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Impfstoff Sputnik V: Baustopp bei R-Pharm in Illertissen: Was wird aus den Impfstoff-Plänen?

Impfstoff Sputnik V

Baustopp bei R-Pharm in Illertissen: Was wird aus den Impfstoff-Plänen?

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    Bei R-Pharm in Illertissen herrscht aktuell Baustopp.
    Bei R-Pharm in Illertissen herrscht aktuell Baustopp. Foto: Alexander Kaya

    Illertissen - kommt von hier die Rettung Deutschlands aus der Pandemie? Nimmt man sich die durchaus etwas humorvoll gemeinten Beiträge in den sozialen Netwerken zu Herzen, hat man fast den Eindruck, es wäre so. Doch jetzt das: Baustopp auf dem R-Pharm-Gelände, wo eigentlich - so sollte man meinen - so schnell wie möglich der Corona-Impfstoff Sputnik V produziert werden soll. Doch wie kommt es dazu? Was sind die Folgen für die geplante Vakzin-Herstellung? Und warum haben weder Behörden noch das Unternehmen selbst bislang ein Wort darüber verloren?

    Es war viel los die vergangenen Tage beim Pharma-Betrieb an der Iller: Erst der Besuch von Gesundheitsminister Klaus Holetschek am vergangenen Donnerstag. Unter dem Motto "In Bayern die Impfstoff-Produktion vorantreiben" nahm der CSU-Politiker den Konzern, der nach eigenen Angaben aktuell rund 30 Millionen Euro in den Standort investieren will, unter die Lupe. Wie bereits berichtet, machte das Ministerium aber auch auf Nachfrage unserer Redaktion keine Angaben dazu, welche behördlichen Hürden die geplante Produktionsstätte denn schon genommen hat und noch nehmen muss. Offen blieb auch, bis wann damit zu rechnen ist, dass die ersten Dosen über das Laufband gehen.

    EMA-Zulassung des Corona-Impfstoffs Sputnik V steht noch aus

    Am Mittwoch dann sorgte neben einem großen Gefahrguteinsatz, der glimpflich endete, noch eine Meldung aus Moskau für Furore: R-Pharm-Manager Alexander Bykow gab in Russlands Hauptstadt erstmals öffentlich bekannt, dass in der schwäbischen 16.000-Einwohner-Stadt von Juni oder Juli an der Corona-Impfstoff Sputnik V hergestellt werden soll. Vorausgesetzt, die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) lässt das Präparat zu. In 50 Ländern ist das schon der Fall. Nach anfänglicher Skepsis haben aber inzwischen Studien gezeigt, dass das Präparat eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent habe. Die europäische Prüfung läuft derzeit noch.

    Alexander Bykow, Manager beim russischen Pharma-Konzern R-Pharm, spricht am Rande einer Veranstaltung zur deutsch-russischen Zusammenarbeit auf dem Pharmamarkt.
    Alexander Bykow, Manager beim russischen Pharma-Konzern R-Pharm, spricht am Rande einer Veranstaltung zur deutsch-russischen Zusammenarbeit auf dem Pharmamarkt. Foto: Ulf Mauder / dpa

    Im Netz, wo Illertissen bislang eher unbekannt war, kursiert seitdem wieder ein legendäres Video von einem Spiel des FV Illertissen gegen Greuther Fürth II aus dem Jahr 2013, das in der Region wahrscheinlich fast jeder Fußballfreund kennt. Dort singt und trommelt ein einsamer Fan auf der Tribüne und schreit: "Illertissen spielt international." Im Netz wurde jetzt daraus eine humorvoll gemeinte Anspielung auf die hoffnungsvollen Erwartungen an den russischen Impfstoff - made in Illertissen.

    Doch diese Euphorie dürfte nun zumindest vorerst etwas verflogen sein: Das Landratsamt Neu-Ulm bestätigte am Donnerstag Recherchen unserer Redaktion, wonach aktuell auf dem R-Pharm-Gelände, wo bis vor Kurzem noch die Knospen einer schnellen Impfstoff-Produktion keimten, ein Baustopp gilt. Wie Behördensprecherin Kerstin Weidner auf Anfrage mitteilt, wurde dieser aber nicht von Amts wegen verhängt, sondern es handle sich dabei um einen "freiwilligen Baustopp" seitens der Firma, um eine "rechtskonforme Vorgehensweise sicherzustellen".

    Lief bei R-Pharm in Illertissen bislang nicht alles "rechtskonform"?

    Lief bislang also nicht alles "rechtskonform"? Offensichtlich. Nach Informationen unserer Redaktion soll R-Pharm Ende Dezember quasi einfach mal so mit der Errichtung der Anlagen begonnen haben, ohne zuvor entsprechende rechtlich notwendige Schritte in die Wege geleitet zu haben. Dabei gelten Genehmigungsverfahren zur Herstellung pharmazeutischer Produkte als aufwendig und kompliziert. Im Kern geht es um die Nutzungsänderung eines Gebäudes sowie das immissionsschutzrechtliche Verfahren, wie also die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen durch das Vorhaben geschützt ist. Ein Brandschutzkonzept soll offenbar noch immer nicht vorliegen.

    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) besuchte R-Pharm in Illertissen am vergangenen Donnerstag.
    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) besuchte R-Pharm in Illertissen am vergangenen Donnerstag. Foto: Ralf Lienert

    War das also der eigentliche Grund für Holetscheks Besuch am vergangenen Donnerstag? Vom Gesundheitsministerium war am Donnerstag in Sachen "Baustellenstopp" keine Stellungnahme zu bekommen. Es wurde lediglich an das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz verwiesen. Hier teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit: R-Pharm sei aufgezeigt worden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Genehmigungen zügig erteilt werden können. "Die Einhaltung gesetzlich vorgeschriebener Standards beim Betrieb einer solchen Anlage muss zur Sicherheit der Anwohner gewährleistet sein", so die Sprecherin. Hierfür könne auch Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich sein.

    Grundsätzlich aber sei es zu begrüßen, dass in Deutschland Impfstoff zur Pandemiebewältigung hergestellt wird. So sieht man da auch im Landratsamt Neu-Ulm: Man befinde sich derzeit zusammen mit der Regierung von Schwaben sowie den bayerischen Ministerien für Umwelt und Gesundheit "in enger Abstimmung" mit R-Pharm, damit eine Genehmigung schnellstmöglich rechtskonform erfolgen kann. Sobald die Anträge vorliegen würden, erfolge eine sofortige Bearbeitung.

    Wollen R-Pharm-Vertreter den Druck auf politische Entscheider ausnutzen?

    Ob und wann diese aber vorliegen, ist unklar. Dem Vernehmen nach wollen russische R-Pharm-Vertreter offenbar den aktuellen Druck auf politische Entscheider, nämlich schnellstmöglich Impfstoff bereitstellen zu müssen, zu ihren Gunsten ausnutzen. Eine Sprecherin von R-Pharm in Illertissen verwies am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion an den Mutter-Konzern in Moskau. Es sei zwar richtig, dass man mit den Behörden in Kontakt sei. Man baue aber nach wie vor am Standort, da es sich um ein Vorhaben handle, das unterschiedliche Gebäude betrifft. "Konkrete weitere Abstimmungen mit der Behörde erwarten wir in den nächsten Tagen", so die Sprecherin.

    Der Firmensitz von R-Pharm Germany In Illertissen ist durch einen Zaun geschützt.
    Der Firmensitz von R-Pharm Germany In Illertissen ist durch einen Zaun geschützt. Foto: Stefan Puchner, dpa

    Seit wann der Baustopp gilt, war am Donnerstag nicht in Erfahrung zu bringen. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) wusste nichts darüber. Auch Illertissens Bürgermeister Jürgen Eisen sagte im Gespräch mit unserer Redaktion, er habe es am Donnerstag zufällig über das Landratsamt erfahren und sei davon "überrascht". Die Stadt sei in derlei Vorgänge aber nicht eingebunden. Unklar ist derzeit auch noch, wie lange der Baustopp anhält. Das Genehmigungsverfahren beim Immissionsschutz kann bis zu sieben Monate dauern. Die Behörden aber deuten an, alles daran setzen zu wollen, dass es so schnell wie möglich vorangeht. Ob die am Mittwoch geäußerten Pläne des russischen R-Pharm-Managers, im Sommer mit der Impfstoff-Produktion starten zu wollen, aber eingehalten werden können, ist abzuwarten.

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