Das Thema hatte neuen Schub bekommen, nachdem der Energieversorger kürzlich angekündigt hatte, die alten Strommasten aus dem Jahr 1927 provisorisch zu verstärken. Die Stahlgerippe sind mit den Jahren marode geworden. Deshalb sollen als "Vorsichtsmaßnahme", so das Unternehmen, Metallschienen aufgeschraubt werden, um die Masten noch vor Einbruch des Winters wieder stabiler zu machen.
Die LEW begründen das mit der juristischen Auseinandersetzung um die geplante Westtrasse, auf der die Leitung um den Ort herum geführt werden soll. Dagegen hatten fünf Auer Bürger geklagt. Die LEW fürchten, der Rechtsstreit könnte sich noch einige Jahre hinziehen, weshalb es nötig sei, die angegriffenen Stahlträger zu stabilisieren.
"Das Unternehmen spielt auf Zeit"
Doch nicht jeder Auer glaubt, dass dies nur ein Provisorium sein soll. So sieht beispielsweise Sebastian Lautenfeld die Gefahr, dieses Provisorium werde wohl "für immer" bleiben, wie er in der Bürgerversammlung sagte. Er hat ohnehin das Gefühl, die Lechwerke spielten "auf Zeit".
Doch die dementieren entschieden. Weil das Unternehmen schon geahnt hatte, dass bei der Bürgerversammlung etliche Auer ganz schön auf Draht sein würden, hatten sich Manfred Lux, Geschäftsführer für das Leitungsnetz, und Werner Lingenfelser, Leiter der "Projekte Hochspannung", in die Höhle des Löwen begeben - und mussten immer wieder die Position der LEW verteidigen. Lux beteuerte, die Mastensanierung sei wirklich nur ein Provisorium. Schließlich sollten die Menschen, die unter der Leitung leben, nicht gefährdet werden: "Wir sprechen hier nicht von den nächsten 10 bis 20 Jahren." Dem Unternehmen könne es mit der Verlegung der Trasse nicht schnell genug gehen. Auf einen konkreten Zeitraum mochte sich Lingenfelser nicht festlegen: "Es geht um einzelne Jahre." Wenn die Klage gegen die Westtrasse nicht gewesen wäre, "dann hätten wir den Baubeginn vor Augen."
Nach Ansicht von Armin Oswald, dem Wortführer der Westtrassen-Gegner, wäre jetzt eine gute Gelegenheit für die LEW, die Leitung in den Boden zu verlegen. Das fordert die Bürgerinitiative "Die bessere Lösung für Au" schon lange. Dem hat sich auch die Stadt Illertissen angeschlossen. Oswald wirft dem Unternehmen vor, es spiele "ein böses und falsches Spiel". Er drohte damit, die Auer könnten sich einen anderen Stromversorger suchen, ohnehin seien die Lechwerke nicht gerade die günstigsten Anbieter.
"Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?"
Die Realisierung des Erdkabels sei sofort möglich, stattdessen würden die Bürger hingehalten. Nach einer Studie der Hochschule Augsburg kostet die Bodenlösung günstigstenfalls 1,39-mal mehr als die Freileitung. Das seien zumutbare Mehrkosten. Das Unternehmen solle über seinen Schatten springen: "Tun Sie es in Gottes Namen in Au und schaffen Sie damit den technologischen Quantensprung!" Rudi Sauer brachte das zu der Frage: "Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?"
Die Lechwerke könnten schon, beteuerte Lux, denn sie haben sehr wohl Erdkabel, doch auf dem Land werde der Strom oberirdisch geführt, so sei das gesamte Netz ausgelegt. Wenn nun Au mit einer 110-KV-Bodenleitung umgangen werde, hätte das "Folgewirkungen für das ganze Netz", denn jeder Ort habe das gleiche Interesse. Damit deutet er das an, was ihm Karl-Heinz Kerler auf den Kopf zusagte: "Sie wollen keinen Präzedenzfall schaffen. Das würde Sie ganz schön was kosten."
Kerler brachte noch ein Problem zur Sprache, das ihm auf der Seele brennt. Er lebe seit 58 Jahren unter den Masten und mache sich mittlerweile Sorgen um seine Gesundheit und auch die seiner Enkel. Er zitierte Studien, wonach die elektromagnetischen Felder, die von den Leitungen ausgehen, für eine höhere Rate von Alzheimer-Erkrankungen und Leukämie verantwortlich seien: "Ich habe Angst, was in zehn Jahren ist." Dem hielt Lingenfelser entgegen, dass es eben Studien für und gegen alles gebe. Er beruft sich auf die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte, die von seinem Unternehmen weit unterschritten würden. Außerdem werde das elektrische Feld durch Wohnhäuser weitgehend abgeschirmt.
Bürgermeisterin Marita Kaiser teilt nicht unbedingt die Sorgen wegen des Elektrosmogs, aber sie steht auf dem Standpunkt, die Lechwerke müssten die Sorgen der Bürger dennoch ernst nehmen. Sie fürchtet, dass der Streit nach hinten losgehen könnte, denn wenn die Westtrasse auf dem Klageweg endgültig zu Fall gebracht würde, könnte das heißen, es bleibt bei der "Bestandstrasse", also der Leitung quer durch Au.
Ohnehin hat das Thema den Zusammenhalt im Ort bröckeln lassen. Das machte ein Redner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, deutlich. Er sei hier aufgewachsen, habe den Zusammenhalt genossen. Doch durch das Verhalten der Lechwerke "wird die Dorfgemeinschaft auseinandergerissen."