Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie sind an einem Badesee. Am Ufer liegt Kleidung – und auf dem Wasser treibt eine offenbar herrenlose Luftmatratze. Ansonsten ist weit und breit kein Mensch zu sehen. Was tun Sie? Richtig, Sie wählen den Notruf. In der Annahme, dass jetzt eine Maschinerie anläuft, in der es auf Sekunden ankommt. So schnell es geht, rücken die – zumeist ehrenamtlichen – Helfer von Wasserwacht, Polizei, Rettungsdienst an, mit dem Ziel, zu retten, was noch zu retten ist.
Normalerweise ist das auch so. Spielt sich diese Situation allerdings am Sinninger See ab, sieht die Sache anders aus. Wie, das konnte man vor wenigen Tagen miterleben. Denn hier waren es nicht Sekunden, die für eine mögliche Rettung oder zumindest die Gewissheit über Leben oder Tod zählten. Es ging offenbar vielmehr um die Landes- und Landkreiszugehörigkeit der Einsatzkräfte.
Statt die wenige Kilometer entfernten Kräfte aus Bayern zu rufen, um einen vermeintlich untergegangenen Schwimmer zu suchen, zog man im Landkreis Biberach lieber die eigenen baden-württembergischen Suchtrupps hinzu. Auch, wenn die bis zu 60 Kilometer Anfahrt auf sich nehmen mussten. Wäre es hier wirklich um ein Menschenleben gegangen – es wäre nicht mehr zu retten gewesen.
Ulm und der Alb-Donau-Kreis scheinen keine Berührungsängste mit Neu-Ulm zu haben
Zum Glück scheint es diesmal falscher Alarm gewesen zu sein. Alarmierend ist der Einsatz am Sinninger See trotzdem. Eine logische, vernünftige Erklärung dafür, dass man in dem Nachbarlandkreis offenbar zwingend unter sich bleiben möchte, gibt es nicht. Zumal man im ebenfalls baden-württembergischen Alb-Donau-Kreis und in Ulm keinerlei Berührungsängste mit den bayerischen Nachbarn zu haben scheint. Im Gegenteil: Wie hier länderübergreifend zusammengearbeitet wird, wissen sogar die übergeordneten Ministerien beider Länder zu würdigen.
Den Menschen in der Region ist nur zu wünschen, dass der Vorfall vom Sinninger Badesee einer der letzten Warnrufe war, die man im Nachbarlandkreis Biberach braucht, um das lebensgefährliche Grenzdenken endgültig in der Versenkung verschwinden zu lassen. Wenn das nächste Mal ein Notruf aus dem bayerisch-baden-württembergischen Grenzgebiet kommt, sollten diejenigen helfen dürfen, die am schnellsten vor Ort sein können. Egal, in welchem Bundesland sie stationiert sind.
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