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Vöhringen: Brauereien in Vöhringen: Als der Leplator noch aus dem Fenster gereicht wurde

Vöhringen

Brauereien in Vöhringen: Als der Leplator noch aus dem Fenster gereicht wurde

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    Ein historischer Blick auf und in das Bräuhaus Lepple in Vöhringen: So sah es dort 1950 aus.
    Ein historischer Blick auf und in das Bräuhaus Lepple in Vöhringen: So sah es dort 1950 aus. Foto: Ursula Balken

    Der Korb, den Uschi Lepple am Arm trägt, ist im wahrsten Sinne inhaltsschwer. Schön säuberlich stapeln sich Akten, Pläne, Urkunden, Fotos - die gebündelte Geschichte des Bräuhauses Lepple. Seit 1907 ist das Wirtshaus Kommunikationspunkt in Vöhringen, und es trägt seinen Namen zu Recht. Denn dort wurde fast 100 Jahre lang Bier gebraut. Wann es im 19. Jahrhundert begann, ist nicht mehr festzustellen. Die Geschichte des Hauses ist erst seit 1907 im Detail nachzuvollziehen. Denn am 12. September 1907 erwarb Jakob Lepple "ein Brauereianwesen mit Wohnhaus, Stall und Stadel", wie in der Familienchronik nachzulesen ist.

    Der Leplator wurde in Vöhringen auch am Fenster verkauft

    Lepple kam aus dem Allgäu, wo er das Handwerk des Brauereimeisters gelernt hatte. In Vöhringen stand zur Sommerzeit Märzen auf dem Tisch, im Winter wurde ein kräftig dunkler Gerstensaft gebraut, selbstbewusst vom Chef des Hauses Leplator genannt, wohl in Anlehnung an den Familiennamen Lepple. Bier wurde nicht nur in der Gaststube getrunken. So mancher Bürger kam mit dem Krug und ließ sich das Bier darin einfüllen, das dann durch ein Fenster auf der Ostseite des Hauses hinaus gereicht wurde.

    Jakob Lepple begründete den Ruhm des Bräuhauses. Er erwarb 1907 das Anwesen.
    Jakob Lepple begründete den Ruhm des Bräuhauses. Er erwarb 1907 das Anwesen. Foto: Ursula Balken

    Ein eigener Flaschenvorrat an einem kühlen Ort, davon konnten die Menschen damals nur träumen. Kühlschränke waren noch Zukunftsmusik. "Zur Winterzeit ging man an den Russenweiher im Illergries und zu einem kleinen See bei Illerrieden und stach Eis. Gelagert wurde es in einem Keller auf dem Gelände der Brauerei", berichtet Uschi Lepple, deren Tochter Andra heute Chefin des Traditionshauses ist. Aber der Großvater hatte Großes vor. Um dem lästigen Eisstechen ein Ende zu bereiten, wollte er ein Eishebewerk einrichten. Es gab sogar schon Pläne. Warum diese nie verwirklicht wurden, darüber schweigt sich die Chronik aus.

    Jakob Lepple baute den Schwarzen Adler

    Jakob Lepple, dessen Porträt über dem Ofentisch im Gasthaus hängt, war ein umtriebiger Geschäftsmann. 1911 hatte er eine neue Idee. In Nähe der Pfarrkirche St. Michael baute er eine weitere "Restauration" - das Gasthaus Zum Schwarzen Adler. Lepple verkaufte das Haus zwar nach wenigen Jahren wieder, aber der Schwarze Adler entwickelte sich dennoch zur Legende. Über Jahrzehnte war es aus der Stadt nicht wegzudenken. Noch heute sprechen ältere Bürger mit einem Lachen von einem Eheanbahnungsinstitut. Manches Vöhringer Ehepaar lernte sich dort kennen.

    Das ist der Entwurf aus dem Jahr 1911 des Architekten Böhner für den Schwarzen Adler, der dann auch so gebaut wurde.
    Das ist der Entwurf aus dem Jahr 1911 des Architekten Böhner für den Schwarzen Adler, der dann auch so gebaut wurde. Foto: Ursula Balken

    Aber der Zahn der Zeit nagte auch am Gemäuer des Schwarzen Adlers, dessen Glanz in den 50er- und 60er- Jahren langsam verblasste. Die Räume waren abgewirtschaftet. Das Erdgeschoss wurde von der türkischen Gemeinde teilweise als Moschee genutzt. Als dann der Bau des Wolfgang-Eychmüller-Hauses anstand, wurde der alte Adler abgerissen und ein Haus für die Vereine gebaut, das baulich mit dem neuen Kulturzentrum verbunden war. Architektonisch durchaus gelungen, lehnt es sich an den Altbau an.

    Eine neue Ära ohne eigenes Bier

    1950 begann im Bräuhaus Lepple eine neue Ära. Christian, Sohn der Gründer Jakob und Ursula Lepple, kehrte aus dem Weltkrieg nicht zurück. So war es Sohn Karl, der in die Fußstapfen des Vaters trat. Karl war bis 1949 in Kriegsgefangenschaft. Er besann sich auf die Tradition des Hauses und der Familie. Schon 1950 begann er das Wirtshaus aufzupolieren. Mit seiner Frau Friedl, die aus dem Sudetenland stammte, wurde aus dem Gasthaus ein Wirtshaus, in dem dann auch Speisen angeboten wurden. Karl Lepple hätte auch gerne wieder Bier gebraut. Leider fehlten ihm dazu die kupfernen Sudkessel, die 1941 bereits demontiert worden waren. Damit war das Bierbrauen Geschichte. Das Sudhaus hatte im jetzigen Nebenzimmer seinen Platz. Aus dem leer stehenden Raum wurde das Nebenzimmer. Der Entschluss, keinen Gerstensaft mehr herzustellen, sollte sich später als kluge Entscheidung erweisen.

    Denn damals gab es in fast jedem Dorf eine Brauerei. Den meisten widerfuhr mit den Jahren das gleiche Schicksal. Sie mussten aufgeben, weil die großen Brauereien das Feld beherrschten. Der wirtschaftliche Erfolg des Bräuhauses hing zu dieser Zeit ohnehin an den beachtlichen Kochkünsten Friedl Lepples.

    Das Bräuhaus erfindet sich immer wieder neu

    Karl Lepple starb 1984. Uschi Lepple, Tochter des Hauses, wagte einen mutigen Schritt. Sie verließ ihren Arbeitsplatz in der Universität Ulm und tat alles, den elterlichen Betrieb zu erhalten. Sie hatte ein glückliches Händchen, und Uschi Prey stand ihr mit Rat und noch mehr Tat zur Seite. Die beiden Uschis sprühten vor Ideen und kreierten Play-back-Shows, von denen immer noch geschwärmt wird. Heute leitet Tochter Andra Lepple das Gasthaus und bringt als gelernte Hotelfachfrau die besten Voraussetzungen dazu mit. Sie setzt neue Akzente, frischte die Speisekarte auf, fühlt sich aber auch immer der Tradition verpflichtet.

    Bier wurde allerdings nicht nur in der Kernstadt Vöhringen gebraut. 1899 kaufte Josef Wiedenmann aus Illerberg das Anwesen, auf dem heute ein modernes Wohnhaus steht. Geführt wurde der Betrieb zuletzt von Georg Strasser, der die Brauerei und deren Inventar 1986 nach China veräußerte und dort die Menschen in die Technik moderner Braukunst einführte.

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