieben werden, sagt Welling. Laut Plan wird es sechs Jahre dauern, bis alles erschlossen ist. Die Anfangsinvestitionen belaufen sich auf die von der Firma Corwese berechneten 22,6 Millionen Euro. Allerdings würde die Stadt auch die genannten Fördergelder erhalten, und es können Umsatzerlöse generiert werden. Einen Puffer für Wartung und Instandhaltung des Netzes sowie weitere Komponenten hat Welling in die Kalkulation mit aufgenommen, zudem Personalaufwendungen für die noch zu gründende kommunale Gesellschaft. "Sie werden nicht umhin kommen, ein gewisses Marktrisiko zu tragen", sagte der Berater im Hinblick auf die Unsicherheit, wie viele Kundinnen und Kunden letztlich einen Glasfaseranschluss nutzen werden. Und er gab zu bedenken, dass die Bundesförderung ein "bürokratisches Monstrum" sei.

    Weißenhorn könnte bei dem Projekt auch mit Nachbarkommunen kooperieren

    Unterm Strich kommt Welling aber auf eine Eigenkapitalrendite von 4,9 Prozent. "Ich würde das als gute Geldanlage betrachten", resümierte er und nahm an, dass die Stadt das Vorhaben über ein Darlehen finanziert. Welling verwies auf einige andere Kommunen, die sich für dieses Modell entschieden haben. Außerdem sprach er die Möglichkeit an, dass Weißenhorn bei dem Projekt mit den Nachbarkommunen kooperieren könne. Mit einem Baubeginn rechnet der Berater aber frühestens im Herbst 2023.

    Die Mitglieder des Stadtrats waren von dem Konzept überzeugt und sprachen sich einstimmig dafür aus. Die Internetversorgung sei inzwischen so wichtig wie die Versorgung mit Wasser und Strom, sagte Franz Josef Niebling (CSU): "Und da haben wir auch selbst die Hand drauf." Die Unternehmen suchten sich für einen Netzausbau nur die lukrativsten Projekte raus, ländliche Gebiete gehörten nicht dazu, sagte Niebling. Herbert Richter (SPD) betonte: "Wenn wir uns auf andere verlassen, dann sind wir verlassen." Mit dem Breitbandausbau werde der Grundsatz verfolgt, gleiche Lebensverhältnisse für alle zu schaffen, sagte Bernhard Jüstel (WÜW). Seine Fraktionskollege Jürgen Bischof ergänzte, dass das Modell mit einem kommunalen Unternehmen auch bei der Fernwärme gut funktioniere. "Ich mache mir keine Sorgen, dass es sich hier um eine Fehlinvestition handelt", ergänzte er.

    Bürgermeister Wolfgang Fendt freute sich über das eindeutige Votum der Stadträtinnen und Stadträte. "Wir sind heute an einem Startpunkt", sagte er. "Das wird viel Arbeit, aber wir sind uns einig, dass das der richtige Weg ist."

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