"In diesem Moment kam die ganze Wut zusammen. Sie hat nur gegrinst": Mit Sätzen wie diesen versucht ein 19 Jahre alter Mann vor Gericht zu erklären, warum eine Aussprache mit seiner Ex-Freundin zu einem Gewaltausbruch ausartete. In der Verhandlung wird klar: Es war nicht der erste Übergriff des jungen Mannes.
Es ist der Abend des 20. Septembers 2020. Ein 19-jähriger Mann aus dem südlichen Landkreis Neu-Ulm schlägt und tritt auf eine 18-jährige Bekannte ein, mit der er zuvor ein Treffen an einem abgeschiedenen Ort vereinbart hatte. Dann flüchtete er und ließ die junge Frau zurück. Dafür musste er sich nun vor dem Amtsgericht in Neu-Ulm verantworten.
Frau geht nach Faustschlägen zu Boden
Direkt zu Beginn der Verhandlung gesteht der Angeklagte die ihm von Staatsanwalt Pierre Weber zur Last gelegten Punkte. Der 19-Jährige führte mit dem Opfer eine Beziehung, die mehrmals endete und wieder von Neuem begann. In seinem Freundeskreis wurde über dieses Verhältnis immer häufiger spekuliert.
Seine Freunde hätten nur noch über dieses Thema gesprochen, so der Angeklagte. Fünf bis sechs Wochen vor der Tat endete die Beziehung der beiden. Danach bandelte die 18-Jährige offenbar mit einem Freund des Angeklagten an. Daraufhin stellte er sie an einem abgeschiedenen Ort zur Rede.
"In dem Moment kam die ganze Wut zusammen. Sie hat nur gegrinst. Das war eine Beleidigung für mich, so wie wenn mir jemand ins Gesicht schlagen würde", sagte der Angeklagte. Ohne Vorwarnung zog der junge Mann seine Ex-Freundin an den Haaren und schlug ihr mehrfach ins Gesicht. Dabei ging sie zu Boden. Der 19-Jährige trat dann mit seinem Fuß mehrfach gegen den Oberschenkel und die Hüfte des Opfers. Zudem spuckte er ihr in die Haare. "Ich lag am Boden und schrie um Hilfe, dann kam der nächste Faustschlag", sagte das Opfer vor Gericht.
Albträume und Panikattacken: Opfer leidet unter Folgen des Angriffs
Als der 19-Jährige von ihr abließ und in sein Auto stieg, versuchte sie, mit ihrem Handy Hilfe zu rufen. Daraufhin kam der Angeklagte zurück, nahm ihr Telefon und warf es weg. Außerdem trat und bespuckte er sie erneut. Dann ließ er sein Opfer zurück. "Es tut mir leid, das war zu viel. Ich hoffe du kannst mir verzeihen", sagte der 19-Jährige.
Zwei Radfahrer entdeckten die junge Frau, ihre Mutter brachte sie ins Krankenhaus. Von dem Angriff trug die 18-Jährige eine Schädel- und Nasenprellung sowie ein blaues Auge davon. Die junge Frau wirkte am Verhandlungstag aufgelöst. Weinend berichtete sie von Albträumen und Panikattacken. "Immer wenn ich ihn wo gesehen habe, hatte ich Angst."
Angeklagter ist mehrfach vorbestraft
Dabei war die Attacke auf seine Ex-Freundin nicht der erste Gewaltausbruch des jungen Mannes. Der Angeklagte wurde bereits vor drei Monaten vom Amtsgericht Neu-Ulm wegen Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu 80 Arbeitsstunden verurteilt. Eines der Opfer: seine 18-jährige Ex-Freundin. Ihr schlug er mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Einen Freund, der einschritt, würgte er. Zudem ist er wegen weiterer Körperverletzungsdelikte und des Besitzes von Betäubungsmitteln bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Die bei der Verhandlung anwesende Vertreterin der Jugendgerichtshilfe bestätigte, dass ein deutliches Aggressionspotenzial beim Angeklagten vorhanden sei. Momentan sei er auf der Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz, nachdem er an seinem alten Arbeitsplatz gekündigt wurde, da er seinen Führerschein abgeben musste. Eine neue Stelle habe er bereits in Aussicht.
Staatsanwalt fordert zwei Wochen Dauerarrest
Staatsanwalt Pierre Weber griff dies auf und betonte das enorme Aggressionspotenzial gegen das Opfer: "So ein Verhalten ist nicht zu dulden." Zudem lastete er ihm die hohe Rückfallgeschwindigkeit und sein strafrechtliches Vorleben an. Er forderte einen Dauerarrest von zwei Wochen und die Teilnahme an einem Antiaggressionstraining. "Jetzt ist Schluss mit den Arbeitsauflagen", beendete Weber sein Plädoyer. Alexander Kühne, der Anwalt des Opfers, die als Nebenklägerin auftrat, schloss sich der Forderung des Staatsanwaltes an.
Gewalt gegen Frauen in Bayern
In Bayern gibt es keine offizielle Statistik zur Zahl der Frauen, die von Frauenhäusern abgelehnt oder weitergeleitet werden. Die Freien Wähler starteten 2018 einen Antrag zur Erfassung dieser Fälle - die CSU blockte jedoch ab.
Eine Studie der Uni Erlangen-Nürnberg aus dem Jahr 2016, vom Institut für empirische Soziologie gibt Anhaltspunkte. Sie sollte den Bedarf an Frauenhausplätzen in Bayern errechnen. Das Ergebnis: Schätzungsweise die Hälfte aller Frauen, die um einen Platz im Frauenhaus bitten, werden abgewiesen oder weitergeleitet - wenn nicht mehr.
Laut dieser Studie geben Frauen, die von Gewalt betroffen sind und nach einem Platz im Frauenhaus suchen, nach ein bis drei vergeblichen Versuchen auf. So finden in Bayern "nach vorsichtiger Schätzung" jedes Jahr etwa 1500 bis 2000 betroffene Frauen keinen Schutz in Frauenhäusern.
Verteidiger Thomas Fischer bezeichnete das Geständnis seines Mandanten als hochqualitativ, zumal er den Tathergang ohne Verharmlosungen geschildert habe. "Er war brutal zu dem Mädchen, das ist klar." Zu beachten sei hier aber vor allem auch sein emotionaler Zustand, so der Verteidiger.
Der Vorsitzende Richter Bernhard Lang folgte mit seinem Urteil schließlich der Forderung der Staatsanwaltschaft und betonte, dass der 19-Jährige nur knapp um eine Jugendstrafe herumgekommen sei. "Wenn noch mal eine Straftat passiert, dann haben Sie ein heftiges Problem", so der Richter.
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