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Memmingen/Unterallgäu: Sein Stalking hörte nicht auf: Mann steht erneut vor Gericht

Memmingen/Unterallgäu

Sein Stalking hörte nicht auf: Mann steht erneut vor Gericht

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    Ein Mann stellte seiner Ex jahrelang nach - auch nach einer Verurteilung.
    Ein Mann stellte seiner Ex jahrelang nach - auch nach einer Verurteilung. Foto: Ralf Lienert (Archivbild)

    Er war wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden. Nun wollte ein Mann für seine siebenmonatige Haftstrafe eine Aussetzung zur Bewährung erreichen – doch der Schuss kann nun gewaltig nach hinten losgehen: Bei der Berufungsverhandlung vor der Dritten Strafkammer des Landgerichts Memmingen deutete Vorsitzender Richter Jürgen Hasler an, dass es zu einer neuen Anklage und „anderer Verurteilung“ kommen könne. Was war geschehen?

    Der über 60 Jahre alte Angeklagte aus dem östlichen Landkreis Biberach war im Sommer 2020 vom Amtsgericht Memmingen zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Er hatte seiner ehemaligen Lebensgefährtin aus dem Raum Babenhausen rund zehn Jahre lang laufend nachgestellt - ungeachtet einer Kontaktsperre, eines Hausverbotes und einer einschlägigen Vorstrafe zu zehn Monaten Haft auf Bewährung. Verfolgung Tag und Nacht per Auto, und zwar mehrmals wöchentlich, Ablage von „Geschenken“ wie Blumen oder Schokolade am Haus der Ex oder Anhäufung von Unrat, Laub und Ästen auf dem Grab ihrer Eltern waren nicht nur bis wenige Tage vor dem Ersturteil des Amtsgerichts Memmingen an der Tagesordnung gewesen. Die Untaten gingen ohne Rücksicht auf den Ausgang des ersten Verfahrens weiter.

    Haus der Frau ist mittlerweile videoüberwacht

    Weil das Haus der Frau inzwischen mit vier Videokameras gesichert war, verlagerte der Angeklagte seine Aktivitäten offensichtlich auf den Friedhof in der Nachbargemeinde seines Wohnortes. Das dortige Grab der Eltern und eines Onkels der Frau wurde fast täglich mit teilweise leeren Grablichtern „umdekoriert“ und zwar laut deren Aufzeichnungen bis kurz vor dem Berufungstermin. Hinzu kamen Aktionen wie der Eintrag ins örtliche Telefonbuch am Wohnort des Angeklagten, wobei der Name der Frau wie selbstverständlich gemeinsam mit dessen Namen und Adresse aufgeführt war. Dabei hatte die Frau nie dort gewohnt, auch nicht während der Beziehung, die von 1994 bis 2011 gedauert hatte. Seither kommt das Opfer nicht zur Ruhe, was die Frau durch eine umfangreiche, mit Fotos untermauerte Aufzeichnung bis in die letzten Tage vor der Verhandlung dokumentiert hatte.

    Opfer dokumentierte die Vorfälle in einem Ringbuch

    Die beiden Verteidiger Silke Ackermann und Thomas Maurer wiesen einleitend darauf hin, dass der Angeklagte seit dem Ersturteil eine psychologische Beratung habe suchen wollen. Er habe allerdings keinen Termin im weiten Umkreis bekommen. Ein Psychotherapeut habe ihm ein Buch empfohlen und das habe der Mann auch gelesen. Viel scheint dies aber nicht gebracht zu haben, denn die Frau erläuterte detailliert, wie das Stalking weitergegangen sei. Als Richter Hasler schließlich den Angeklagten fragte, ob er eine Erklärung für die Vorgänge rund um das Elterngrab der Frau habe, antwortete dieser, er habe „nichts gemacht“. Die Frau benannte allerdings einen Zeugen, der sich in der württembergischen Gemeinde um das Grab kümmert und der den Mann auch erkannt habe.

    Das muss man zu Stalking wissen

    Seit wann ist Stalking strafbar?

    Stalking, zu Deutsch Nachstellung, ist seit 2007 ein Straftatbestand. In der ersten Fassung des Gesetzes war es schwer, die Voraussetzungen dafür zu erfüllen. Ein Opfer musste wegen des Verhaltens des Täters erst sein Leben erheblich ändern. Seit 2017 reicht es nun aus, dass das Verhalten des Täters "geeignet" ist, die Lebensgestaltung des Opfers zu beeinträchtigen.

    Was fällt unter Stalking?

    Einzelne Handlungen sind nicht strafbar. Es müssen mehrere Handlungen zusammenkommen, die wiederholt und zunehmend das Opfer beeinträchtigen. Das beginnt schon bei unerwünschten Anrufen und persönlichem Kontakt.

    Wie kann ich mich wehren?

    Zunächst muss dem Täter klargemacht werden, dass seine Annäherungsversuche unerwünscht sind. Macht er weiter, sollte Strafanzeige bei der Polizei erstattet werden. Außerdem kann bei Gericht ein Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt werden. Das beinhaltet meist ein Kontaktverbot. Auch darf sich der Täter dann nicht mehr in einem bestimmten Umkreis aufhalten.

    Wie kann ich das Stalking beweisen?

    Wichtig ist, jede einzelne Handlung genau zu dokumentieren, inklusive Ort und Uhrzeit. Anrufe oder Textnachrichten sollten gesichert werden. Auch die Polizei kann hinzugezogen werden, um womöglich den Täter auf frischer Tat zu ertappen und zu konfrontieren. Das gilt vor allem, wenn das Opfer verfolgt wird, etwa mit dem Auto.

    Wie wird Stalking bestraft?

    Nachstellung kann nach §238 des Strafgesetzbuchs mit bis zu drei Jahren Haft oder mit Geldstrafe bestraft werden. Verletzt der Täter das Opfer schwer oder tötet es gar, stehen Strafen von bis zu fünf bzw. zehn Jahren im Raum.

    Wo bekomme ich Hilfe?

    Neben der Polizei gibt es auch diverse Beratungsstellen, etwa den Weißen Ring. Auch Ärzte oder Psychologen können Anlaufstellen sein. Rechtliche Beratung gibt ein Rechtsanwalt.

    Daraufhin ließ der Richter zunächst das Ringbuch mit den Aufzeichnungen der Frau für alle Parteien kopieren. Dann erklärte er, dass es nun voraussichtlich nicht mehr nur um die bisher zur Anklage gebrachten acht Fälle von Hausfriedensbruch gehen werde, sondern dass die Staatsanwältin wohl eine neue „viel heftigere Anklage“ erheben werde. Das Gericht werde dann eine „umfangreiche Beweisaufnahme“ vornehmen, bei der eine „andere Verurteilung“ herauskommen könne. „Und dann bleibt es nicht bei den sieben Monaten“, fuhr Hasler fort. Von Bewährung, die das eigentliche Ziel der Berufung gewesen sei, könne wohl kaum noch die Rede sein. Denn „Bewährung setzt voraus, er hat’s begriffen und er macht’s nicht mehr!“. Außerdem wäre ein Ortstermin zur Besichtigung des Friedhofs möglich, um die Lage dort zu prüfen.

    Fortsetzungstermin am Landgericht Memmingen am 12. Mai

    Zur Fortsetzung der Verhandlung am 12. Mai werden nun weitere Zeugen geladen: Der Psychotherapeut, der dem Angeklagten das Buch zur „Unterbrechung des Gedankengangs“ empfohlen hatte, der Polizist, der die Ermittlungen von Anfang an geführt hatte, sowie der Zeuge, der das Grab beaufsichtigt hatte. Außerdem wird Gerichtspsychiater Dr. Andreas Küthmann ein Gutachten über den psychischen Zustand des Angeklagten vorlegen.

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