Ausgerüstet mit Heugabeln, Strohhut und Gummistiefeln sind sie am Samstag zwischen Illertissen und Obenhausen wieder im Einsatz gewesen: Die Helfer des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) räumten die gemähten Streuwiesen im Obenhausener Ried ab. Auf Planen im Schlepptau kleiner Traktoren wurde der Schnitt eingesammelt und auf festerem Boden zu sogenannten Schlauen angehäuft. Von dort konnte es der Ladewagen einsammeln und abfahren. Landwirtschaft wie anno dazumal?
Moderner Umweltschutz mit alten Methoden
Nein, natürlich nicht. Vielmehr zukunftsweisende Feuchtwiesenpflege auf einem der letzten einst ausgeprägten Niedermoore des Iller- und Rothtals. Das Obenhausener Ried zählt zu den FFH-Schutzgebieten nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU. Franz Zeller, Vorsitzender der Kreisgruppe, sagt: „Wir hüten da ein kleines Juwel an seltenen Pflanzen, Schmetterlingen und Bachmuscheln in der Roth, die außerhalb vorbeiführt, aber dazuzählt.“
Die 30 Ehrenamtlichen freuen sich über das öffentliche Interesse an ihrer Arbeit. Schließlich hat nicht jeder ein derartiges Vorzeigeprojekt vor der Haustüre, das so beachtenswert wie arbeitsintensiv und auf regelmäßige Unterstützung angewiesen ist. Zu jenen, die mit Heugabeln in den feuchten Wiesen umherstapfen und das Schnittgut zunächst in kleinen langen Schlauen sammeln, gehören Sylvia Theimer und ihr Sohn Dominic aus Nersingen. Mit dabei dessen Freundin Anja Göser aus Göttingen bei Ulm, die erzählt, wie sie zu dem „Job“ im Obenhauser Ried kam: „Vor sieben Jahren, als ich zu Besuch war, hat uns Dominics Mutter geweckt mit der Ansage, ihr geht da jetzt mit.“ Seitdem kämen sie aus dem Landkreisnorden regelmäßig zum Helfen in den Süden. Für alle, denen das schwäbische „Schlauen“ nicht geläufig ist, gibt der Bellenberger und Zweite Vorsitzende Hubert Ilg auch gleich die hochdeutsche Version bekannt: Schwaden. Im Obenhausener Ried bleibt es aber bei „Schlaua“, die da aufgehäuft werden.
Das Umweltschutzgebiet Obenhausener Ried
Pressesprecher Benjamin Mayer aus Senden informiert, dass der LBV eine Fläche von 20 Hektar pflegt, wobei nach und nach 15 Hektar zusammengekauft wurden, der Rest sei gepachtet. Die Pflege, also das Mähen, sei den Gegebenheiten angepasst, mitunter genüge auch zweijähriges Eingreifen. Um die kleinen Tümpel werde herumgemäht, um mit dem Traktor nicht einzusinken, aber auch zum Schutz der Frösche und Kröten. Ebenfalls ausgespart werden Standorte mit dem Teufelsabbiss, erkennbar an den kugelförmigen Blütenständen, wo sich Raupennester des goldenen Scheckenfalters befinden. Schmetterlingsexperte Klaus Heinze aus Illertissen habe sie ausfindig gemacht und markiert, weiß Vorsitzender Zeller aus Bellenberg. Er bezeichnet das Obenhausener Ried als ein Eldorado für wilde Orchideen wie Knabenkräuter, für Sumpfstendelwurz, Mehlprimeln oder Sumpfläusekraut. Als weitere, im Landkreis einmalige ornithologische Besonderheit nennt er das Schwarzkehlchen. Der Zugvogel sei ein Bodenbrüter auf Freiflächen wie den Streuwiesen. Dieser Name weise im Übrigen auf die einstige Nutzung hin: Die Bauern mähten die für eine Bewirtschaftung zu feuchten Wiesen im Herbst, wenn alle andere Arbeit erledigt war, und verwendeten die Halme als Einstreu in ihren Ställen. In der modernen Landwirtschaft werde dieses Streu nicht mehr gebraucht, so Zeller. Dennoch finde es seine Verwendung: „Der Ladewagen häckselt das Mähgut beim Aufnehmen, sodass es die Landwirte als Gründüngung unterpflügen können.“
Warum Streuwiesen Streuwiesen heißen
Auf den gemähten Wiesen werden wieder die alten oder künstlich angelegten Tümpel mit ihren Bewohnern sichtbar – zur Freude der ganz jungen Helfer. David Braun aus Burlafingen findet eine kleine Erdkröte auf dem flachen Wasser und nimmt sie gleich in die Hand. Lisa Meunier aus Neu-Ulm entdeckt einen Frosch, der ihr immer wieder aus der Hand hüpft. Dass die Flächen heute unterschiedlich aussehen, hinge auch mit der einstigen Entwässerungspraxis zusammen, je nachdem, wie der Bauer die Wiese genutzt habe. Sogar Torf wurde gestochen, so Zeller. Vor gut 50 Jahren habe der LBV mit Ankäufen für ein zusammenhängendes Areal begonnen, das er von Verbuschung freihält, sodass inzwischen eine große Artenvielfalt zurückkehren konnte.
Um die Feuchtwiesen bewirtschaften zu können, bedarf es leichter Traktoren, wie sie früher verwendet wurden. Im Einsatz sind je ein Exemplar der Marken Fendt und Fahr mit breiter Bereifung sowie ein sogenannter Metrac, ein hangtauglicher, bodenschonender Alleskönner mit Messerbalken und Bandrechen. Wer immer schon mal Bulldog fahren wollte, könne sich jetzt austoben, versichert der Illertisser Gerhard Steinle: „Es macht mir richtig Spaß, schließlich sitze ich ja sonst nie auf einem Traktor.“
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