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Handicap-Klettern: Glücklich nach oben

Handicap-Klettern

Glücklich nach oben

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    Befreiend findet es die Kellmünzerin Simone Kreuzer, wenn sie trotz ihrer körperlichen Einschränkungen die Wände hochsteigen kann. Regelmäßig geht sie wie so manche andere zum Handicap-Klettern nach Neu-Ulm.
    Befreiend findet es die Kellmünzerin Simone Kreuzer, wenn sie trotz ihrer körperlichen Einschränkungen die Wände hochsteigen kann. Regelmäßig geht sie wie so manche andere zum Handicap-Klettern nach Neu-Ulm.

    Kellmünz/Neu-Ulm Simone Kreuzer lacht. Sie sieht glücklich aus. Dass sie erschöpft ist, wie sie sagt, merkt man der jungen Frau aus

    Der Sparkassen Dome des Deutschen Alpenvereins (DAV) ist ein imposantes Gebäude. Zwölf bis 17 Meter hoch ragen die Kletterwände empor. Steht man am Fuße einer solchen Mauer, schaut man – zumindest als Laie – ehrfürchtig nach oben. Um hier hochzusteigen, braucht man vor allem zunächst eins, nämlich Mut und Willen. „Die bunten Griffe an den Wänden markieren die verschiedenen Routen“, erklärt Simone Kreuzer.

    Für die Kellmünzerin bedeutet die zwölf Meter hohe Wand im ersten Stock der Halle trotz Übung nach wie vor eine Herausforderung. Doch Angst zeigt sie keine. Im Gegenteil. Routiniert und selbstbewusst legt sie den Sicherheitsgurt an und überprüft fachmännisch die Knoten. „Wir machen bei uns immer gegenseitig den Partnercheck“, erzählt Walter Klein, Mitglied der Neu-Ulmer DAV-Sektion, der die junge Frau – wie schon öfter – in ihrem Vorhaben auch diesmal absichern wird. Dann steigt sie nach oben. Relativ schnell und sicher erklimmt sie die Vertikale. Oben angekommen lacht Simone Kreuzer herunter.

    Aufgrund einer chronischen Krankheit, vielen Klinikaufenthalten und Operationen ist sie von Kindheit an in ihrem Leben eingeschränkt und behindert. „Befreiend“ bezeichnet sie das Gefühl, ganz oben angekommen zu sein und es geschafft zu haben. „Zwischen acht und 15 Personen kommen regelmäßig zu unserem Handicap-Klettern“, erläutert Michael Denoix, der an diesem Vormittag stellvertretend für Geli Schneider die Behinderten-Aktion des DAV in der Neu-Ulmer Anlage leitet. Klettern – so Denoix – habe hauptsächlich mit Bewegungs-Koordination zu tun, verbunden mit dem Ziel, die Kontrolle über seinen Körper zu bekommen, damit man das vorgenommene Ziel erreicht.

    Das ist stets, trotz oft eingeschränkter Bewegungsfähigkeit und Behinderung, die Wand zu erklimmen. Darin versuchen sich an diesem Vormittag Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Stimmung ist gut. Man redet sich mit Vornamen an. Es wird auch angefeuert, wenn jemand mal in der Wand hängt und verschnaufen muss.

    Auf der ersten Etage der Halle stehen auch einige Rollstühle. Der von Richard Kastner ist an der Seite geparkt. Der querschnittsgelähmte Mann aus Bayreuth hat bereits den Sicherheitsgurt an und hängt nun unten an der Kletterwand in den Seilen. Dann geht es nach oben. Langsam. Mit den Armen zieht sich der Mann hoch. Die Arbeit seiner gelähmten Beine übernimmt ein sogenannter Beikletterer des DAV, der mit ihm die Wand hochgeht und seine Füße Stück für Stück auf die Klettergriffe hebt. Ein anstrengendes Unterfangen.

    Nach kurzer Zeit stehen Richard Kastner bereits Schweißperlen an der Stirn. Er kämpft weiter. Knapp auf halber Strecke, gibt er zu verstehen, dass es genug für ihn ist. Bevor es wieder bergab geht, verharrt er noch kurz an der Wand, lacht und schaut noch von oben auf seinen leeren Rollstuhl hinab.

    Klettern, sagt Richard Kastner, bedeute für ihn, seinen Rollstuhl und damit auch seine Krankheit aus einem anderen Blickwinkel, aus einer „anderen Dimension“ zu betrachten. Dass eine Halle wie die Neu-Ulmer barrierefrei gebaut und somit für Behinderte befahrbar ist, sei eine Ausnahme, erklärt Dieter Danks, Vorsitzender der DAV-Sektion Neu-Ulm. Denn als solche Sporteinrichtungen früher gebaut wurden, habe man nicht gedacht, dass auch einmal Rollstuhlfahrer kommen.

    Handicap-Kraxeln ist relativ neu und hat sich aus dem therapeutischen Klettern entwickelt. In Neu- Ulm entstand die Idee bei der Landesgartenschau 2008. Damals habe der DAV Bäume zum Erklimmen angeboten, die auch bei behinderten Besuchern Interesse geweckt hätten. Dass Klettern ihr so viel Freude und Spaß macht, hat Simone Kreuzer bei ihrem letzten Reha-Aufenthalt herausgefunden. Seitdem kommt sie regelmäßig in den Sparkassen Dome. Auch wenn sie sich hinterher erschöpft fühlt. Aber sie ist zufrieden und glücklich.

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