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Obenhausen: Was die Kirche in Obenhausen mit Karl dem Großen zu tun hat

Obenhausen

Was die Kirche in Obenhausen mit Karl dem Großen zu tun hat

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    Die spätgotische Figur stellt den Heiligen Martin dar.
    Die spätgotische Figur stellt den Heiligen Martin dar. Foto: Ralph Manhalter

    Erhaben steht er da. Erhaben, aber dennoch gnädig. Der verstümmelte und zerlumpte Bettelmann zu seinen Füßen, um ein Almosen bittend, wird vom Heiligen mit ein paar Münzen bedacht. Es ist schönste Spätgotik, wahrscheinlich aus Ulmer Schule, in welcher die Martinsfigur geschnitzt wurde. Neben einem Kruzifix aus derselben Epoche, dem letzten Aufbäumen der christlichen Kunst vor der Reformation, gehört der Bischof von Tours zu den Schmuckstücken der Pfarrkirche in Obenhausen.

    Um den Kunstwerken in dem Gotteshaus gerecht zu werden, wurde erstmalig und in Eigenregie ein kleiner Kirchenführer aufgelegt. Auf acht Seiten gewinnt der interessierte Besucher einen Überblick über Geschichte und Ausstattung des Bauwerks. Zwar stammen wesentliche Teile der heutigen Kirche erst aus dem frühen 18. Jahrhundert, dennoch finden aufmerksame Betrachter weit ältere Spuren: Der Chor ist beispielsweise bauhistorisch zweigeteilt. Der östliche Bereich ist, wie auch das Schiff der Kirche, klassizistisch gestaltet, während hinter dem Chorbogen im Westen noch die alten, vom Vorgängerbau übernommenen Kreuzrippen der Gotik zu sehen sind. Auch der Turm stammt aus dieser Phase zwischen Mittelalter und früher Neuzeit.

    Erinnert die Gedenktafel an die Pest?

    Ein interessantes Detail, das kunsthistorisch ebenso in jene Epoche weist, findet sich in der nördlichen Vorhalle des Schiffs: Offenbar eine Familiengedenktafel, ein sogenannter Epitaph, deren genauere Betrachtung uns in eine dunkle Vergangenheit führt. Da viele der dargestellten Personen – Männer, Frauen und Kinder – mit Kreuzen versehen sind, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein Pestdenkmal handeln könnte. Leider weist der Stein außer den Vornamen keinerlei Inschrift auf, was eine Zuordnung erheblich erschwert. Einzig die beiden eingemeiselten Wappen könnten Aufschluss über die Stifter geben. Eine Vermutung ist, dass die Augsburger Patrizierfamilie Paumgartner, welche Obenhausen zwischen 1533 und 1568 als Lehen besaßen, die Tafel finanziert haben. Zudem scheint es wahrscheinlich, dass sich der Epitaph früher an einer anderen Stelle im Gotteshaus befand und erst während des Neubaus oder gar noch später an den jetzigen Platz versetzt wurde.

    Die Obenhauser Pfarrkirche versteckt sich hinter Bäumen.
    Die Obenhauser Pfarrkirche versteckt sich hinter Bäumen. Foto: Ralph Manhalter

    Noch älter als all diese Kunstwerke ist allerdings das Patrozinium selbst. Der Heilige Martin verweist auf jene ferne Epoche der sogenannten fränkischen Staatskolonisation und somit ins achte und neunte Jahrhundert. Das ist die Zeit Karls des Großen und dessen Nachfolgern. Die Franken hatten die Alemannen ihrem Reich einverleibt und forderten mit Nachdruck die Christianisierung. Dazu gehörte natürlich eine möglichst flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Kirchen. Dabei hatten die Herrscher neben der geistlichen Fürsorge natürlich auch die Manifestation ihres Machtanspruchs im Sinn.

    Das Deckengemälde in der Obenhauser Kirche zeigt die Martinslegende

    Martin hieß der Patron der fränkischen, zuerst der merowingischen, dann der karolingischen Könige. Dabei handelt es sich tatsächlich um den Martin, der uns allen durch die Geschichte der Mantelspende und der schnatternden Gänse bestens bekannt ist. In Obenhausen ist auf den Deckengemälden die gesamte Martinslegende eindrucksvoll dargestellt. Frühklassizistisch zurückhaltend erschaffen von Konrad Huber. Ein Bilderbuch aus Zeiten, als immer noch die wenigsten Menschen – zumal in ländlichen Gebieten – lesen und schreiben konnten. Bilder, die für diese Menschen eine eindeutige Botschaft enthielten, müssen zwischenzeitlich erläutert, dem heutigen Verstand erschlossen werden. So haben sich die Zeiten geändert. In Obenhausen bietet ab sofort ein Kirchenführer die Möglichkeit dazu. Er liegt in der Kirche kostenfrei aus.

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