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Illertissen: "Grande Dame des Seniorenheims": Hermine Tietz wird 100

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"Grande Dame des Seniorenheims": Hermine Tietz wird 100

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    Hermine Tietz feiert in Illertissen ihren 100. Geburtstag. Im Gespräch ist ihr das hohe Alter kaum anzumerken.
    Hermine Tietz feiert in Illertissen ihren 100. Geburtstag. Im Gespräch ist ihr das hohe Alter kaum anzumerken. Foto: Regina Langhans

    Hermine Tietz, geistig fit und gewissermaßen die Grande Dame im Seniorenheim der Caritas in IllertissenIllertissen, feiert am 2. August 2021 ihren 100. Geburtstag. Wenn sie zu erzählen beginnt, vergisst nicht nur der Zuhörer, sondern auch sie selbst gerne ihr hohes Alter. Ohne das wiederum ihre reiche Erinnerung gar nicht möglich wäre. Als Vertriebene aus dem Sudetenland, Lazarett- oder Krankenschwester und weltreisende Rentnerin ist ihr kaum ein Thema fremd.

    Als im Fernsehen kürzlich die Bilder vom festgefahrenen Containerschiff im Suezkanal zu sehen waren, wurden bei ihr sofort die alten Erinnerungen wach: „Da bin ich auf der Anhöhe gestanden und habe auf die Schiffe geschaut, wie sie sich ganz langsam durch die enge Trasse bewegten“, sagt sie. Auch die Illertisser Zeitung bezieht sie noch täglich, obwohl sie sich inzwischen lieber daraus vorlesen lässt, weil die Augen nicht mehr gut mitmachen.

    Rennertshofen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ihre neue Heimat

    Hermine Tietz wurde am 2. August 1921 in Hannsdorf in Nordmähren geboren, hatte eine Schwester, Steffi, und einen Bruder, Richard, der nach dem Zweiten Weltkrieg für tot erklärt wurde. Anders als die meisten Sudetendeutschen musste sie ihre Heimat zunächst nicht verlassen, da sie als Rotkreuz-Helferin Erfahrungen im Lazarett gesammelt hatte. Zusammen mit ihrer Mutter kam sie in ein Kinderlager. Als dieses 1949 aufgelöst wurde, brachte man sie beide zu einer Bauernfamilie, um dort zu arbeiten. Aber noch im gleichen Jahr ereilte auch sie die Vertreibung. Ihre neue Heimat sollte Rennertshofen werden, wohin es Schwester Steffi mit ihren Kindern Franz und Adalbert bereits 1946 verschlagen hatte.

    Die Seniorin erinnert sich: „Wir kamen abends am Bahnhof in Illertissen an und erfuhren, dass wir nicht mehr nach Rennertshofen weiter könnten.“ Also übernachteten sie im Bahnhofshotel und machten sich am nächsten Tag zu Fuß auf den Weg dorthin, wo ihre Angehörigen im Schulhaus untergebracht waren. Dank ihrer Kenntnisse fand Tietz schnell Arbeit im Krankenzimmer von Kolleg und Internat bei den Schulbrüdern und ab 1950 im Illertisser Krankenhaus.

    Eine besondere Auszeichnung war es, als sie der damalige Chefarzt Dr. Matt nach Köln empfahl, wo sie ohne reguläre Ausbildung 1963 das Staatsexamen zur Krankenschwester machen konnte. Im Krankenhaus in Illertissen wurde sie als die kompetente Springerin überall eingesetzt und auf ihre Frage, ob sie nicht einer Station fest zugewiesen werden könnte, hieß es: „Eigentlich müssen Sie stolz sein, weil man sie überall brauchen kann.“ Gleichwohl wusste sich Hermine Tietz auch durchzusetzen, als sie etwa anfangs mit dem Gehalt einer Reinigungskraft abgespeist werden sollte. Mit der Gehaltserhöhung konnte sie bald ihr Rotkreuz-Gewand gegen eine angemessene Schwesternkleidung eintauschen. Illertissen war nun ihr Wohnort geworden und an den freien Tagen machte sie sich zu Fuß auf nach Rennertshofen, um ihre Familie zu besuchen.

    Im Ruhestand entdeckt sie das Reisen für sich

    Als die Krankenschwester 1981 in den wohlverdienten Ruhestand ging, entdeckte sie das Reisen mit „Rotel-Tours“ für sich. Zu ihren entfernteren Zielen zählten Island, Norwegen, Finnland, Russland, Kanada, Mexiko, Marokko, die Türkei und Syrien, wobei sie bei Letzterem nicht verstehen kann, wie sich ein so schönes Land selbst zugrunde richtet. Aber auch ehrenamtlich war sie im Einsatz, arbeitete in Bücherei und Heimatmuseum mit.

    Seit 2008 wohnt Hermine Tietz im Seniorenheim, erst im eigenen Appartement und nun in einem wohnlich eingerichteten Zimmer, wo sie immer noch Besuche empfängt, aber auch die nötige Pflege erfährt. Im hohen Alter hat sie inzwischen doch die eine oder andere Beeinträchtigung zu beklagen, aber sie betont: „Das Gehirn funktioniert noch.“ Und sie sei nach wie vor gerade heraus mit der Sprache, wenn es etwas anzumerken gebe. Zum Geburtstag möchte sie keine Geschenke. Wer sie trotzdem mit etwas erfreuen wolle, könne dies mit einer Spende an die Flutopfer im Westen Deutschlands tun, sagt sie.

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