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Unterroth: Das Rothtal war einst Zentrum einer umstrittenen Glaubensströmung

Unterroth

Das Rothtal war einst Zentrum einer umstrittenen Glaubensströmung

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    Das Grabdenkmal für Valentin Thalhofer ist an der Kirchenmauer in Unterroth angebracht. Der Geistliche schrieb ein Buch über eine vermeintliche "Gefahr" aus dem Volk.
    Das Grabdenkmal für Valentin Thalhofer ist an der Kirchenmauer in Unterroth angebracht. Der Geistliche schrieb ein Buch über eine vermeintliche "Gefahr" aus dem Volk. Foto: Ralph Manhalter

    Josef Sedelmayer fand deutliche Worte: Es sei ein „verwässerter Neu-Protestantismus mit stark sinnlichem, sexuellem Einschlag und einer großen tätigen Nächstenliebe gegenüber den Anhängern dieser religiösen Verirrung.“ Der Mann, der in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts Pfarrer in Obenhausen war, fällte ein dezidiert negatives Urteil über eine geistige Strömung, die drei Generationen zuvor die Menschen im bayerischen Schwaben erregte.

    Gemeinhin als "Aftermystizismus" oder nach einem seiner Protagonisten, dem Geistlichen Ignaz Lindl, „Lindolinismus“ betitelt, gewann diese religiöse Bewegung im Zeitalter von Revolution und Napoleonischen Wirren eine immer größere Anhängerzahl. Persönliche Gotteserfahrung und Mystizismus standen demnach im Mittelpunkt der von der Bevölkerung auch als „ Das neue Gläublein“ bezeichneten Lehre. So verwundert es kaum, dass sich die offizielle katholische Kirche umgehend von den Praktiken der „Lindolinianer“ distanzierte. Der starke Zulauf, den diese religiöse Strömung verzeichnete, verhieß Gefahr für die etablierte Kirche.

    Der Geistliche aus Unterroth schrieb eine Abhandlung

    Der Dreißigjährige Krieg lag zwar schon eineinhalb Jahrhunderte zurück, die Grenzen zum Protestantismus waren jedoch gefestigt, jede Geste der Verbrüderung oder der Sympathie wurden mit größtem Argwohn beobachtet. Ein Zentrum des Aftermystizismus bildete in jenen Jahren das Rothtal. Dekan Johann Lutz aus Oberroth gehörte zur Anhängerschaft der Glaubensrichtung, wie auch der Pfarrer Johann Adam Fischer in Obenhausen. Beide sollten nach einem energischen Durchgreifen seitens des Domdekans Allioli in die Schweiz emigrieren, die sich hinsichtlich Glaubensausübung wesentlich liberaler gab als die Mehrzahl der deutschen Bistümer.

    Dabei konnte Fischer zunächst gerade mit dem Augsburger Bischof Peter von Richarz einen verständnisvollen Vorgesetzten gewinnen. Beauftragt mit einer Untersuchung, soll das Diözesanoberhaupt sogar, wie Sedelmayer noch 100 Jahre später empört feststellte, im Haus des „irrgläubigen“ Pfarrers übernachtet und in der dortigen Pfarrkirche die Firmung vorgenommen haben. Die Marschrichtung bei der Einordnung dieser religiösen Strömung durch die Kirche war also vorgegeben. So verwundert es auch kaum, dass ein gewisser Valentin Thalhofer sich intensiv mit dieser „Gefahr“ aus dem Volk auseinandersetzte. „Beiträge zu einer Geschichte des Aftermysticismus und insbesondere des Irvingianismus im Bisthum Augsburg“: So lautete der Titel der 128 Seiten langen Abhandlung.

    Über die Jahre stellte sich bei Thalhofer eine Schwermut ein

    Aus theologischer Sicht wissenschaftlich brillant, mündet das Traktat jedoch in die tradierte katholische Feststellung jener Epoche, es bedürfe eines Kirchenmannes oder eines Priesters, die Heilige Schrift zu verstehen. Das Laienvolk sei hierzu, entgegen der Annahme der Lindolinianer, nicht in der Lage. Thalhofer, geboren am 21. Januar 1825 in Unterroth, studierte nach dem Abitur in Dillingen an der Donau die Fächer Philosophie und Theologie. Nach seiner Promotion in München und der darauffolgenden Priesterweihe erfolgte eine Berufung zum Präfekten im Priesterseminar Dillingen. Mehrere Professorenstellen sollten folgen: Jene für Bibelwissenschaften in Dillingen, Liturgik in München und später in Eichstätt, wohin Thalhofer auf eigenen Wunsch versetzt wurde.

    Als Dompropst in der bayerisch-fränkischen Bischofsstadt wird der Geistliche den Höhenpunkt seinen Schaffens und Wirkens erreichen. Trotz dieser Erfolge stellte sich bei Thalhofer über die Jahre eine Schwermut ein, welche ihn immer mehr in Beschlag nahm und bei der Ausübung seiner Tätigkeiten hinderlich war. Den Tod schon lange herbeisehnend, starb Valentin Thalhofer am 17. September 1891 in seinem Geburtsort Unterroth. Der dortige Pfarrer Keller, ein persönlicher Freund, hatte den bekannten Theologen und streitbaren Mann Gottes bis zuletzt begleitet.

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