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Landkreis: Flüchtlinge: Der Mythos vom „Nutten-Bus“

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Flüchtlinge: Der Mythos vom „Nutten-Bus“

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    Angeblich sollen Prostituierte busweise zu Asylbewerberunterkünften gekarrt werden. Nichts daran ist wahr.
    Angeblich sollen Prostituierte busweise zu Asylbewerberunterkünften gekarrt werden. Nichts daran ist wahr. Foto: dpa

    Landkreis Es fährt ein Bus nach Kadeltshofen – an Bord mehrere weibliche Passagiere, die gegen Geld sexuelle Dienstleistungen anbieten wollen. Das Ziel: die Flüchtlingsunterkunft in dem Pfaffenhofer Ortsteil. Die dort lebenden Asylbewerber sollen die Dienste der Frauen in Anspruch annehmen – und zwar auf Staatskosten. Diese Mär verbreitete sich zuletzt an Stammtischen wie ein Lauffeuer, immer wieder war von einem angeblichen „Nutten-Bus“ zu hören.

    Mit Gerüchten wie diesen haben die Flüchtlingshelfer immer wieder zu kämpfen. Es sind einige Räubergeschichten im Umlauf, weiß Juristin Karen Beth, welche die Flüchtlingshilfe im Landkreis koordiniert. Etwa von gesponserten Handys oder hohen Taschengeldern. „Solche Geschichten machen es einem nicht unbedingt leichter.“ Denn daraus erwachsen Vorurteile. Hier ein Blick auf einige Märchen – und was wirklich dahintersteckt.

    Prostituierte: Die Nachfrage löst im Landratsamt Neu-Ulm schallendes Gelächter aus: „Oh mein Gott“, ruft Juristin Beth. „Wir haben sicher kein Budget für so etwas.“ Von einem Bus mit Prostituierten habe sie noch nie gehört. Möglicherweise hätten männliche Flüchtlinge ja „Bedürfnisse“ – wie manch einheimischer Mann eben auch. Sie alle müssten aus eigener Tasche für entsprechende Dienstleistungen bezahlen. Besuch dürften Asylbewerber empfangen, betont Beth. „Und wir schreiben ihnen nicht vor, wofür sie ihr Geld ausgeben.“ Mit Blick auf die Sozialleistungen – darunter 143Euro Taschengeld – müsse ein Flüchtling wohl stark haushalten, um käufliche Liebe zu finanzieren, vermutet Beth. In Kadeltshofen seien nicht nur alleinreisende Männer, sondern auch Familien untergebracht. Sie wisse nicht, wer da „so einen Bus“ hinschicken sollte, so Beth. „Das ist reine Spekulation.“

    Geld: Flüchtlinge würden hohe Summen vom Staat erhalten, heißt es immer wieder. Von wegen. Ein alleinstehender Erwachsener bekommt laut Asylbewerberleistungsgesetz monatlich 359 Euro. Die Summe setzt sich zusammen aus dem Taschengeld und Posten für Nahrungsmittel, Wohnen, Bekleidung und Gesundheitspflege. Der größte Teil wird bar im Landratsamt ausbezahlt, sagt Beth. Das Wohngeld ist eine Sachleistung in Form der möblierten Unterkunft. Weitere „Naturalien“ sind Geschirr-Set (für eine Person), Kochtopf, Pfanne, Bettwäsche und Handtücher – „die Sparausführung“, wie die Juristin betont.

    Hiesige Sozialleistungsempfänger bekämen „ein bisschen mehr“ Geld als Asylbewerber, weil sie keine Naturalien erhalten, erklärt Beth. Dazu würden die Mietkosten bezahlt. Natürlich gebe es auch „arme Deutsche“, sagt die Juristin. „Aber die brauchen keine Angst vor Fassbomben zu haben.“ Der Krieg in Syrien sei einer der Gründe für die großen Flüchtlingsströme – und eine Neiddebatte vor diesem Hintergrund wohl unangebracht.

    Handys: Ein schickes iPhone als Willkommensgeschenk, bezahlt aus der Staatskasse – auch das ist ein Mythos, sagt Beth. Mobiltelefone seien in anderen Ländern oft günstiger zu haben als hier. Und in manchen Gegenden, etwa in Afrika, gebe es schlichtweg kein Festnetz. Wer dort lebe, habe in der Regel ein Handy, das er bei seiner Flucht mitbringe. „Es ist die einzige Möglichkeit, Kontakt zu Freunden und Verwandten zu halten.“ Außerdem verwendeten viele Flüchtlinge die Navigationssoftware des Telefons für die gefährliche Reise. Die Polizei habe Handys auch schon stichprobenartig auf Diebstahl geprüft. Das Fazit: kein Befund.

    Kriminalität: Wo viele Menschen mit großen Ängsten auf kleinem Raum zusammenleben, könne es schon mal zu Reibereien kommen, weiß Beth. „Das wäre bei Einheimischen wohl auch so.“ Wie die Polizei dem Landratsamt immer wieder bestätige, sei die Kriminalitätsquote in Flüchtlingsunterkünften nicht höher als außerhalb. Falls es zu Delikten komme, dann aber „ganz überwiegend“ innerhalb der Herbergen.

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