Bis die Bauarbeiter am Iller-Wehr bei Dietenheim anrücken, kann es noch dauern: Die noch in diesem Jahr geplante Errichtung eines Schachtkraftwerks verzögert sich offenbar. Denn noch steht eine abschließende Entscheidung im Rechtsstreit aus. Die Sache liegt weiter beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Dort hatte der Bund Naturschutz, wie berichtet, im April einen Antrag auf Berufung gestellt. Zuvor waren die Kläger in erster Instanz mit ihrem Einwand gegen den Bau gescheitert. Ob die Berufung zugelassen wird, ist unklar. Kürzlich hat der Verwaltungsgerichtshof den Streitparteien mitgeteilt, dass eine Entscheidung derzeit nicht zu erwarten sei. Man habe viele andere Fälle zu bearbeiten. Das stimmt den Bauherrn Mathias Fontin nicht gerade froh.
Bauherr tut "Beschleunigungsinteresse" kund
Man sei von Herbst oder Winter dieses Jahres für den Baubeginn ausgegangen, teilt er auf Anfrage unserer Redaktion mit. Der vom Bund Naturschutz eingebrachte Antrag auf Zulassung der Revision sollte schon längst verhandelt sein. Jedoch sei die zuständige Kammer am Verwaltungsgerichtshof Fontins Informationen nach nicht vollständig besetzt und mit vielen anderen Fällen überlastet. Der Bauherr weist darauf hin, dass die Revision vom Verwaltungsgericht Sigmaringen ausgeschlossen worden sei. Sowohl das zuständige Landratsamt des Alb-Donau-Kreises als auch seine Firma hätten „zwischenzeitlich unser Beschleunigungsinteresse bei Gericht kundgetan“. Jedoch sei noch kein konkreter Termin für eine Entscheidung genannt worden. Der Beginn des Einbaus des Schachtkraftwerks verzögere sich entsprechend, so Fontin. Ob der anvisierte Zeitpunkt zum Ende dieses Jahres zu halten ist, ließ er offen. Der Bau der Anlage ist bereits seit Ende 2016 genehmigt, die Firma dürfte also loslegen. Allerdings sei das unter anderem aus Umweltschutzgründen nicht jederzeit möglich.
Naturschützer: Einwände sollen geprüft werden
Als Vertreter der Klägerseite hat auch Bernd Kurus-Nägele, der Geschäftsführer des Bundes Naturschutz im Landkreis Neu-Ulm, das Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs erhalten. Eine Bewertung will er dazu nicht abgeben, es gebe aber wohl dringlichere Fälle in Mannheim. Er hofft, dass die Einwände gegen das Schachtkraftwerk sorgsam geprüft werden. Man erwarte durch die Anlage negative Auswirkungen auf die gesamte Iller. Das wurde bei einem Ortstermin im April bekräftigt – genauso wie die Tatsache, dass die Kläger ihren Widerstand gegen das Projekt nicht aufgeben wollen. Das Verwaltungsgericht habe bei der Ablehnung der Klage „grobe fachliche Fehler“ gemacht, hieß es damals.
Kritisiert wird unter anderem, dass im Verfahren zur Genehmigung des Kraftwerkbaus keine Umweltverträglichkeitsprüfung erstellt worden sei. Eine Untersuchung der Auswirkungen des Schachtkraftwerks fehle somit – sie müsse aber her. Denn Fischarten wie Huchen und Äschen seien in Gefahr. Und durch den Umbau des Ufers verlören Zauneidechsen ihre Heimat. Auch könnten die nahen Bäume von Fledermäusen bewohnt sein.
Pläne verstoßen laut Klägern gegen europäisches Recht
Überhaupt verstießen die Baupläne gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Jene fordere bis 2027 ein „gutes ökologisches Potenzial“ bei Gewässern wie der Iller. Ziel sei ein naturnahes Fließverhalten. „Das ist hier gar nicht gegeben“, sagte Kurus-Nägele damals über das bestehende Wehr. Eine weitere Befürchtung: Angrenzende Feuchtgebiete verlören die Wasserzufuhr, was zu einer Gefahr für seltene Kammmolche werde, die zwischen Vöhringen und Ulm lebten.
Sollte die Berufung zugelassen werden, dürfte es zu einem weiteren Gerichtsverfahren kommen. „Man kann nur abwarten“, sagt Kurus-Nägele nun. Er betont, dass Fontin bereits über Baurecht verfüge und starten könne. Wenn er dies aus rechtlichen Erwägungen nicht tue, halte sich sein Mitleid in Grenzen, so Kurus-Nägele weiter. „Der Mann kapiert nicht, dass außer ihm keiner das Kraftwerk will.“
Fontin sieht keine Zweifel an Rechtmäßigkeit
Fontin hingegen bestreitet, dass sein Projekt solch negative Auswirkung haben wird. Das Schachtkraftwerk ermögliche, dass Fische und Steine, die sich auf dem Grund des Flusses bewegen, das Wehr passieren können. Somit werde die geforderte Durchgängigkeit erhöht. Das Verwaltungsgericht habe keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Vorhabens gelassen. Das wollten die Naturschützer offenbar nicht einsehen. Er habe den Verdacht, dass es bei dem Streit nicht um Fakten geht, sondern um ideologische Positionen, so Fontin.
Wie kann der erbitterte Streit ums Kraftwerk beigelegt werden: Lesen Sie dazu einen Kommentar von Redakteur Jens Carsten: Streit um Kraftwerk: Ein Machtwortmuss her
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