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Rundgang: Zurück in die Vergangenheit von Jedesheim

Rundgang

Zurück in die Vergangenheit von Jedesheim

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    Valentin Mayer, Altbürgermeister von Jedesheim, führt an historische Plätze im Dorf, das 1978 nach Illertissen eingemeindet wurde.
    Valentin Mayer, Altbürgermeister von Jedesheim, führt an historische Plätze im Dorf, das 1978 nach Illertissen eingemeindet wurde. Foto: Regina Langhans

    Es war ein historischer Rundgang, wie ihn Heimatfreunde schätzen: Der 97-jährige Valentin Mayer, Altbürgermeister von Jedesheim (1966-1978) und mehrfacher Autor, führte zweieinhalb Stunden durchs Dorf und wusste zu erzählen, was kaum nachzulesen ist. Vor gut 20 Interessierten ließ er die Geschichte seines Dorfes aufleben, in Straßennamen, an Plätzen, Gebäuden und zugehörigen Jahreszahlen.

    Ungeachtet wichtiger Plätze wie der Pfarrkirche St. Meinrad, deren Vorgängerbau auf eine vorchristliche Kultstätte weist, oder das Pfarrhaus von 1787 als ältestes Gebäude, legte Mayer den Fokus auf die Verbindung zum Kloster Einsiedeln. Damit zusammenhängende Erbstreitigkeiten führten auch zur erster urkundlichen Erwähnung Jedesheims 1108. Das Dorf wurde einst von einem Klosteramtmann verwaltet, dessen Hof an der Ecke Hafnerweg/Brunnengasse stand. Die Figur des Zacharias aus der Vorgängerkirche am heutigen Haus mag an die alte Bedeutung erinnern.

    Dass Jedesheim auffallend breite Straßen hat, so Mayer, hänge mit den aufgefüllten Gräben zusammen, deren Wasser früher in die „Angerlach“, „Hafnerlach“ oder „Klausenlach“ flossen. Letztere diente wegen der Tiefe auch als Pferdetränke. Heute ist es der Marienplatz.

    Diverse Straßen und Hausnamen werfen Fragen auf, Mayer kann Antworten geben. Zum Beispiel erinnert „Äußere Etschländer“ bis heute daran, dass die Vorfahren der Bewohner aus Südtirol stammen. Von dort hatten die Vöhlin Siedler geholt, da Jedesheim nach Ende des 30-jährigen Krieges (1618-1648) auf rund 150 Personen geschrumpft war, verteilt auf 68, teils verfallene Häuser. Im Jahr 1330 sei der Ort mit 632 Einwohnern in 98 Häusern noch eine bedeutende Siedlung im Illertal gewesen. Der „Hafnerweg“ verweist auf eine, bis 1920 bestehende Töpferei. Ihr handbemaltes Tongeschirr wurde bis Memmingen verkauft. Zur Abzweigung „Marteröschle“ kennt Mayer die Geschichte vom „Schwedentrunk“. Im dortigen Gebüsch wurden Dorfbewohner gezwungen, Gülle zu trinken, bis sie Verstecke ihrer Habseligkeiten verrieten. Interessant sind auch Überlieferungen zum „Haus des Zieglers“ an der Bayernstraße, der alten Ziegelei, wo Steine fürs Illertisser Schloss gebrannt wurden. Unter freiem Himmel trafen sich dort einst die 80 Großbauern – eine Art Gemeinderatssitzung, so Mayer. Sodann war es der Ort für sogenannte Erbhuldigungen der Bewohner, wenn in Illertissen die Herrschaft wechselte.

    Die Straße „Am Anger“ erinnert an den Dorfanger, wo Gänse gehütet wurden. Die gemeindliche Gänsehirtin erhielt pro Tier einen halben Kreuzer. 1578 stand da nur das Hirten- und spätere Armenhaus. Deren Bewohner wurden abwechselnd von den 80 maßgeblichen Bauern verpflegt. Mayer weiß noch, wie seine Mutter den 1927 gestorbenen Küfer verpflegt hat. Um die Zahl der Bedürftigen gering zu halten, durfte nur heiraten, wer Vermögen oder gesicherten Verdienst angeben konnte. Mayer weiß von einem Schuster, der keine Heiratserlaubnis bekam, da es drei seiner Zunft gab. „Die Folge waren uneheliche Kinder, die teils die Hälfte der Geburten ausmachten.“ Die viel zitierte „gute alte Zeit“ sei oft alles andere als gut gewesen, sagt der Erzähler. Er muss es wissen, schließlich hat er fast 100 Jahre davon selbst erlebt.

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