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Illertissen: Der Tag, an dem Illertissen verkauft wurde

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Der Tag, an dem Illertissen verkauft wurde

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    Blick auf die Martinskirche in Illertissen, welche unter den Vöhlin neu erbaut wurde.
    Blick auf die Martinskirche in Illertissen, welche unter den Vöhlin neu erbaut wurde. Foto: Ralph Manhalter

    Aus „zusammengebrachten Edelleut-, Bürger- und Bauerngütern“ bestehe das neu erworbene Territorium, bemühte sich Erhard II. Vöhlin zu berichten. Also nichts, was einen vernünftigen Gewinn abwerfe, wovon Kaiser und Reich in Form von Steuern und Abgaben ihren Anteil einfordern könnten. Schließlich galt es, das Reichsregiment aufzurüsten: Die Türken bedrohten das christliche Europa und jeder hatte zur Verteidigung sein Scherflein beizutragen. Ganz Kaufmann und Schwabe setzte der Vöhlin die Attraktivität seiner Besitzung herab: Wo nichts ist, kann man nichts holen!

    Dabei hatte ebendieser Erhard II, Memminger Patrizier und bereits Inhaber des Dorfes Frickenhausen, die Herrschaft Illertissen erst im Jahr zuvor käuflich erworben. 34.000 Gulden, was unter Berücksichtigung der damaligen Kaufkraft heute in etwa zehn bis 15 Millionen Euro entspricht, bot der Vöhlin dem Vorbesitzer Schweickhart von Gundelfingen. Die Vertragsunterzeichnung und damit die Übereignung des Marktes

    Das alte Gebäude auf dem Schlossberg war wohl ziemlich verwahrlost

    Doch was die Vöhlin dort oben auf dem Schlossberg vorfanden, entsprach offensichtlich nicht ihren Anforderungen. Schon ziemlich verwahrlost muss es sich präsentiert haben, das alte Gemäuer, in welchem bereits die Grafen von Kirchberg residierten. Dabei erwarteten die Vöhlin etwas Standesgemäßes, zumal sie ja jetzt auch zu den Landbesitzern, zu den Grund- und Gerichtsherren gehörten. Reichtum durch Handel war die eine Seite; um politisch eine bedeutende Rolle zu spielen, war der Aufstieg in den Adel unabdingbar. So wurde dann auch getrickst, was das Zeug hält – und dabei befanden sich die Vöhlin in durchaus guter Gesellschaft.

    Blick in die Vöhlinsche Gruftkapelle: Hier sind die Grabdenkmale von Erhard III. und Erhard II. Vöhlin zu finden. Der Memminger Patrizier kaufte am 17. April 1520 die Herrschaft Illertissen.
    Blick in die Vöhlinsche Gruftkapelle: Hier sind die Grabdenkmale von Erhard III. und Erhard II. Vöhlin zu finden. Der Memminger Patrizier kaufte am 17. April 1520 die Herrschaft Illertissen. Foto: Ralph Manhalter

    Glaubt man dennoch der Familienchronik, welche im Fürststift zu Kempten aufgefunden wurde, stammten die Vöhlin ursprünglich aus dem Königreich Neapel. Deren Name sei damals im 9. Jahrhundert ›di Vela‹ gewesen und sie sollen Papst Benedikt III. bei innerkirchlichen Auseinandersetzungen unterstützt haben. Als Dank habe dessen Nachfolger ein Wappen mit drei weißen Buchstaben verliehen: PPP: Pugnantes Pro Pontifice, also Kämpfer für den Papst. Solange nicht das Gegenteil bewiesen werden kann, darf der Erzählung ein gewisser Wahrheitsgehalt nicht abgesprochen werden.

    Nachvollziehbarer erscheint das Leben der Vöhlin erst in den Jahren vor der Illertisser Herrschaftsübernahme. Erhard I. Vöhlin bekleidete in Memmingen mehrmals das Amt des Bürgermeisters und galt schon zu seinen Lebzeiten als schwerreich. Dessen Sohn Leonhard knüpfte nicht nur wirtschaftliche Bande zum bedeutenden Augsburger Handelshaus der Welser; über seine Ehefrau gelang es ihm auch, verwandtschaftliche Beziehungen zu den Kaufleuten vom Lech herzustellen. So dauerte es nicht lange und die „Große Welser-Vöhlin-Gesellschaft“ nahm ihre Geschäfte auf. Ähnlich den bekannteren Fuggern unterhielten auch sie Faktoreien in ganz Europa und unternahmen Handelsfahrten in überseeische Kolonien.

    Ein kulturhistorischer Glücksfall für Illertissen

    Im Rückblick betrachtet war die Herrschaftsübernahme der Vöhlin für Illertissen ein kulturhistorischer Glücksfall: Neben dem neu errichteten Schloss konnte schon bald die Pfarrkirche im neuen Geist der Renaissance erbaut werden. Christoph Rodt schuf unter den Vöhlin seinen glanzvollen Hochaltar und auch ansonsten zeigte sich die Herrschaft sehr von den schönen Dingen des Lebens angetan. Den unterdrückten Bauern kam dieser Wohlstand natürlich nicht zugute. Bereits beim Schlossbau wurden ihnen Frondienste abverlangt, welche letztendlich in die großen Unruhen am Vorabend des Bauernkrieges führten.

    Der Hochaltar in der Illertisser Stadtpfarrkirche stammt von Christoph Rodt, der in Diensten der Vöhlin stand.
    Der Hochaltar in der Illertisser Stadtpfarrkirche stammt von Christoph Rodt, der in Diensten der Vöhlin stand. Foto: Ralph Manhalter

    Doch ein generationenübergreifendes Leben in Luxus bei gleichzeitigem Versickern der Einkünfte hatte seinen Preis: Im Jahr 1756 war Johann Joseph Vöhlin gezwungen – nicht, ohne dass er sich vorher auf einem Fresko der Schlosskapelle verewigen ließ – die gesamte Herrschaft an den bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph zu verkaufen.

    Allein an die drei Konsonanten PPP erinnerte man sich 1954 bei der Festlegung des Stadtwappens, wobei der Kampf für den römischen Pontifex nicht mehr erstrebenswert erschien: PPP stand fortan für „Pugnamus Pro Pace“– wir kämpfen für den Frieden.

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