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Ulm: Wo Prostituierte Hilfe finden

Ulm

Wo Prostituierte Hilfe finden

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    Von steuerlichen Fragen über gesundheitliche Probleme bis zum Wunsch, aus dem Rotlicht-Milieu auszusteigen – die Beraterinnen von Ela müssen für vieles eine Lösung haben.
    Von steuerlichen Fragen über gesundheitliche Probleme bis zum Wunsch, aus dem Rotlicht-Milieu auszusteigen – die Beraterinnen von Ela müssen für vieles eine Lösung haben. Foto: Symbolfoto: Oliver Berg, dpa

    Es war ein Bordellbetreiber, der die Ulmer Sozialpädagoginnen auf einen Fall von Menschenhandel aufmerksam machte. An einem Freitagnachmittag klingelte gegen 16 Uhr das Telefon der Beratungsstelle Ela. Da sei eine junge Frau, der gehe es nicht gut. Er mache sich Sorgen, sagte der Bordellbetreiber, der dort anrief. Die beiden Sozialpädagoginnen machten sich auf den Weg.

    Seit einem Jahr betreut und begleitet die Beratungsstelle Ela Prostituierte aus Ulm, Neu-

    Der Fall, auf den die Ela-Betreuerinnen an besagtem Freitagnachmittag stießen, war der erschütterndste ihrer Arbeit im vergangenen Jahr. „Da saß mir ein Mädchen gegenüber – für mich war das keine Frau“, erinnert sich Tanja Wöhrle, eine der beiden Sozialpädagoginnen, die für Ela zuständig sind.

    Die Frau – oder das Mädchen – war 18, stammte aus Rumänien und sprach kein Wort Deutsch. Über eine Dolmetscherin warf Wöhrle ihr zwei Stunden lang Schlagworte zu. Aids, Schwangerschaft, Hilfe. Irgendwann öffnete sich die junge Rumänin: Sie besitze nichts außer den Kleidern, die sie am Leib trage. Sie sei schwanger, weil sie sich in ihrem Heimatland ohne Kondom prostituieren musste. Und sie wolle nur nach Hause zu ihrer Mutter.

    Die Helferinnen riefen dort an, doch die Mutter wies sie ab: Sie könne sich nicht kümmern, habe kein Geld für eine Abtreibung. Nach und nach fügt sich das Bild zusammen. „Mir hat sich parallel der Magen umgedreht“, berichtet Wöhrle. Sie und der Bordellbetreiber warfen einander einen Blick zu, dann alarmierten sie die Polizei. Die Beamten brachten die junge Frau, ein Opfer von Menschenhandel, in einer Schutzwohnung unter.

    Ob der Fall aus dem vergangenen Jahr der einzige dieser Art in der Donaustadt war, darüber wollen die Sozialpädagoginnen von Ela kein Urteil abgeben. Wäre die Frau nicht durch ihre Schwangerschaft unter Druck gestanden, hätte sie wohl kaum ausgepackt, glaubt Tanja Wöhrle. Die Ulmer Polizei will keine Einschätzung zum Thema Zwangsprostitution abgegeben, dem für Neu-Ulm zuständige Polizeipräsidium in Kempten liegen keine Erkenntnisse darüber vor.

    Dass die Doppelstadt gute Voraussetzungen für das Rotlichtgewerbe bietet, ist bekannt. Zwischen Stuttgart und München gelegen, mit großen Bordellen und einem Einzugsgebiet bis in die Schweiz. Diese Einschätzung stammt von Bernd Ziehfreund. Der Vize-Chef der Ulmer Kriminalpolizei ebnete vor zwei Jahren mit drastischen Schilderungen aus dem Milieu den Weg für Ela. Momentan sind in Ulm 181 Frauen und Männer angemeldet, die mit Sex ihr Geld verdienen. In Neu-Ulm sind es 43 Prostituierte registriert, Männer sind nicht darunter.

    Im Mai 2017 die Aidshilfe die Beratungsstelle Ela eingerichtet, in der vergangenen Woche stellten die Sozialpädagoginnen von Ela dem Ulmer Ausschuss für Bildung und Soziales eine Bilanz ihrer Arbeit vor. Sie haben in den vergangenen zwölf Monaten Gespräche mit 34 Frauen, drei Männern und drei Trans-Personen geführt. Auch acht Freier suchten Kontakt zur Beratungsstelle – die meisten, weil sie Geschlechtskrankheiten fürchteten und einer, weil er eine Frau aus der Prostitution retten wollte.

    Die Kontakte zu den Prostituierten erlebten die Beraterinnen als offen und freundlich. Wer sein Geld mit Sex verdienen will, muss sich bei der Stadt anmelden. Das schreibt das 2017 beschlossene Prostituiertenschutzgesetz vor. Das Ulmer Ordnungsamt gibt allen, die ein solches Gewerbe anmelden, ein Flugblatt von Ela mit. Das hat die Beratungsstelle bei den Hure bekannt gemacht „Wenn wir in die Häuser gehen, ist das eine Art Aha-Erlebnis“, berichtet Maren Kuwertz, seit Anfang des Jahres neben Tanja Wöhrle für Ela zuständig. Viele der Frauen hätten gleich ein Lächeln im Gesicht, wenn sie sich vorstellten.

    Bei den Fragen, die sie an die beiden Sozialpädagoginnen richten, geht es nicht immer nur um den Ausstieg. Manche Frauen verdienen gern auf diese Weise Geld, davon sind Wöhrle und Kuwertz durch die Gespräche überzeugt. Einige brauchen Hilfe bei steuerlichen Fragen. Andere müssen zum Frauenarzt, sind aber nicht versichert.

    Bei denen, die aussteigen wollen, ist die Suche nach einer Bleibe die entscheidende Frage. „Das ist nicht ganz einfach“, sagt Wöhrle. „Keine Frau steigt aus, wenn es keine Wohnung gibt.“ Sie brachte Unterkünfte ins Spiel, die für den Übergang zur Verfügung stehen. Nur für Prostituierte werde es die nicht geben, entgegnete Sozialbürgermeisterin Iris Mann. Doch über ein Konzept für Übergangswohnungen für alle, die in Not sind, werde man nachdenken, versprach sie.

    Weitere Informationen unter: www.ela-ulm.de

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