Es war eine bescheidene, dem Corona-Jahr angemessene letzte Sitzung des Illertisser Stadtrats für 2020. In kleiner Besetzung – als Ferienausschuss – tagten zehn Ratsmitglieder um Bürgermeister Jürgen Eisen, behandelten eine deutlich gekürzte Tagesordnung – und auch die üblichen Weihnachtsreden fielen dieses Jahr aus. Für einen kurzen Dank an die Mitarbeiter der Verwaltung war dann aber doch Zeit – denn auch für sie war es ein anspruchsvolles Jahr. Wie anspruchsvoll, zeigte der Einblick, den Kämmerer Markus Weiß in die Finanzlage der Stadt gab – im ablaufenden Coronajahr wie im kommenden Jahr.
Ein guter Stadtkämmerer braucht viele gute Eigenschaften und Markus Weiß bringt sie unzweifelhaft mit. Für die Planung der städtischen Finanzen im nächsten und in den folgenden Jahren habe er aber fast eine Glaskugel bemühen müssen, weil seine hellseherischen Fähigkeiten dann doch nicht ganz ausreichen. Geübt hatte Weiß sie schon in diesem Jahr, als die Pandemie die Wirtschaft durcheinanderwirbelte. Heute habe sich vor allem eine Befürchtung der Stadtverwaltung nicht bestätigt: Der ganz große Einbruch bei den Gewerbesteuern blieb aus. „Wir haben aktuell noch eine kleine Lücke zwischen unserem Soll und Ist – aber wir gehen davon aus, dass diese sich in den nächsten drei Monaten schließt, wenn die restlichen Zahlungen eingehen.“
Am Ende bekommt Illertissen sogar mehr als gedacht
Am Ende wird Illertissen sogar mehr Einnahmen in diesem Bereich haben als geplant: Denn von staatlicher Seite wurde den Kommunen eine Ausgleichszahlung angekündigt. Diese berechnet sich nach dem Durchschnitt der Gewerbesteuern, die zwischen 2015 und 2019 erzielt wurden – und die waren für Illertissen ausgesprochen fette Gewebesteuer-Jahre. Die Folge: Illertissen bekommt 2,2 Millionen Euro aus dem Ausgleichstopf. An anderer Stelle wird allerdings nicht ausgeglichen: Bei der Einkommenssteuer rechnet Weiß mit 700 000 bis 800 000 Euro weniger, die Personalkosten fallen etwa 120 000 Euro höher aus. Und die lange Schließung des Nautilla in diesem Jahr reißt ebenfalls ein großes Loch: Markus Weiß geht von einem um 700 000 Euro deutlich höheren Defizit aus, weil das Freizeitbad bis auf wenige Monate keine Einnahmen erzielt hat. Unterm Strich sieht es aber 2020 noch recht gut aus – zwei bis zweieinhalb Millionen Euro mehr als geplant können in den Vermögenshaushalt zugeführt werden, insgesamt rund 4,5 Millionen Euro. Aus den Rücklagen müssen zwischen 500 000 und einer Million Euro weniger entnommen werden als gedacht.
Haushalt in Illertissen: So schwierig wie heute waren Prognosen noch nie
So weit, so klar. Doch mit dem Jahreswechsel ist es mit der Klarheit auch schon wieder vorbei. „Prognosen sind schwieriger als je zuvor“, sagte Markus Weiß. Hoffnung gibt es zwar: So hätten Firmen im Stadtgebiet, vor allem aus der Industrie, die zu den Großzahlern gehörten, der Stadt bereits signalisiert: Es läuft derzeit gar nicht so schlecht für sie. „Dazu kommen auch noch neu angesiedelte Firmen, die nächstes Jahr erstmals Gewerbesteuer bezahlen.“ Weiß schätzt, dass 7,5 Millionen Euro Gewerbesteuern hereinkommen könnten, (2020: 8,4 Millionen Euro). „Versprechen kann ich es aber nicht.“
Schaut man sich die Steuerkraft Illertissens an – und vergleicht sie mit den anderen Kommunen im Landkreis –, wird klar, wie die Finanzlage aussieht. „Wir sind längst keine reiche Stadt mehr, sondern liegen im Mittelfeld.“ Bei der Steuerkraft pro Einwohner kommt Illertissen gerade einmal auf den sechsten Platz im Landkreis und liegt damit sogar unter dem Landkreisdurchschnitt.
Trotzdem hat Illertissen sich für das nächste Jahr einiges vorgenommen: Die Sanierung des Bürgermeister-Bürzle-Hauses, die Fertigstellung des Feuerwehrhauses, der Bau des Dorfladens in Jedesheim, zahlreiche Straßenbauprojekte wie auf dem Baywa-Areal oder der Radweg ins Gewerbegebiet Leitschäcker summieren sich im nächsten Jahr auf 12,6 Millionen Euro an Investitionen. „Es wird nur gehen mit diesem Programm, wenn wir neue Kredite in Höhe von 900 000 Euro vorsehen“, schätzt Weiß.
Kinderbetreuung bleibt ein großes finanzielles Problem
Für einen Ausblick in die folgenden Haushaltsjahre bis 2024 müsse der Kämmerer nicht nur die Glaskugel, sondern auch Pendel und Kaffeesatz bemühen, um eine Aussage treffen zu können, meinte Markus Weiß scherzhaft. Wie lange die Auswirkungen von Corona sich noch im städtischen Haushalt bemerkbar machen werden, ist schlicht nicht abzusehen.
Bürgermeister Jürgen Eisen ist über die finanzielle Entwicklung im laufenden Jahr erleichtert. „Ich hätte gedacht, dass es schlimmer kommen wird.“ In Zukunft bleibe aber das große Problem der Kinderbetreuung bestehen. Ein Bereich, der die Stadt mehr und mehr Geld kostet. „Zugezogene wundern sich oft, wie wenig sie bei uns bezahlen müssen“, so Eisen. Irgendwann bestehe hier Handlungsbedarf. „Bei den Kindergärten ist unser Bedarf jetzt gesättigt. Aber der Ausbau der Kinderkrippen wird nicht aufhören.“
Mit dem Haushalt 2021 wird sich der Stadtrat im neuen Jahr bald beschäftigten – der Ferienausschuss beschloss einhellig, trotz der Corona-Lage wie üblich im Februar in die Haushaltsberatungen einzusteigen.
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