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Landkreis Neu-Ulm: Polizei registriert deutlich mehr Fälle von häuslicher Gewalt

Landkreis Neu-Ulm

Polizei registriert deutlich mehr Fälle von häuslicher Gewalt

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    Im vergangenen Jahr hat das Polizeipräsidium Kempten mehr Fälle von häuslicher Gewalt registriert. Mehr Betroffene haben Taten angezeigt.
    Im vergangenen Jahr hat das Polizeipräsidium Kempten mehr Fälle von häuslicher Gewalt registriert. Mehr Betroffene haben Taten angezeigt. Foto: Maurizio Gambarini, dpa (Symbolfoto)

    Die Corona-Pandemie mag das öffentliche Leben in den vergangenen Monaten gebremst haben - für die Polizei im Bereich des Präsidiums Schwaben Süd-West gab es nicht viel weniger zu tun. Die Zahl der Straftaten ist im vergangenen Jahr nach mehreren Jahren des Rückgangs wieder leicht gestiegen. Trotzdem ziehen Polizeipräsidentin Claudia Strößner und Leitender Kriminaldirektor Michael Haber auch für 2020 ein positives Resümee in Bezug auf die Kriminalitätslage.

    Claudia Strößner hat im November die Leitung des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West übernommen. Ihr Vorgänger im Amt war ihr Mann Werner Strößner, der in den Ruhestand ging.
    Claudia Strößner hat im November die Leitung des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West übernommen. Ihr Vorgänger im Amt war ihr Mann Werner Strößner, der in den Ruhestand ging. Foto: Ralf Lienert

    Im Jahr 2020 registrierte das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West 39.636 Straftaten mit einem leichten Anstieg von 2,2 Prozent. Mit den Vergleichszahlen des Jahres 2019 stellt dies den zweitniedrigsten Stand seit Gründung des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West im Jahr 2008 dar.

    Bereinigt um die Taten, die nur von Nichtdeutschen begangen werden können (beispielsweise Verstöße gegen das Aufenthalts- und Asylgesetz), konnten 36.268 Delikte und somit eine Zunahme um 2,0 Prozent festgestellt werden. Die Häufigkeitszahl (HZ) - also die Zahl der bekannt gewordenen Straftaten pro 100.000 Einwohner - erhöhte sich 2020 nach dem Allzeittief im Vorjahr um 1,6 Prozent, lag aber noch deutlich unter dem Durchschnitt in Bayern. Einen Spitzenwert erreichte das Präsidium mit der Aufklärungsquote von 74 Prozent. Noch nie wurden zwischen Donau und Allgäuer Alpen mehr Straftaten aufgeklärt.

    Häusliche Gewalt: Mehr Betroffene erstatten Anzeige

    Eine deutliche Zunahme registriert die Polizei beim Thema häusliche Gewalt. Die Anzahl der angezeigten Fälle stieg in den vergangenen zehn Jahren um über 50 Prozent auf aktuell 1576 Straftaten an. Die Ursache sieht die Polizei allerdings weniger in einer Steigerung der Delikte, sondern eher darin, dass mehr Fälle angezeigt werden. Das hohe Dunkelfeld bei Beziehungstaten helle sich auf, heißt es im Sicherheitsbericht. Das Angebot der polizeilichen Beratungsstellen nutzten zehn Prozent mehr Betroffene, die anschließend Anzeige erstatteten. Die Anzahl der Vergewaltigungen stieg ebenfalls wieder an. Nach wie vor bestand bei mehr als zwei Drittel aller Fälle mit dem Täter eine Beziehung.

    Dass in Zeiten der Corona-Pandemie Gewalt zu Hause deutlich zugenommen haben dürfte, ist von der Statistik für das vergangene Jahr vermutlich noch gar nicht erfasst. "Die Auswirkungen der Lockdowns auf die tatsächliche Gewalt in Familien werden erst mit einigem Abstand erkennbar sein", meint der Leitende Kriminaldirektor Michael Haber, "da diese Beziehungstaten häufig erst im Nachgang angezeigt werden". Wie ernst die Polizei das Thema nimmt, zeigt eine Aktion, die Polizeipräsidentin Claudia Strößner dazu im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft Kempten, der Leitenden Oberstaatsanwältin Petra Strohbach, und dem Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Memmingen, dem Leitenden Oberstaatsanwalt Christoph Ebert, unter dem Titel "Gemeinsam gegen häusliche Gewalt" gestartet hat.

    Kinderpornos auf dem Handy: Beschuldigte werden immer jünger

    Vor allem in den Landkreisen Neu-Ulm und Günzburg fanden im vergangenen Jahr immer wieder groß angelegte Durchsuchungsaktionen statt. Die Ermittler beschlagnahmten Computer und Mobiltelefone, die für die Verbreitung von Kinderpornografie genutzt wurden. Auch diese Aktionen schlagen sich in der Statistik des Polizeipräsidiums nieder: Nach einem starken Rückgang der Fallzahlen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Jahr 2019 kam es im Jahr 2020 zu einer Steigerung um 42 Prozent.

    Der Anstieg der registrierten Sexualdelikte um 263 Fälle könne beinahe vollständig auf die Zunahme von Verbreitung pornografischer Schriften, sexuellem Missbrauch und exhibitionistischen Handlungen zurückgeführt werden. "Das Tatmittel Internet nimmt in diesem Bereich deutlich zu - gleichzeitig sinkt das Alter der Beschuldigten", so Leitender Kriminaldirektor Haber. Seien im Jahr 2018 noch 2,6 Prozent der Beschuldigten Minderjährige gewesen, stieg der Anteil im vergangenen Jahr auf 36 Prozent. "Der unreflektierte Umgang mit dem Handy trägt dazu bei, dass sich solche Fälle häufen." Und mit jedem sichergestellten Handy bekomme die Polizei weitere Ermittlungsansätze.

    Prävention spiele dabei eine immer wichtigere Rolle, sagt Haber. Mit der Aktion "Dein Smartphone, Deine Entscheidung" wendet sich die Polizei derzeit an Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte. "Es geht uns darum, aufzuklären, was passiert, wenn strafbare Inhalte verbreitet werden." Betroffenen rät er dazu, sich von solchen Inhalten zu distanzieren, die Kommunikation abzubrechen und aus entsprechenden Chatgruppen sofort auszutreten. Polizeipräsidentin Strößner: "Außerdem wollen wir zur Anzeige ermutigen. Uns ist es wichtig, dass die Jugendlichen die strafrechtlichen Konsequenzen realisieren, wenn solche Inhalte verbreitet werden."

    Weniger Wohnungseinbrüche durch den Lockdown

    Der Lockdown hatte in einem Bereich sogar eine positive Wirkung: Bei der Einbruchskriminalität registriert das Polizeipräsidium Kempten einen Rückgang der Fallzahlen im Jahr 2020 von 2793 auf 2290 (-16,4 Prozent). Der Schaden blieb allerdings im Vergleich zum Vorjahr mit circa 3,8 Millionen Euro auf ähnlichem Niveau (-0,1 Millionen Euro). Deutlich zurückgegangen sind dabei die Wohnungseinbrüche von 273 auf 208 Fälle. Damit gingen die Fallzahlen seit einem Höchststand im Jahr 2016 zum vierten Mal in Folge um insgesamt 58,7 Prozent zurück, gleichzeitig stieg die Aufklärungsquote im Vergleich zu 2019 um 5,7 Prozent an. Ein Hauptgrund dafür: 2020 waren viele Menschen in der Region im Homeoffice oder in Kurzarbeit und damit vorwiegend zu Hause. Das hat potenzielle Täter abgeschreckt. Auch die pandemiebedingten Grenzkontrollen ab Mitte März dürften ein Hindernis für organisierte, reisende Tätergruppierungen dargestellt haben. "Damit bestand ein viel höheres Entdeckungsrisiko für die Einbrecher", so der Leitende Kriminaldirektor.

    Callcenterbetrug: Täter erbeuten 610.000 Euro

    Ein Deliktsbereich, der die Polizei nach wie vor sehr beschäftigt, ist der Callcenterbetrug. Das Polizeipräsidium spricht von tausenden Anrufen, mit denen organisierte Banden von überwiegend im Ausland eingerichteten Callcentern aus verschiedene Betrugsmaschen ausprobieren. Die Bilanz 2020 im Präsidiumsbereich: Mehr als 1700 registrierte Fälle, 47 erfolgreiche Taten und ein Beuteschaden in Höhe von insgesamt 610.000 Euro. Die Fallzahlen haben im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West im Jahr 2020 erstmals nicht mehr zugenommen, bewegen sich aber weiterhin auf einem hohen Niveau. Strößner: "Auch wenn die Maschen der Anrufbetrüger mittlerweile in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt sind, gelingt es den Betrügern immer wieder, durch geschickte Gesprächsführung vornehmlich ahnungslose Senioren um ihr Erspartes zu bringen. Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass überall über das Thema gesprochen wird." Sie appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, mit Verwandten, Bekannten und auch in der Nachbarschaft über die Anrufbetrüger zu reden und auf die Machenschaften der Betrüger aufmerksam zu machen.

    Die häufigste Betrugsmasche ist dabei nach wie vor der "falsche Polizeibeamte". 1354 Fälle sind im vergangenen Jahr zur Anzeige gebracht worden. Die Fallzahlen stiegen bei diesem Phänomen (2017: 243 Fälle) rasant an und erreichten im Jahr 2019 mit 1950 Fällen ihren bisherigen Höhepunkt. Der entstandene Beuteschaden stieg 2020 auf über 400.000 Euro an. In dem schadensträchtigsten Fall Anfang Mai 2020 gelang es angeblichen Fahndern aus München, einen damals 83-jährigen Mann um über 100.000 Euro zu betrügen. "Die Polizei selbst ruft niemals unter der Telefonnummer 110 an. Seien Sie in einem gesunden Maße misstrauisch und sensibilisieren Sie auch Ihr Umfeld“, mahnte die Polizeipräsidentin.

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