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Illertissen: Debatte um Missbrauch: Illertisser Pfarrer rechnet mit Kirchenaustritten

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Debatte um Missbrauch: Illertisser Pfarrer rechnet mit Kirchenaustritten

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    So gut besucht sind nicht alle Kirchen: Es ist nicht die einzige Herausforderung der Pfarreiengemeinschaft Illertissen.
    So gut besucht sind nicht alle Kirchen: Es ist nicht die einzige Herausforderung der Pfarreiengemeinschaft Illertissen. Foto: Regina Langhans

    Die Pfarreiengemeinschaft St. Martin in Illertissen hat kürzlich ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. Zeit für deren Leiter, Pfarrer Andreas Specker, eine Bilanz zu ziehen. Auch wenn die überwiegend positiv ausfällt – es gibt einige Herausforderungen. Und die haben auch mit den schweren Zeiten der katholischen Kirche allgemein zu tun. Missbrauchsfälle, sinkende Mitgliederzahlen.

    Nach einer neuen Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche wurde viel diskutiert. Auch im Bistum Augsburg gab es Fälle. Wie sehr sehen Sie die Kirche beschädigt?

    Pfarrer Andreas Specker: Nicht die Studie über den Missbrauch hat die Kirche beschädigt, sondern die Tatsache, dass es Missbrauch in diesem erschreckenden Ausmaß gegeben hat und wahrscheinlich immer noch gibt. Und dass dies in der Größenordnung möglich war und nicht zur Kenntnis genommen wurde. Stattdessen bedurfte es eines relativ hohen Drucks von außen, bis man innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz angefangen hat, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Das vermittelt den Eindruck, einerseits hilflos den Fakten gegenüberzustehen, aber nicht den Mut zu haben, ernsthafte Schritte zu tun.

    Als Ortsgeistlicher stehen Sie mit den Gläubigen in direktem Kontakt. Gibt es in Illertissen und Umgebung konkrete Reaktionen auf die Skandale?

    Specker: Noch gibt es keine direkten Reaktionen, etwa in Form von vermehrten Kirchenaustritten. Diese werden aber sicher kommen. Selbst wenn Austritte gleich nach dem Bekanntwerden solcher Fälle erfolgen, schlagen sie mit Zeitverzögerung bei uns auf. Den Austritt erklären die Menschen beim Standesamt und uns erreicht die Meldung dann erst durch das Kirchensteueramt in Augsburg.

    Zieht nach zehn Jahren eines positive Bilanz zur Pfarreiengemeinschaft: Pfarrer Andreas Specker
    Zieht nach zehn Jahren eines positive Bilanz zur Pfarreiengemeinschaft: Pfarrer Andreas Specker Foto: Regina Langthans

    Vor zehn Jahren wurde die Pfarreiengemeinschaft Illertissen gegründet. Wie kam es dazu?

    Specker: Die Umsetzung der Pfarreiengemeinschaft war die unmittelbare Reaktion auf den plötzlichen Tod von Pfarrer Wißmiller. Geplant war diese vonseiten der Diözese schon länger.

    Hat sich die Gemeinschaft bewährt?

    Specker: In der Rückschau ist zu sagen, dass die Bildung die richtige Entscheidung war.

    Gibt es denn Nachteile?

    Specker: Der größte Nachteil ist wohl, dass sich ein Pfarrer intensiver um eine einzelne Pfarrei kümmern kann und näher an den Leuten dran ist, als wenn er gleichzeitig fünf

    Die Pfarreien Au, Betlinshausen, Jedesheim, Illertissen und Tiefenbach wurden damals zu einem Verbund zusammengeschlossen. Viele Menschen mussten sich umgewöhnen. Wie fällt die Bilanz aus?

    Specker: Die Pfarreien haben sich aufeinander zubewegt und tun es weiter. Durch den Zusammenschluss der fünf Illertisser Gemeinden ergeben sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit: zum Beispiel im Bereich der Erwachsenenbildung, der Jugend- und Ministrantenarbeit bis hin zu Frauenbunden und Senioren. Das größere Einzugsgebiet ermöglicht, mehr Menschen in der jeweiligen Zielgruppe zu erreichen beziehungsweise Synergieeffekte herzustellen.

    Illertissen: Priestermangel ist ein Thema

    Haben Sie Beispiele dafür?

    Specker: Die Ministranten und die Senioren machen jeweils gemeinsame Ausflüge, treffen sich zu Besinnungsnachmittagen und Vorträgen. Solche Aktionen würden sich für einzelne, kleinere Gemeinden nicht rentieren.

    Immer wieder ist der Priestermangel ein Thema. Wie können die Pfarreiengemeinschaften dieses Problem lösen?

    Specker: Die Gemeinschaften sind sicher nicht die vollumfängliche Antwort auf den sogenannten Priestermangel. Sie sind vielmehr eine Anpassung der Infrastruktur an die Bedürfnisse und Herausforderungen. Oftmals bedeuten sie einfach auch einen Rückbau auf die Verhältnisse, wie sie bis vor circa 100 Jahren geherrscht haben. Es ist offensichtlich, dass sowohl der durchschnittliche Kirchenbesuch als auch die aktive Beteiligung der Gemeindemitglieder hier Anpassungen notwendig machen und sinnvoll erscheinen lassen. Inwiefern diese Anpassungen die grundlegenden Probleme der Kirche in Deutschland und in unserem Bistum lösen helfen, muss auf anderen Ebenen beurteilt und entschieden werden.

    In anderen Regionen werden Kirchen abgerissen oder verkauft. Wie sehen Sie die Zukunft der zahlreichen kirchlichen Immobilien?

    Specker: Die Zahl kirchlicher Immobilien muss sicher einer sinnvollen Nutzung angepasst werden. Dass dies nicht immer und nicht nur den Abriss oder Verkauf bedeuten muss, haben wir in der Pfarrei Mariä Himmelfahrt Au gesehen, die mit großem finanziellen Aufwand und ehrenamtlichem Engagement grundlegend saniert und umgebaut werden konnte. Wir haben im süddeutschen Raum wesentlich mehr kunsthistorisch bedeutende Kirchen als in den Nordbistümern, das macht es schwierig, sich davon zu trennen. Bei Pfarrhäusern sieht die Situation anders aus. Da wird eine Ausdünnung kommen und sinnvoll sein, weil viel Besitz auch immer hohen Aufwand an Personal und Kosten bedeutet.

    Auf der anderen Seite gibt es auch Investitionen mit öffentlichen Geldern, die neuen Bestattungshallen in Illertissen und Tiefenbach etwa ...

    Specker: Die neuen Aussegnungshallen in Illertissen und Tiefenbach waren in der Tat überfällig, um eine angemessene Bestattungskultur zu pflegen. Allerdings nicht so sehr aus der Sicht der Kirchen, sondern für die zunehmende Zahl konfessionell nicht gebundener Personen und Mitbürger anderer Religionen. Die neuen Hallen sind sehr schöne und gelungene Beispiele dafür, wie sich Räume entwickeln können und wie man die veränderten und unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse zusammenbringen kann: indem zum Beispiel das Kreuz zwar ein feststehendes Element ist, aber bei Bedarf auch verdeckt werden kann.

    Bei Trauerfeiern sind immer öfter Trauerredner statt Priester im Einsatz. Wird die Kirche hier ein Stück weit ersetzt?

    Specker: Als Konsequenz einer immer größeren Zahl von Menschen, die keiner Kirche angehören, ist es nur folgerichtig, dass sich hier ein Markt für sogenannte „freie“ Redner, sei es für Trauungen oder Trauerfeiern, entwickelt. In den größeren Städten oder im Norden der Republik ist dies bereits weiter verbreitet. Inwiefern diese befremdlich wirken, hängt eher von der Qualität der Akteure ab als von der Tatsache, dass sie keine kirchlichen Vertreter sind.

    Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und eine Studie dazu haben zuletzt zu einer Debatte geführt. lesen Sie dazu auch: Geistliche zu Missbrauch: "Die Kirche kann sich nicht versündigen" , Wie ein Missbrauchsopfer die Kirche zum Umdenken brachte und Wallfahrtsdirektor von Maria Vesperbild fühlt sich falsch verstanden.

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