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Illertissen: So groß ist die Wohnungsnot in Illertissen

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So groß ist die Wohnungsnot in Illertissen

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    Auf dem ehemaligen Ruku-Gelände läuft der Wohnungsbau bereits.
    Auf dem ehemaligen Ruku-Gelände läuft der Wohnungsbau bereits. Foto: Kaya

    In der Vöhlinstadt gibt es momentan viel zu wenig Wohnraum – zu diesem Schluss kommt der Illertisser Hochbauamtsleiter Florian Schilling beim Blick auf die derzeitig üblichen Mietpreise. Die Nachfrage sei höher als das Angebot, weshalb Vermieter teilweise ordentlich zulangten. So hätten sich die Mieten in Illertissen zuletzt in einigen Fällen dem Niveau von wesentlich größeren Städten angenähert. Bis zu elf Euro und mehr pro Quadratmeter müssten Neumieter in der Vöhlinstadt ausgeben – falls sie überhaupt fündig werden. „Das ist schon grenzwertig.“ Umso wichtiger sei es, die angestoßenen Wohnbauprojekte der Stadt zügig umzusetzen. „Wir sind fleißig am Planen“, sagt Schilling. Aber bis die Häuser bezogen werden können, dauert es. Und zwar viel länger, als es den Planern lieb ist. Ein Beispiel: das neue Wohngebiet auf dem ehemaligen Baywa-Gelände. Nach drei Jahren ist der Bebauungsplan immer noch nicht fertig. Das habe mehrere Gründe, der wichtigste aus Schillings Sicht: zu viel Bürokratie.

    Stadt in der Stadt: So wollen Architekten das Baywa-Areal bebauen.
    Stadt in der Stadt: So wollen Architekten das Baywa-Areal bebauen. Foto: Kaya

    Zwar freuten sich Baufirmen weiter über volle Auftragsbücher, auch wegen der niedrigen Zinsen für private Bauherren. Das habe Wartezeiten zur Folge. Darüber hinaus erschwerten es aber vor allem die Gesetze, kurzfristig eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt herbeizuführen. Stichwort Baywa-Areal. Inzwischen ist es drei Jahre her, dass die Stadt einen Architektenwettbewerb dazu ausgerufen hatte. Viel zu lange, sagt Schilling: „Das geht in der momentanen Lage einfach nicht.“

    Man spricht von der "Stadt in der Stadt"

    Das Wohngebiet auf dem ehemaligen Baywa-Areal ist eines der größten neuen in Illertissen, ehrfürchtig wird von einer „Stadt in der Stadt“ gesprochen: Auf dem laut Bebauungsplan insgesamt 8,7 Hektar großen Gelände sollen mehrere Häuser mit Hunderten Wohnungen und Platz für bis zu 1000 Menschen entstehen. Freilich nicht „von heute auf morgen“, wie Schilling betont. Zumal die Stadt noch nicht alle Flächen gekauft hat. Die Wohnhäuser sollen von privaten Investoren gebaut werden. Beginnen könnte das im Süden des Geländes, wo auch ein Parkhaus vorgesehen ist. Von dort aus soll der Ausbau schrittweise in Richtung Norden weitergehen. Bis das Wohngebiet komplett ist, werden mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen, schätzt Schilling. „Das wird eine langfristige Geschichte.“ Zu berücksichtigen sei dabei, wie sich die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt insgesamt entwickelt. Im Süden könne in absehbarer Zeit begonnen werden.

    Momentan sind in Illertissen kaum Mietwohnungen zu haben.
    Momentan sind in Illertissen kaum Mietwohnungen zu haben. Foto: Kaya

    Wann die Bagger anrollen, ist jedoch noch unklar: Der Bebauungsplan hätte längst fertig sein sollen, sagt Schilling. Doch dann seien Zauneidechsen dazwischen gekommen. Wie berichtet, wurden auf dem Areal 24 Tiere entdeckt. Weil es sich laut Bundesnaturschutzgesetz um eine „streng geschützte“ Art handelt, musste die Stadt handeln: Das sogenannte vereinfachte Verfahren war nicht mehr zu halten. Eine Folge ist laut Schilling, dass der zugrunde liegende Flächennutzungsplan (er weist allen Gebiete in Illertissen einen Verwendungszweck zu) geändert werden muss. Nun „wartet“ der Bebauungsplan gewissermaßen, bis das erfolgt ist.

    Zauneidechsen verzögern das Projekt „Baywa-Areal“.
    Zauneidechsen verzögern das Projekt „Baywa-Areal“. Foto: Kaya

    Und die Eidechsen bekommen eine neue Heimat: Experten werden sie einfangen und in ein Waldrandgebiet bei Tiefenbach bringen. Die dortigen Flächen sind der Natur überlassen, als Ausgleich für Illertisser Baumaßnahmen. „Rücksicht auf die Eidechsen zu nehmen, ist gesetzlich vorgeschrieben und daran sollte man sich auch halten“, sagt Schilling. Aber das zeige auch, dass den Baubemühungen in Städten und Gemeinden viele Regeln und Richtlinien entgegenstehen. Um der Wohnungsnot schnell entgegenwirken zu können, müssten politisch die Weichen anders gestellt werden, überlegt Schilling. Aus seiner Sicht werde der Druck auf Volksvertreter steigen: „Die Menschen sehen es auf Dauer nicht ein, die Hälfte ihres Nettoeinkommens oder sogar noch mehr für Mieten auszugeben.“ Im Zweifelsfall seien ihnen Eidechsen dann egal.

    Im Boden schlummern Schadstoffe

    Aber auch Altlasten sind auf dem ehemaligen Baywa-Gelände ein Thema: Von den ehemals in dem Gebiet aktiven Firmen seien Schadstoffe ins Erdreich eingedrungen, sagt Schilling. Ein Gutachter hat etwa Chrom, Arsen, Quecksilber und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) nachgewiesen. Letztere gelten laut Umweltbundesamt als problematisch: Sie sind giftig, schwer abbaubar und reichern sich in Organismen an. „Einfach eine Wohnbebauung darauf setzen, das geht nicht“, sagt Schilling. Die späteren Bauherren müssen die betroffenen Bereiche des Geländes daher in Absprache mit einem Geologen sanieren. Sie erhalten die Gebiete von der Stadt zu einem entsprechenden Preis.

    Baywa-Areal: Hier sollen Wohnhäuser entstehen – das dauert.
    Baywa-Areal: Hier sollen Wohnhäuser entstehen – das dauert. Foto: Kaya

    Auch Bürgermeister Jürgen Eisen sieht die Mietsituation in Illertissen als „großes Problem“. Gerade für die jüngeren Bürger: „Sie ziehen weg, weil wir momentan keine Wohnungen haben.“ Verschärft werde die Lage durch die Attraktivität der Stadt – und den vielen Zuzügen. „Wir haben gute Firmen, Einzelhändler, Freizeitangebote und eine gute Lage, die Leute wollen her“, sagt Eisen. Von einer Mietpreisbremse, wie sie etwa in Neu-Ulm und Senden gilt, hält er nichts. Die trage dazu bei, dass weniger neue Wohnungen gebaut werden. Seine Hoffnung sei es, dass große Wohnbauprojekte wie Ruku-Areal und Baywa-Gelände in Illertissen die Nachfrage abmildern. Die Zeiten, in denen jeder in der Innenstadt ein Einfamilienhaus bauen konnte, seien vorbei. Schon mangels Platz. Im Zentrum müssten daher Wohnungen entstehen. Auch Eisen übt Kritik an den derzeit geltenden Vorschriften: „Es ist leichter, ein Wohngebiet auf der grünen Wiese zu machen, als in der Innenstadt. Das ist nicht richtig.“

    Wie es nun weitergeht

    Ende 2019 soll der Bebauungsplan zum Baywa-Areal fertig sein. Danach geht es um Finanzierung, genaue Pläne und Ausschreibungen. Auch das dauert: Einen Baustart im Jahr 2020 hält Schilling nicht für wahrscheinlich.

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