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Vöhringen: Vöhringia Au-No: Als Vöhringen die Faschingshochburg im Illertal war

Vöhringen

Vöhringia Au-No: Als Vöhringen die Faschingshochburg im Illertal war

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    Hoch auf dem Faschingswagen winken Prinz Anton Stegmann und Prinzessin Ute Gehrung dem närrischen Volk in Vöhringen zu. Dabei sind auch die Mitglieder der Garde, deren Helm mit einem V geschmückt war.
    Hoch auf dem Faschingswagen winken Prinz Anton Stegmann und Prinzessin Ute Gehrung dem närrischen Volk in Vöhringen zu. Dabei sind auch die Mitglieder der Garde, deren Helm mit einem V geschmückt war. Foto: Foto Heim/Repro Ursula Katharina Balken

    Trotz Sonnenschein sind es trübe Tage für Faschingsfreunde. Corona bestimmt den Alltag und die üblichen Veranstaltungen an den tollen Tagen finden nicht statt. Genau die richtige Zeit also, um in alten Fotoalben zu blättern und in Erinnerungen zu schwelgen. Uschi Lepple und Rainer Melichar ließen unsere Redaktion in ihren reich bestückten Bilderbestand blicken.

    Als Funkenmariechen durften Uschi Lepple und Marlies Kropp in Vöhringen vor dem Prinzenwagen tanzen.
    Als Funkenmariechen durften Uschi Lepple und Marlies Kropp in Vöhringen vor dem Prinzenwagen tanzen. Foto: Foto Heim/Repro Ursula Katharina Balken

    Es eröffnen sich Einblicke: Sähe man sie nicht schwarz auf weiß, was wörtlich zu nehmen ist, würde man kaum glauben, dass Fasching in Vöhringen einst so gefeiert wurde. Es gab Umzüge mit Prinz und Prinzessin, die von einem Hofmarschall eskortiert wurden. Mehr als 1000 Zuschauer säumten die Straßen in der Gemeinde, es herrschte Gedränge um die besten Plätze, die Gäste kamen aus dem gesamten Umland, denn Vöhringen galt als "die" Faschingshochburg im Illertal.

    Nach dem Krieg brachte der Fasching die Menschen auf andere Gedanken

    Die Besucherscharen erklären sich nicht allein aus der Tatsache, dass Unterhaltung via Fernsehen noch nicht ins Wohnzimmer geliefert wurde. Anfang der 1950er-Jahre begannen die Menschen, sich von den Schrecken des Zweiten Weltkrieges zu erholen. In dieser Zeit stand wieder ausreichend Speis und Trank auf dem Tisch. Man sehnte sich einfach nach Lebensfreude, man begann wieder Fasching zu feiern. Das närrische Treiben konzentrierte sich auf die Gasthäuser Adler, Krone, Lepple, Grüner Baum, Café Schorer und Friedenslinde, um nur wenige zu nennen. "Aber das waren so die Hauptlokalitäten", erinnert sich Melichar, ein begeisterter Fasnachter. Dort ging dann die Post ab.

    Begonnen hatte alles in der "Bahnhofsrestauration" gegenüber dem Bahnhof, damals ein gediegenes Lokal, in dem sich Vereinsvertreter zur geselligen Runde zusammenfanden. Es wurde die Idee geboren, zum Fasching mal etwas auf die Beine zu stellen. Das "Auf-die-Beine-Stellen" darf man nicht so wörtlich nehmen, denn es wurde etwas auf die Räder gestellt, die zu Lastwagen, Anhängern oder Traktoren gehörten.

    Vöhringen: Zu später Stunde übernimmt die Ersatzprinzessin

    Der erste Umzug in Vöhringen fand 1955 statt. Insgesamt gab es bis 1963 acht Gaudiwürmer. Bewohner so um die 60 plus hegen zahlreiche Erinnerungen an diese Jahre. Es gab sogar eine Faschingsgesellschaft, die hatte sich den Namen "Vöhringia" gegeben. Und es gab auch den Narrenruf "Au-No". Aber welche Bedeutung dies hatte, weiß niemand mehr. Übrigens: Prinzessin zu sein, war tageszeitlich begrenzt. Die jungen Mädchen mussten um 22 Uhr die Fete verlassen - das forderte der Jugendschutz. Es gab jedoch aber eine ältere Ersatzprinzessin, die zu späterer Stunde einsprang. Aber das soll um diese Zeit ohnehin niemand mehr gemerkt haben.

    Uschi Lepple hat noch viele tolle Erinnerungen an den Fasching in Vöhringen.
    Uschi Lepple hat noch viele tolle Erinnerungen an den Fasching in Vöhringen. Foto: Ursula Katharina Balken

    2021 ist übrigens nicht das erste Mal, dass in Vöhringen auf die großen Faschingsveranstaltungen verzichtet wird. 1962 wurde Hamburg von einer schrecklichen Sturmflut heimgesucht, 347 Menschen kamen dabei ums Leben. Damals wurden aus Pietätsgründen alle Faschingsveranstaltungen bundesweit abgesagt, die Fahnen wurden auf halbmast gesetzt. Der Golfkrieg war viele Jahre später ein weiterer Grund für eine Absage.

    Eine begeisterte Fasnachterin war und ist auch heute noch Uschi Lepple, Seniorchefin des Gasthauses Bräuhaus Lepple. Sie verkleidete sich gerne zusammen mit ihrer Freundin Marlies Kropp. "Einmal war ich Prinzessin mit einem tollen Kostüm und dann ging ich zum Rathaus, wo der Prinzenwagen stand. Ich dachte, hoffentlich darf ich mit auf den Wagen und dann den Leuten zuwinken." Dem Charme der jungen Dame erlagen dann die Macher des Zuges und Uschi kletterte auf das Gefährt.

    Ein anderes Mal war sie zusammen mit Freundin Marlies als Funkenmariechen unterwegs, da durften die beiden unzertrennlichen Mädchen vor dem Prinzenwagen tanzen, auch eine besondere Ehre. Der Umzug nahm auch noch einen anderen Weg als später. Vom Rathaus ging's damals über die Wannengasse zur Ulmer Straße, Vöhlinstraße und dann zurück zum Rathaus. Uschi Lepple erinnert sich noch gut an "Mäx" Kropp, ein Figaro von Vöhringen. Sein besonderes Talent bestand im Schminken der Maschkerer, berichtet sie.

    Fußballer des SC Vöhringen bauten einen Umzugswagen

    Als die Zeit der großen Umzüge vorbei war, herrschte zunächst einmal Leere. Der Kulturring der Stadt rief dann den Straßenfasching Ende der 1970er-Jahre ins Leben. Kostümierte Gruppen trafen sich, tanzten, sangen und ein Höhepunkt war stets ein Wagen, gebaut von den Fußballern des SC Vöhringen und immer einem aktuellen Thema gewidmet.

    Wertvolle Hilfe war beim Bau der Wagen die Firma Knittel, "da konnten wir montieren und Aufschriften anbringen mit Witterungsschutz", erzählt Rainer Melichar und lacht. Aber diese Initiative schlief ein. Gründe dafür gab es viele, vor allem musste viel Freizeit geopfert werden, um die Wagen mit ihren närrischen Aufbauten umzugsreif zu machen. Und die Lust auf immer etwas Neues zu initiieren reduzierte sich.

    Rainer Melichar arbeitet an einer Chronik, er will die Erinnerung an frühere Faschingsveranstaltungen in Vöhringen wach halten.
    Rainer Melichar arbeitet an einer Chronik, er will die Erinnerung an frühere Faschingsveranstaltungen in Vöhringen wach halten. Foto: Ursula Katharina Balken

    Was jetzt erzählt wurde, ist mit Puzzleteilchen zu vergleichen, weil es noch viel mehr zu berichten gäbe. Rainer Melichar arbeitet deshalb an einem großen Puzzle in Form einer Chronik des Vöhringer Faschings. Uschi Lepple und Rainer Melichar sind beide bodenständig und heimatverbunden. "Diese schönen Zeiten sollten nicht in Vergessenheit geraten", da sind sie sich beide einig.

    Und seit 22 Jahren pflegen nun die Wasamolle aus Illerberg die Fasnachtstraditionen in Vöhringen und den Ortsteilen.

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