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Illertissen: Wo sind die Gebeine der Vöhlin hin?

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Wo sind die Gebeine der Vöhlin hin?

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    Vor gut 50 Jahren ist die Vöhlingruft unter der Illertisser Stadtpfarrkirche ausgeräumt worden, der Zugang zugemauert. Seitdem wird der Raum für die Heizung genutzt.
    Vor gut 50 Jahren ist die Vöhlingruft unter der Illertisser Stadtpfarrkirche ausgeräumt worden, der Zugang zugemauert. Seitdem wird der Raum für die Heizung genutzt. Foto: Ralph Manhalter

    Nahezu zweieinhalb Jahrhunderte prägte das Kaufmannsgeschlecht derer von Vöhlin die Illertisser Ortsgeschichte. Am 17. April 1520 verkaufte der vormalige Inhaber der Herrschaft, Schweickhard von Gundelfingen, seine Besitzungen an den aus Memmingen stammenden und zwischenzeitlich zum Grundbesitzer aufgestiegenen Erhard II. Vöhlin. Die Zeiten waren nicht günstig: Es braute sich unter den Bauern und Geknechteten etwas zusammen, was wenige Jahre später in einem furchtbaren Gemetzel seinen Höhepunkt und vorläufiges Ende finden sollte. Die Vöhlin standen während des Bauernkrieges natürlich auf der Seite der Obrigkeit.

    Welch ein Wunder, dass dennoch – angeblich aufgrund einer Fürsprache – die Aufständischen am Leben bleiben durften. Allerdings war harte Fronarbeit der Preis für die Erhebung der, laut der Kanz-Chronik „mainaydig aufrierigen“, Bauernschaft. Die steingewordene Machtdemonstration zeigte sich in Bauten wie dem Schloss und der Stadtpfarrkirche. Letztere sollte doch die Familiengrabstätte des Geschlechts beherbergen.

    Eine christliche Bestattung gab es nicht mehr

    Durch ein Gitter im nördlichen Kirchenschiff kann der heutige Besucher einen Blick in die kleine Kapelle werfen. Kunstvoll behauene Epitaphien zeugen von der einstigen Herrlichkeit der in den Adel erhobenen Kaufleute. Nun ja, mag sich der ein oder andere denken, die Grabstätten werden dann wohl darunter im Kellergewölbe zu finden sein. Das ist jedenfalls größtenteils üblich, war auch in Illertissen einst so. War? Besagter Raum, welcher einstmals die Gruft mit den Sarkophagen beinhaltet haben soll, gibt sich heute als Heizungs- und Lagerplatz mit funktionalem Zugang. Nichts deutet mehr darauf hin, dass in den wenigen Quadratmetern einst die Särge sehr dicht beieinandergestanden haben müssen.

    Leer, fast steril, ist der tonnengewölbte Raum, nichts Sakrales haftet ihm an, Andacht und Ehrfurcht kommen hier nicht auf. Die Recherche hierzu führt zurück ins Jahr 1969. Damals wurde für die Kirche eine leistungsfähige Heizung benötigt. In Ermangelung einer geeigneten Räumlichkeit für die technischen Anlagen wurde die Vöhlingruft kurzerhand „ausgeräumt“. Es leben nur noch sehr wenige Zeitzeugen aus jenen fernen Jahren. Was sich allerdings unter der Dienstzeit des einstmaligen Stadtpfarrers Strobl ereignet haben soll, würde jedem Denkmalschützer und Archäologen die Haare zu Berge stehen lassen.

    Die Vöhlin und Illertissen

    Die Handels- und Patrizierfamilie der Vöhlin kam in der ehemals freien Reichsstadt Memmingen zu Wohlstand. In Illertissen residierte die Frickenhauser Linie – benannt nach Erhard Vöhlin dem Älteren, der 1460 das gleichnamige Dorf erwarb.

    Im Jahr 1520 kaufte Erhard Vöhlin der Jüngere die reichsunmittelbare Herrschaft Illertissen – damit begann die 236 Jahre dauernde Ära der Vöhlin in der Stadt.

    Erst 1756 endete die Illertisser Herrschaft der Vöhlins im finanziellen Bankrott und dem Verkauf der Herrschaft an den bayerischen Kurfürsten Max Josef III.

    Seit 1803 ist das Schloss im Besitz des Freistaats Bayern.

    Nach übereinstimmenden Aussagen waren die Reste der Gebeine, „nur noch ein paar Knochen“ in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus der Gruft entfernt worden. Angeblich waren zuvor schon Grabräuber im Gewölbe, denn „viel hätte man nicht mehr gefunden“. Auch zahlreiche kirchliche Akten verschwanden in dieser Zeit: auf den Bürgersteig gestapelt und für die Müllabfuhr bereitgestellt. Archivpflege und Datenschutz waren offenbar Fremdwörter.

    Jetzt könnte man meinen, dass die Überreste der einstigen Ortsherren dann eben auf dem neuen Friedhof in geweihter Erde wieder beigesetzt worden wären. Offenbar war das aber zu aufwendig oder kostspielig, denn – auch hier stimmen die Ohrenzeugenberichte überein – fuhr man, vom Pfarrer Strobl beauftragt, die Gebeine in eine nahe aufgelassene Kiesgrube. Von einer christlichen Bestattung der Stifter der Illertisser Pfarrkirche konnte fortan keine Rede mehr sein. Die örtliche Kirchenverwaltung war über all diese Vorgänge nicht informiert, alles geschah heimlich unter Ausschluss der Gremien und erst recht der Öffentlichkeit.

    Das erinnert doch alles sehr an die Verwüstungen, die während der Französischen Revolution die Königsgräber von Saint Denis erfahren mussten. Nicht nur historisch, sondern auch in moraltheoretischer Hinsicht mag uns diese hanebüchene Unternehmung heute durchweg pietätlos erscheinen.

    In den Folgejahren erstarkte glücklicherweise allmählich der Gedanke, dass unsere Kulturgüter durchaus schützens- und erhaltenswert sind. In unserer heutigen Zeit dürfte ein Frevel dieser Art nicht mehr ohne Konsequenzen durchführbar sein.

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