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Vöhringen: Wie die Bewohner der Brücklesmühle das Kriegsende erleben

Vöhringen

Wie die Bewohner der Brücklesmühle das Kriegsende erleben

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    Heute erinnert nur noch das alte Mühlrad an die harte Arbeit, die die Bewohner des Anwesens damals zu verrichten hatten. Gegen Ende des Krieges wurde die Brücklesmühle niedergebrannt.
    Heute erinnert nur noch das alte Mühlrad an die harte Arbeit, die die Bewohner des Anwesens damals zu verrichten hatten. Gegen Ende des Krieges wurde die Brücklesmühle niedergebrannt. Foto: Manhalter

    Dort, wo sich heute in Vöhringen das Industriegebiet Nord erstreckt, erinnert nur noch die Straßenbezeichnung „Bei der Brücklesmühle“ an das einstige namensgebende Anwesen. In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 wurde die Mühle von den heranrückenden Amerikanern in Schutt und Asche gelegt. Sie hatten in dem Gebäude ein Widerstandsnest der Wehrmacht vermutet.

    Die Bewohner suchten Schutz im Kartoffelkeller

    Freilich, der Verdacht erwies sich als unbegründet. In der Nacht zuvor hatten lediglich zurückziehende Soldaten an der Mühle eine kurze Rast eingelegt. Der spätere Besitzer Johann Ertle berichtete darüber im Vöhringer Heimatbuch: „Auf dem Hofe waren nur meine Familie und ein Polenehepaar. Ich hatte am Nachmittag die Granateinschläge in Vöhringen beobachtet. Frau und Kinder hielten sich im Kartoffelkeller, unserem Luftschutzbunker, auf. Es war abends gegen 7 Uhr, als sich Panzer der Mühle näherten und ohne vorhergehende Warnung sämtliche Gebäude in Brand schossen.“ Ertle sprach davon, dass das gesamte Gehöft eingeäschert wurde und man gerade noch mit Mühe und Not das Vieh retten konnte. Dabei halfen die amerikanischen Soldaten sogar, nachdem sie ihren Irrtum bemerkt hatten.

    Ertle bewohnte mit seiner Mutter sowie mit dem Stiefvater, dem Bauern und Mühlenbesitzer Gottlieb Idler, das landwirtschaftliche Gebäude, zu welchem noch ungefähr 40 Tagwerk Grund gehörten. Um das alles zu bewirtschaften, bekam die Familie eine junge Landhelferin zugeteilt und wurde ab 1941 von einem polnischen Ehepaar unterstützt. Die Nationalsozialisten hatte es zur Arbeit auf dem Hof zwangsverpflichtet. Zeugen werden nach dem Krieg vor der Spruchkammer Illertissen belegen, dass Idler die Zwangsarbeiter stets sehr gut behandelt habe und diese auch einen vollständigen Familienanschluss genossen hätten.

    Das Ehepaar Bednarek bekommt in Vöhringen eine Tochter

    Valentin Bednarek, so der Name des Polen, hielt auch nach dem Krieg noch Kontakt mit den Mühlenbesitzern und äußerte sich ebenfalls stets positiv über die nicht einfache Zeit des Zusammenlebens. Der Vöhringer Hobbyhistoriker Walter Nothelfer hat unter anderem die Geschichte der Bednareks nachgezeichnet. Ein tragisches Schicksal ereilte das 1942 geborene Töchterlein der Familie: Die kleine Eugenia wurde anfangs von ihrer Mutter in einer Kammer über dem Stall der Brücklesmühle gestillt, dann aber an die Familie Müller in der Weidachgasse übergeben.

    Eugenia Bednarek ist als Tochter von Zwangsarbeitern in Vöhringen geboren.
    Eugenia Bednarek ist als Tochter von Zwangsarbeitern in Vöhringen geboren.

    In der nationalsozialistischen Ideologie war kein Mutterschaftsurlaub für nicht deutsche Frauen vorgesehen. Dennoch wuchs das kleine Mädchen offenbar gut heran, sprach bald fließend deutsch und spielte oft mit Elvira, der Landhelferin von der Brücklesmühle. Nach Kriegsende beabsichtigte die leibliche Mutter natürlich, die kleine Eugenia mit nach Polen zu nehmen, wobei Valentin Bednarek es wohl lieber gesehen hätte, mit dem Mädchen in Deutschland zu bleiben. Die Bednareks lebten bereits vor dem Krieg als Polen im Deutschen Reich und zumindest der Vater stand offenbar dem neu geschaffenen kommunistischen Staat jenseits von Oder und Neiße mit Skepsis gegenüber.

    Wie es der Familie wohl in Vöhringen ergangen wäre?

    Josefa Bednarek sollte sich schließlich durchsetzen und so siedelte die Familie zurück in ihre angestammte Heimat. Eugenia, so belegen spätere Fotos, war zwischenzeitlich zu einer hübschen jungen Dame herangewachsen. Die Männer hätten sich um sie gestritten, wird man später erfahren. Allerdings sollte dieses Privileg letztendlich auch ihr Todesurteil werden. Am 13. September 1969 wurde die attraktive dunkelblonde Frau offenbar von einem nicht erhörten Freier ermordet. Der Täter wurde nie gefasst. Aus Gram über den Tod der geliebten Tochter erhängte sich der Vater wenig später. Auch Josefa starb bald darauf an Tuberkulose – es gab vor Ort keine Medikamente. Ob es Eugenia und ihrer Familie in Vöhringen besser ergangen wäre? Eine Antwort darauf wäre Spekulation.

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