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Illertissen: Männergesangsverein Illertissen: 160 Jahre alt und kein bisschen leise

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Männergesangsverein Illertissen: 160 Jahre alt und kein bisschen leise

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    In der Aula der Berufsschule lassen sich die Abstandsregeln auch bei größeren Chören gut einhalten – ein Glücksfall für den Männergesangverein, in dem seit 2014 auch Frauen Mitglied sein dürfen.
    In der Aula der Berufsschule lassen sich die Abstandsregeln auch bei größeren Chören gut einhalten – ein Glücksfall für den Männergesangverein, in dem seit 2014 auch Frauen Mitglied sein dürfen. Foto: Martina Ludwig

    Wenn ein Illertisser Verein 160 Jahre alt ist und die meiste Zeit davon reine Männerdomäne blieb, liegt man nicht falsch in der Annahme, dass es sich um den Männergesangverein handelt. Und um ein Stück Gesellschaftsgeschichte dazu. Denn der zweitälteste Verein – die anno 1682 erstmals erwähnten königlich-privilegierten Feuerschützen sind nicht zu toppen – hätte wohl ohne die Öffnung für Frauen und Jugendliche schlechte Zukunftsaussichten. So sieht es nicht nur Martina Ludwig, die seit Jahresbeginn dem MGV vorsteht.

    Die Feier wird wegen Corona um ein Jahr verschoben

    Derzeit hat sie aber andere Sorgen: „Wir wollten zur Feier unseres 160-jährigen Bestehens im Oktober die Friedensmesse „The Armed Man“ von Karl Jenkins aufführen, wegen Corona ist sie nun abgesagt.“ Verschoben um ein Jahr. Der Termin am 31. Oktober 2021 steht schon. Geplant haben die Sänger ein monumentales Chorkonzert mit rund 175 Mitwirkenden, darunter 50 Orchestermusikern. Weil es aber gar nicht angehe, den 160. Geburtstag sang- und klanglos verstreichen zu lassen, soll wenigstens darüber zu lesen sein, beschloss Martina Ludwig. Und vereinbarte einen Pressetermin mit unserer Zeitung. Mit dabei ihr Stellvertreter Martin Link sowie Hubert Nägele, seit 1974 Mitglied und gewissermaßen die lebende Chronik des Männergesangsvereins.

    Mit Martina Ludwig steht erstmals eine Frau an der Spitze des einstigen Männervereins. Weibliche Mitglieder werden erst seit 2014 aufgenommen. Damals stieß auch Ludwig dazu, als der MGV um Interessenten warb für die Gründung eines gemischten Chores. Sie erinnert sich: „70 Singbegeisterte waren ins Probenlokal, das Schlossbräuhaus, gekommen, und die Männer total überrascht. Sie hatten viel zu wenig Notenblätter vorbereitet.“ „Choriosum“ stellt mit 55 Frauen und 14 Männern das größte Ensemble im MGV dar. Im Männerchor sind es derzeit 28 Sänger und der 2019 initiierte Jugendchor „Terzinfarkt“ mit Teilnehmern bis zu 28 Jahren zählt zehn junge Damen. Beide könnten noch Verstärkung vertragen, vor allem die Männer.

    Die ersten Vereinsmitglieder: Die Bilder stammen von 1862.
    Die ersten Vereinsmitglieder: Die Bilder stammen von 1862.

    Der Vorsitzende freut sich auf die Zukunft mit dem Männergesangsverein

    Doch die singbegeisterte Vorsitzende freut sich auf eine spannende Zukunft mit dem Verein: „Unsere Mitglieder sind 16 bis 87 Jahre alt und somit ein guter Querschnitt durch die Generationen.“ Sie singe von Kindheit an gerne und habe mit dem MGV tolle Chorkonzerte erlebt. „Es ist ein überwältigendes Gefühl, bei den stimmgewaltigen Auftritten mittendrin zu sein.“ Und die Kunst des Wiederzusammenfindens, falls doch mal aus dem Takt geraten, gebe später Anlass zum Schmunzeln und gemeinsamem Aufatmen. Zweifellos hätten die Frauen dem Verein das Weiterbestehen erleichtert, finden auch Martin Link und Hubert Nägele.

    Link weiß, dass die Diskussion, ob sich der Männerchor Frauen öffnen solle, schon länger geführt wurde. Die Zahlen sprechen für sich: „2010 zählte der Männerchor 59 und jetzt, zehn Jahre später, 28 Sänger.“ Damit liegt die Anzahl nicht mehr weit weg von den Anfangszeiten, als sich vor 160 Jahren 16 Männer, eingerechnet ihr Dirigent und gleichzeitiger Vorstand Anselm Mayrock, zum „Gesangverein Illertissen“ zusammenschlossen. Noch im gleichen Jahr traten acht weitere Männer bei, Handwerksmeister, Akademiker oder Beamte, denen die Kulturpflege am Herzen lag. Die Aufnahmegebühr betrug 24 Kreuzer. Der Monatsbeitrag machte zwölf Kreuzer, welche der Vereinsbote einsammelte. Ihr Vereinslokal war der Gasthof Adler und beim Einüben der Lieder begleitete Mayrock auf der Geige. Gesungen wurde von handgeschriebenen Liedblättern. Es spielten auch gesellschaftliche Aufgaben eine Rolle, indem in Berichten von der „ersten Vereinsveranstaltung mit Gesangsproduktionen und Tanz im Adler“ am 6. Februar 1861 zu lesen ist.

    Diese Aufnahme in der Vereinschronik stammt von 1899. Sie wurde anlässlich der Weihe der zweiten Fahne des MGV aufgenommen.
    Diese Aufnahme in der Vereinschronik stammt von 1899. Sie wurde anlässlich der Weihe der zweiten Fahne des MGV aufgenommen. Foto: Martina Ludwig

    Die Proben finden seit 2019 in der Aula der Berufsschule Illertissen statt

    Hubert Nägele hält die Vereinsgeschichte fest: Es ist eine Chronologie an musikalischen Glanzlichtern, gesellschaftlichen Höhepunkten, aber auch politischen Wendungen, welche dem voranstrebenden Verein in die Quere kamen. Nach Kriegsende 1945 erlebte der MGV wieder klangvolle Zeiten, wobei er vom langjährigen Wirken seiner Dirigenten profitierte, etwa Heiner Jaumann, Otto Mittelbach oder Fritz Unglert, dessen Ära 33 Jahre währte. Seit der Stabübergabe an Joachim Hayd 2008 profitiert der MGV erneut von Kontinuität. Mit ihm feierte er sein 150-jähriges Jubiläum und nimmt jetzt – nach der Corona-Auszeit – wieder in allen drei Ensembles die Probenarbeit für das verschobene 160-Jahrfeier-Konzert auf. Geprobt wird seit 2019 in der Aula der Berufsschule Illertissen, wo für das Einstudieren gemeinsamer Stücke der drei Ensembles Platz ist. Die Halle erweist sich nun als Glücksfall, in der sich die zum Infektionsschutz vorgeschriebenen Abstandsregeln einhalten lassen. Lange Jahre diente der Gasthof „Zum Hirsch“ als Sängerlokal, ab 1964 war es der Schlossbräusaal.

    Martina Ludwig hofft, wenn nach der unfreiwilligen Singpause zu Schulbeginn die Proben wieder aufgenommen werden können, dass nicht allzu viele Sänger abspringen. Einige würden aus Leidenschaft singen, andere im Sinne von angenehmer Abwechslung, was sich leicht anderweitig ersetzen lasse, so ihre Beobachtung. Umso mehr freute sie da manch ungeduldige Frage: „Wann lässt du uns wieder singen?

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