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Unterroth: Job, Kinder, Corona: Alleinerziehende stehen unter Druck

Unterroth

Job, Kinder, Corona: Alleinerziehende stehen unter Druck

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    Hatte Schwierigkeiten, eine Notbetreuung für ihre Söhne zu bekommen: Sarah Röcker aus Unterroth mit Elias, 7, und Samuel, 4.
    Hatte Schwierigkeiten, eine Notbetreuung für ihre Söhne zu bekommen: Sarah Röcker aus Unterroth mit Elias, 7, und Samuel, 4. Foto: Wolfgang Blaschek

    Sarah Röckers Leben ist in Corona-Zeiten ziemlich durchgetaktet. Jeden Tag sucht sie nach neuen Beschäftigungen für ihre zwei Jungs, macht mit ihnen Fahrradausflüge, bastelt. Sie kochen zusammen, spülen ab, räumen auf. Dazwischen: Job, Hausaufgaben, Haushalt. „Ich weiß manchmal nicht, wie ich das alles unter einen Hut bringen soll“, sagt die Mutter. Wie ihr ergeht es vielen im Landkreis.

    Während die Kinder die neue Situation oft nicht verstehen und ihr Unmut darüber wächst, haben die Eltern mit anderen Sorgen zu kämpfen. Vor allem Alleinerziehende stoßen bei der Betreuung an ihre Grenzen: Omas und Opas gehören zur Risikogruppe, Freunde dürfen nicht einspringen, Kindergärten und Schulen haben noch geschlossen.

    Eltern in systemrelevanten Berufen steht eine Notbetreuung zu

    Menschen in systemrelevanten Berufen steht eigentliche eine Notbetreuung für ihre Kinder zu – doch dass dieses System nicht immer funktionierte, zeigt das Beispiel von Sarah Röcker. Die alleinerziehende Mutter aus Unterroth arbeitet in Teilzeit in einem Drogeriemarkt in Illertissen. Drogerien blieben auch während des Corona-Lockdowns geöffnet. Dennoch scheiterte Röcker zunächst mit der Anfrage für eine Notbetreuung ihrer Söhne.

    Auf der Internetseite des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales lässt sich eine eindeutige Vorgabe für erwerbstätige Alleinerziehende finden. Demnach steht ihnen bei „dienstlicher oder betrieblicher Notwendigkeit“ eine Kinderbetreuung zu. Auf ihre Anfragen vor einigen Wochen beim Landratsamt Neu-Ulm oder bei der Bürger-Hotline des bayerischen Ministeriums erhielt Röcker keine klaren Angaben. Ihr sei wieder und wieder zugesagt worden, dass sie in der Tat eine systemrelevante Arbeit ausübe, doch genauere Antworten bekam sie nicht. Auch über eine mögliche Betreuung durch Privatpersonen während des Kontaktverbots habe ihr niemand eindeutige Aussagen machen können.

    Langsam stößt die alleinerziehende Mutter an ihre Grenzen

    Röcker befürchtete, sich strafbar zu machen, und betreute ihre Kinder alleine. Die Zeit überbrückte die 31-Jährige mit Urlaub und dem Aufbau von Minusstunden. Erst nach mehreren Wochen kam die dringend erforderliche schriftliche Bestätigung für die Notbetreuung.

    Doch auch damit sind nicht alle Probleme gelöst. „Langsam liegen bei mir die Nerven blank“, sagt Röcker. An drei Tagen geht ihr vierjähriger Sohn Samuel nun in den Kindergarten und Elias in die Grundschule. Der Siebenjährige leide besonders unter der Situation. „Er versteht nicht, warum sich das so hinzieht“, erklärt Röcker.

    Die Lehrer und Kinder in der Notgruppe in der Schule wechselten täglich. Manchmal habe Elias keine Motivation, aufzustehen oder seine Hausaufgaben zu erledigen. Die Brüder stritten sich immer öfters und ärgerten sich. „Die Kinder sind einfach nicht ausgelastet“, sagt Röcker. Das Unerträgliche an der Situation sei vor allem die Ungewissheit: „Wir haben kein Ziel vor Augen.“

    Dringend nötig für Alleinerziehende: Unterstützung durch den Staat

    Eine schnelle Unterstützung für Eltern und vor allem Alleinerziehende fordert auch Ulrich Hoffmann. Der Präsident des Familienbundes der Katholiken aus Weißenhorn ist als Familien- und Eheberater tätig. „Eine baldige Öffnung der Schulen und Kindergärten ist dringend nötig“, sagt Hoffmann. Die Familien hätten sich in den letzten Wochen äußerst diszipliniert gezeigt und Solidarität für die Gesellschaft bewiesen. „Aber jetzt läuft der Akku leer“, so Hoffmann.

    Nicht nur finanziell stießen jetzt viele an ihre Grenzen. Die neue Situation begünstige Konflikte, wie etwa bei getrennten Eltern um das Sorgerecht. Das ganze Klima sei gereizter, vor allem die Kinder litten darunter. Raten kann Hoffmann den Hilfesuchenden nicht viel. Es sei für Betroffene wichtig, nicht alles ausgleichen zu wollen, was den Kindern jetzt fehlt: „Eltern können Lehrer nicht ersetzen, ebenso wenig wie die Spielkameraden der Kinder.“

    Auch häusliche Gewalt ist eine der Gefahren während der Ausgangsbeschränkungen. Mehr darüber lesen Sie hier: Häusliche Gewalt: „Wir befürchten eine große Welle“

    Der Familienberater macht sich Sorgen um die, die sich nicht melden

    Bei all diesen Belastungen könne es schnell zu einer Überforderung kommen. „Ein Ausgleich ist wichtig“, erklärt Hoffmann. Beispielsweise durch Gespräche, Video-Anrufe, Spaziergänge. Vor allem für Betroffene, die bereits vor der Corona-Pandemie einen Hang zu depressiven Stimmungen hatten, sei die Situation gefährlich. Täglich erreichen Hoffmann viele Anrufe. Aber mehr Sorgen macht er sich um die, die sich nicht melden. Er vermutet, dass einigen Eltern bereits die Kraft dazu fehlt.

    Was es jetzt braucht, sei politischer Druck. In einer Presseerklärung forderte der Familienbund der Katholiken am Donnerstag von der Bundesregierung, die Familien zu unterstützen, durch eine baldige Öffnung der Schulen und Kitas. Denn von den bisherigen Lockerungen spürten Familien und Kinder kaum etwas. Hoffman sagt: „Es ist schön, dass die Spielplätze wieder offen haben. Aber das reicht für die Familien nicht.“

    Weiterführende Schulen dürfen im Landkreis bereits wieder öffnen. Das waren die Erfahrungen der Schüler während und nach der Schließung:

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