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Vöhringen: Städtepartnerschaft: Vöhringen half Hettstedt auf die Beine

Vöhringen

Städtepartnerschaft: Vöhringen half Hettstedt auf die Beine

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    Ein geschichtsträchtiger Augenblick: der Austausch der Partnerschaftsurkunden. Rechts im Bild der ehemalige Vöhringer Bürgermeister und heutige Altlandrat Erich Josef Geßner, links der damalige Bürgermeister von Hettstedt, Gerhard Fingas.
    Ein geschichtsträchtiger Augenblick: der Austausch der Partnerschaftsurkunden. Rechts im Bild der ehemalige Vöhringer Bürgermeister und heutige Altlandrat Erich Josef Geßner, links der damalige Bürgermeister von Hettstedt, Gerhard Fingas.

    Sie gehören schon zum gewohnten Straßenbild: Bunte Schilder an den Ortseingängen zahlreicher Städte und Gemeinden künden von Partnerschaften meist mit Kommunen im Ausland. Eine Geste, um sich zum europäischen Gedanken zu bekennen, Kontakte und Begegnungen außerhalb der politischen Bühne zu pflegen. Vöhringen ist mit drei Städten verbandelt: Hettstedt in Sachsen-Anhalt, Vizille in Frankreich und Venaria Reale in Italien.

    Corona machte die Geburtstagsfeier zunichte

    Die älteste Verbindung mit der deutschen Stadt im Mansfelder Land besteht seit 1990, also seit 30 Jahren. Ein runder Geburtstag, der eigentlich gebührend gefeiert werden sollte. Doch dieses Fest wird nicht stattfinden können. Das Coronavirus lässt die Begegnung nicht zu, Reisen und große Gesellschaften sind derzeit nicht möglich. Aber bekanntlich heißt es ja: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und nachgefeiert wird gewiss.

    Altlandrat Geßner förderte den Gedanken der Städtepartnerschaft

    Der Gedanke einer Partnerschaft mit einer ausländischen Stadt stand schon länger auf der Agenda des damaligen Bürgermeisters und heutigen Altlandrats Erich Josef Geßner. Als das Thema im Stadtrat andiskutiert wurde, fragte Werner Zanker, warum es das Ausland sein müsse: Wieso mache man sich nicht auf die Suche nach einer Stadt in der DDR? Man spreche die gleiche Sprache, somit gebe es keine Verständigungsprobleme. Eine Partnerschaft mit einer Stadt im Westen des Landes wäre auch sicher ein positives Zeichen für die Menschen jenseits von Mauer und Stacheldraht. Für diesen Gedanken konnte sich Geßner durchaus erwärmen, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass es ziemlich schwierig werden würde, Kontakte zu knüpfen.

    Mittelpunkt der Stadt Hettstedt ist das farblich aufgefrischte Rathaus, zu dem auch ein Ratskeller gehört.
    Mittelpunkt der Stadt Hettstedt ist das farblich aufgefrischte Rathaus, zu dem auch ein Ratskeller gehört.

    Geßner erinnert sich sehr gut daran, wie letztendlich die Verbindung zu Hettstedt zustande kam. Eine Partnerschaft zu begründen erforderte nach Meinung der damaligen sozialistischen Staatsführung historische oder aktuelle Bezüge. Geßner witterte damals eine Chance. Schließlich gab es in Vöhringen die Wieland-Werke und in Hettstedt das VEB-Walzwerk, was im damaligen Sprachgebrauch „Volkseigener Betrieb Walzwerk“ hieß. Es gab also durchaus Parallelen.

    Briefe aus dem Westen durften im Rathaus nicht geöffnet werden

    Geßner wandte sich an die Stadtverwaltung von Hettstedt. Dass überhaupt Interesse an einer Partnerschaft zwischen Vöhringen und Hettstedt bestand, wusste man im Hettstedter Rathaus lange nicht. Denn jeder Brief aus dem Westen durfte nicht geöffnet werden, er musste unverzüglich nach Ostberlin weitergeleitet werden. Aber im Hettstedter Rathaus saßen gewiefte Strategen. Einen Brief über Wasserdampf zu öffnen war ein durchaus probates Mittel, den Inhalt zu erkennen. Auf diese Weise erfuhr man im Rathaus von den Absichten Vöhringens.

    Der damalige Bürgermeister Gerhard Fingas entschied sich zu einem mutigen Schritt. Er lud kurzerhand eine Vöhringer Delegation ins Mansfelder Land ein. Denn es bestand in Hettstedt „großes Interesse“ an Verbindungen mit einer westdeutschen Stadt, berichtet Geßner heute.

    Mit zwei Limousinen von Vöhringen in die DDR

    Mit zwei Limousinen machte sich eine Delegation aus sechs Personen auf den Weg in den Arbeiter- und Bauernstaat. Noch heute erinnert sich Geßner daran, wie seltsam auf den ersten Blick der Empfang war. Als sie sich dem Hettstedter Ortseingang näherten, fiel der Blick der Vöhringer Besucher auf eine Gruppe von dunkel gekleideten Männern, die sich zunächst bedeckt an einem Waldrand aufhielten. Nur zögerlich traten sie aus ihrer Deckung. Die Fahrzeuge hielten an, und als die Frage nach der Herkunft der Besucher gestellt wurde und die Antwort „aus Vöhringen“ kam, zog ein Lächeln der Erleichterung über die Gesichter des Hettstedter Begrüßungskomitees. „Es wurde dann ein herzlicher Empfang“, erinnert sich Geßner. Nach einigen Hin- und Her-Besuchen gab es ein offizielles Treffen, bei dem Geßner und Hettstedts damaliger Bürgermeister Gerhard Fingas die Partnerschaftsurkunden austauschten.

    Zwischen Geßner und Hettstedts späterem Bürgermeister Jürgen Lautenfeld entspann sich im Laufe der Jahre eine freundschaftliche Beziehung. Als die Mauer fiel, half Vöhringen beim Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen und es gab materielle Spenden, um Hettstedt auf die Füße zu helfen. Lautenfeld ist der Stadt Vöhringen heute noch dafür dankbar: „Die Hilfe reichte vom modernen medizinischen Gerät, Notarztwagen, über den Drucker fürs Rathaus bis hin zum Lineal.“ Und es gab für die Rathausmitarbeiter regelmäßig Kurse in moderner Verwaltung.

    Die Beziehung ist im Laufe der Jahre abgeflaut

    Im Laufe Jahre flauten die Beziehungen zwischen Hettstedt und Vöhringen etwas ab. Aber Geßners Nachfolger, Bürgermeister Karl Janson, lässt keine Gelegenheit aus, um die Hettstedter Bürger spüren zu lassen, dass die Partnerschaft zwischen beiden Städten kein Strohfeuer gewesen ist. Wundern muss es nicht, wenn die Euphorie der ersten Jahre verflogen und dafür einem regelmäßigen Meinungsaustausch gewichen ist. Es ist eine neue Generation herangewachsen, die nichts mehr von einem geteilten Deutschland weiß, die nicht das mulmige Gefühl kennt, wenn man sich der Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR näherte. Auf der einen Seite das beklemmende Gefühl der stark beschnitten Freiheit, auf der anderen Seite Demokratie mit Meinungsfreiheit.

    Bürgermeister ist überzeugter Europäer

    Das scheidende Vöhringer Stadtoberhaupt hält es für überaus wichtig, alte Grenzen zwischen Ost und West auch mental zu überwinden. Janson gilt als überzeugter Europäer, ihm sind die Kontakte weiterhin wichtig, ebenso wie die Bindungen nach Vizille in Frankreich und nach Venaria Reale in Norditalien, eine Stadt, die besonders unter der Ausbreitung des Coronavirus litt.

    30 Jahre Partnerschaft sind jedenfalls eine lange Zeit. Mit Optimismus blicken die Stadtoberen in die Zukunft und hoffen wieder auf normale Zeiten – und ein Wiedersehen.

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