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Vöhringen: Wenn der Morgenkreis im Kindergarten zum Online-Meeting wird

Vöhringen

Wenn der Morgenkreis im Kindergarten zum Online-Meeting wird

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    Der Morgenkreis wird in Vöhringen zur Videokonferenz. Am Bildschirm tauschen sich die Kinder aus, es wird gemeinsam gesungen und Geschichten erzählt.
    Der Morgenkreis wird in Vöhringen zur Videokonferenz. Am Bildschirm tauschen sich die Kinder aus, es wird gemeinsam gesungen und Geschichten erzählt. Foto: Birgit Rocchi

    Was es für kleinere Kinder wirklich bedeutet, zu Hause bleiben zu müssen, die gleichaltrigen Freunde nicht sehen zu können – für Erwachsene ist das vermutlich nur schwer vorstellbar. Für die Erzieherinnen im Vöhringer Kindergarten Rappelkiste war auch zu Beginn der Coronakrise schon klar: Sie wollen den Kontakt zu den Kindern und deren Familien trotz strenger Ausgangsbeschränkungen nicht abreißen lassen. Das bedeutete, kreativ zu werden. Und wie sich gezeigt hat: Videocalls sind nicht nur was für Erwachsene.

    Die Pandemie verursacht bei Kindern auch Panik

    Birgit Rocchi ist stellvertretende Leiterin des Kindergartens Rappelkiste in Vöhringen. Sie berichtet, wie belastend die aktuelle Situation für die Kinder ist. Die Kinder bekommen mehr aus den Nachrichten mit, als manch Erwachsener vermuten würde. Doch können sie das Gehörte oft nicht so gut einordnen. „Manche Kinder haben richtig Panik vor Corona“, sagt Rocchi. Sie trauten sich zum Beispiel kaum mehr, andere auch nur kurz zu berühren oder glauben, sie könnten ganz leicht ihre Großeltern umbringen, wenn sie sie unbemerkt mit Corona infizieren. Es bereitet Rocchi und ihren Kolleginnen Sorgen, was diese Gedanken und Ängste bei den Kindern auslösen.

    Was brauchen Familien gerade?

    Wie lange sich die schwierige Pandemiesituation hinzieht, hatte anfangs keiner absehen können, erklärt Rocchi. Aus dem anfänglichen „bis Ostern“ wurden schnell mehrere Monate. Die Betreuungseinrichtungen sind seit Mitte März geschlossen. Und auch nach Pfingsten dürfen nun längst nicht alle Kinder zurück in die „Rappelkiste“. Rocchi sagt: „Wir haben uns damals gefragt, wie können wir den Kontakt zu den Familien halten, was brauchen die Eltern und Kinder in dieser Situation?“

    Denn auch für Eltern, die im Homeoffice irgendwie den Spagat zwischen Beruf und Familienmanagement schaffen müssen, ist diese Krise eine zum Teil extreme Belastung. Dass da Bastelideen und Spielvorschläge nicht ausreichen, sei ihnen schnell klar gewesen, so die erfahrene Pädagogin.

    Persönliche Treffen sind kaum möglich. Bilder und Briefe müssen reichen.
    Persönliche Treffen sind kaum möglich. Bilder und Briefe müssen reichen. Foto: Birgit Rocchi

    Wichtig war den Erzieherinnen auch, die in der „Rappelkiste“ praktizierte Reggio Pädagogik selbst in Krisenzeiten so gut wie möglich umzusetzen. Das aus Italien stammende Konzept stellt die Kinder und ihre individuellen Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Die Kinder sollen in so vielen Bereichen wie möglich eigene Entscheidungen treffen können und eigene Projekte anstoßen. So durften sie beispielsweise ihre Vorschläge einbringen, als es kürzlich darum ging, wie die Außenanlagen des Kindergartens nun gestaltet werden sollen.

    Lesen Sie dazu: Kindergarten "Rappelkiste": Vöhringer Kids planen Bobbycar-Rennstrecke

    Weil sich bei den Erwachsenen große Teile des Alltags ins Digitale verlagert haben, kam in Vöhringen die Idee auf, das auch für die Kinder anzubieten. Das passte auch zu dem Medienprojekt, das die Vorschulkinder bereits vor der Corona-Krise begonnen hatten.

    Videokonferenzen schon für die Kleinen

    Sie waren die erste Gruppe, die mit einem Morgenkreis per Videokonferenz in den Tag startete. Dort wird, wie im Kindergarten sonst auch, gemeinsam gesungen, es werden Geschichten erzählt und sich ausgetauscht, etwa über die Wochenaufgaben. In denen wurden zum Teil Projekte fortgeführt, die vor Corona begonnen hatten. Eine Gruppe beschäftigte sich mit Türmen. Zu Hause wurde dann aus Recyclingmaterial eifrig gebastelt.

    Eine der Wochenaufgaben der Kinder: ein Turm aus Recyclingmaterial.
    Eine der Wochenaufgaben der Kinder: ein Turm aus Recyclingmaterial. Foto: Birgit Rocchi

    Man habe bemerkt, dass sich die Kinder in den Wochen zu Hause auch vermisst hätten, berichtet Gruppenleiterin Katrin Schön. Einige Teilnehmer loggen sich früher ein und bleiben länger als der Morgenkreis eigentlich dauern würde.

    So haben die Kleinen auch die Möglichkeit, sich zu unterhalten, ohne dass Erwachsene mithören. Verpflichtend war der digitale Morgenkreis nicht. Dennoch waren und sind immer einige Kinder bei den Treffen vor dem Bildschirm dabei.

    Erzieherinnen packen individuelle Aufgaben-Taschen

    Beeindruckt waren die Betreuerinnen allesamt von der Mikrofondisziplin der jungen Videokonferenzteilnehmer. Wer nicht spricht, stellt sein Mikrofon auf stumm, sonst gibt es störende Rückkopplungen, wie sie viele Arbeitnehmer kennen. „Die Kinder halten sich da zum Teil besser an die Regeln als Erwachsene“, sagt Birgit Rocchi.

    Vor dem Bildschirm konnten sich die Kinder auch gegenseitig ihre Projekte und Aufgaben präsentieren, die sie mit den „Rappelkiste-to-go“-Taschen bekommen haben. Die Kindergärtnerinnen haben individuelle und altersgruppenentsprechende Stofftaschen gepackt, die einmal pro Woche abgeholt werden können.

    Die Kinder können sich jede Woche individuell bepackte Taschen abholen.
    Die Kinder können sich jede Woche individuell bepackte Taschen abholen. Foto: Birgit Rocchi

    Der digitale Morgenkreis kam zwar erst im Laufe der Corona-Krise auf, wurde aber von Kindern und Eltern begeistert aufgenommen. Von Beginn an haben die Vöhringer Erzieherinnen im wöchentlichen Rhythmus bei den Familien angerufen und Briefe geschrieben. „Viele haben uns mit Briefen und Bildern geantwortet. Von den Eltern wissen wir auch, wie sehr sich die Kinder teilweise über die Anrufe der Erzieherinnen gefreut haben“, berichtet Rocchi.

    Der Kindergartenalltag hat sich verändert

    Inzwischen durften die ersten Kinder wieder zurück in ihre Betreuungseinrichtungen. Vom Kindergartenalltag von vor Corona sei man allerdings noch weit entfernt. Alle müssen in ihren Gruppen bleiben. Die Kinder können sich nicht mehr so frei in der Einrichtung bewegen wie früher, können beispielsweise nicht einfach ins Atelier, wenn sie Lust zu Malen haben oder in den Bewegungsraum, wenn ihnen der Sinn eher nach Toben steht.

    Viele, insbesondere die ganz Kleinen müssen sich wieder regelrecht eingewöhnen in das, was vor einigen Monaten noch Alltag war, erklärt Rocchi, die hofft, im neuen Kindergartenjahr wieder zur gewohnten Normalität zurückkehren zu können. Dann soll auch das besondere Konzept des Kindergartens wieder mehr zum Tragen kommen, das ja auf viel Eigenbestimmung der Kinder setzt. Denn die Corona-Verhaltensregeln, so sinnvoll und wichtig sie für die Gesundheit aller derzeit sind, stehen dem leider entgegen.

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