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Illertissen / Neu-Ulm: Rätsel um einen Kieferbruch: Wenn Erinnerungslücken den Richter nerven

Illertissen / Neu-Ulm

Rätsel um einen Kieferbruch: Wenn Erinnerungslücken den Richter nerven

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    Ein klärendes Gespräch zwischen dem Lebensgefährten einer Frau und deren Familienmitgliedern ist in Illertissen wohl in einen Streit ausgeartet. Das Fazit: Kieferbruch. Doch vor Gericht sah das alles nicht mehr so eindeutig aus.
    Ein klärendes Gespräch zwischen dem Lebensgefährten einer Frau und deren Familienmitgliedern ist in Illertissen wohl in einen Streit ausgeartet. Das Fazit: Kieferbruch. Doch vor Gericht sah das alles nicht mehr so eindeutig aus.

    Illertissen Mit einem sogenannten erstklassigen Freispruch – einem „aus tatsächlichen Gründen“ – ist eine verworrene Geschichte aus

    Angeklagt war eine 39-jährige Frau aus dem südlichen Landkreis wegen uneidlicher Falschaussage. Es war das dritte Mal, dass der Vorfall aus dem Jahr 2017 die Gerichte beschäftigte. Zugrunde lag dem Ganzen ein Familienstreit, bei dem der nun Angeklagten zunächst von ihrem damaligen Lebensgefährten – mit dem sie heute jedoch wieder verlobt ist – angeblich Rippenbrüche zugefügt worden waren. Das führte wohl zu weiteren Straftaten. Denn das mutmaßliche Opfer hatte damals bei seiner Mutter im Oberallgäu angerufen, die daraufhin den Bruder der Frau sowie dessen Freund aussandte – um mit dem Lebensgefährten „zu reden“. Das passierte auch. Doch das Gespräch endete mit einem Kieferbruch für den Freund des Bruders. Der hatte diesen eigentlich nur nach Illertissen gefahren, weil der Bruder keinen Führerschein hatte.

    Wer hat die Tat beobachtet?

    Die Streitfrage war nun, ob die Angeklagte gesehen hatte, wie der Mann von ihrem Lebensgefährten geschlagen worden war. Beim ersten Verfahren gegen ihren Lebensgefährten hatte sie dies verneint, ebenso bei der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Memmingen. Dort war das Verfahren gegen ihren Verlobten denn auch eingestellt worden. Aber die Staatsanwältin klagte nun die Frau wegen uneidlicher Falschaussage an. Sie habe nämlich sehr wohl gesehen, wie ihr Lebensgefährte den anderen Mann geschlagen habe und habe dies dann auch ihrem Wohnungsnachbarn so erzählt. So lautete der Vorwurf gegen sie nicht nur auf

    So bestätigte es die damalige Staatsanwältin nun als Zeugin. Allerdings war aus allen weiteren Zeugenaussagen nichts mehr zu erfahren: Der Mann, der den Verlobten geschlagen haben sollte, gab an, den anderen, dem er den Kieferbruch zugefügt haben solle, beim Wegfahren erstmals gesehen zu haben. Und außerdem laufe gegen ihn ein Verfahren in dieser Sache, sodass er nichts weiter dazu sagen könne. Der Lebensgefährte durfte aufgrund seiner Verlobung mit der Angeklagten die Aussage verweigern, was er auch tat. Und der Wohnungsnachbar, dem die Angeklagte die Sache erzählt haben solle, berief sich auf eine Reihe von Krankheiten, unter anderem fortschreitende Demenz, sodass er nicht mehr bereit sei, nun schon wieder eine Aussage zu machen. Er habe schon alles zwei Monate nach dem Vorfall im Jahr 2017 bei der Polizei gesagt und danach bei jeder Verhandlung angegeben, dass er sich sonst an nichts mehr erinnern könne.

    Zeuge liefert sich Wortgefecht mit dem Richter

    Jetzt lieferte er dem Vorsitzenden Richter Thomas Mayer ein erregtes Wortgefecht, in dem ihm dieser sogar Ordnungshaft androhte, sollte der Mann die Aussage komplett verweigern. Der berief sich jedoch auf seine Vergesslichkeit. Somit war „die Anklage nicht mehr nachzuvollziehen“ und der Sachverhalt habe sich nicht bestätigt, wie die Anklagevertreterin in ihrem Plädoyer ausführte. Sie beantragte deshalb einen Freispruch. Verteidiger Johannes Niebler, der von Anfang an dieselbe Meinung vertreten hatte, schloss sich an.

    Die Aussage bei der Polizei erst zwei Monate nach der möglichen Tat sowie die Tatsache, dass sich die Angeklagte und der Wohnungsnachbar täglich treffen, ließen laut Mayer die Möglichkeit offen, dass der Nachbar erst später von der Tat erfahren haben und sich deshalb auch nicht mehr richtig erinnern könnte. Mit dem Satz „die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse“ endete das Ganze.

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