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Illertissen: Ein stilles Fest: Wie lassen sich Trauer und Weihnachten vereinen?

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Ein stilles Fest: Wie lassen sich Trauer und Weihnachten vereinen?

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    Für Trauernde ist Weihnachten besonders schlimm.
    Für Trauernde ist Weihnachten besonders schlimm.

    Gerti Kesslinger hat vor vier Wochen ihren Mann verloren. Die Illertisserin hat viele Jahre selbst in der Trauerbegleitung in Illertissen gearbeitet, hat Gruppen geleitet und viele Trauernde begleitet. Ihr Weihnachten wird in diesem Jahr anders sein. Kesslinger hat dennoch einen Weg gefunden, wie sie ihren Mann einbindet und die gewohnten Traditionen weiterführt. „Es wird ein sehr stilles Weihnachten“, sagt sie.

    Die Corona-Pandemie unterbindet Nähe, die Trauernde dringend brauchen

    Die Corona-Pandemie erschwert das Trauern. Sie unterbindet die Nähe, die Menschen nach einem Verlust dringend brauchen: „Man kann sich nicht umarmen, sich nicht einmal die Hand geben.“ Auch Gruppentreffen dürfen nicht stattfinden. Kesslinger befürchtet, dass sich viele Menschen zurückziehen und mit ihrer Trauer alleine bleiben. „Abkapseln macht es schlimmer. Es ist so wichtig, sich die Gedanken von der Seele zu reden.“

    Viele Trauernde wollen sich der Weihnachtszeit und den Erinnerungen nicht stellen und fahren weg – das ist in diesem Jahr nicht möglich. In manchen Fällen können Angehörige das Leiden durch die Einschränkungen nicht begleiten und durften nicht ins Krankenhaus.

    In der Hospizgruppe Illertissen werden derzeit etwa zehn Trauernde begleitet

    Johanna Nientiedt ist eine der derzeitigen Leiterinnen der ambulanten Hospizgruppe Illertissen. Sie begleitet im Moment etwa zehn Trauernde. Einige von ihnen durften ihre geliebten Menschen, die im Krankenhaus im Sterben lagen, nur stundenweise sehen. „Sich nicht verabschieden können, das ist eine Horrorsituation, die tief traumatisiert“, sagt Nientiedt.

    Noch hat sich in der Hospizgruppe in Illertissen niemand gemeldet, der jemanden durch das Coronavirus verloren hat. Die Leiterin rechnet damit, dass sich das mit der weiteren Ausbreitung bald ändert. Sie vermutet, dass ein derartiger Verlust vermehrt Wut mit sich bringen könnte. „Wut in Trauer ist menschlich“, sagt Nientiedt. Bei einem Tod durch die Lungenkrankheit sei es wahrscheinlich, dass die Umstände Hinterbliebene besonders schwer treffen.

    Trauern ist ein natürlicher Prozess, im Regelfall können die Betroffenen diesen bewältigen. Nientiedt befürchtet jedoch, dass durch die Pandemie verstärkt Traumata bei Trauernden entstehen: „Da wird noch viel auf uns zu kommen.“

    Die Leiterin aus Illertissen gibt Ratschläge für Trauernde

    In jedem Fall verstärken die Adventszeit und Weihnachten die Trauer. „In so einer gefühlsintensiven Zeit ist der Verlust besonders deutlich“, sagt Nientiedt. Sie rät Betroffenen, sich eine Struktur für die Tage zu überlegen und Besuche, soweit erlaubt, zu planen. „Ein Rahmen hilft, um nicht in ein tiefes Loch zu stürzen.“ Trauernde sollten den Mut aufbringen, Kontakt zu anderen Menschen aufzubauen, und sich nicht isolieren.

    Die Trauer werde kommen, mal tauche man mehr, mal weniger darin ein. „Es ist wichtig, sich ihr zu stellen, sie zu akzeptieren und die Tränen zu weinen“, sagt die Leiterin der Hospizgruppe. Das sei der beste Rat, den sie geben könne.

    Kesslinger will die Familientraditionen weiterführen - ohne ihren Mann

    Gerti Kesslinger wird dieses Weihnachten mit ihrer Tochter verbringen. „Wir feiern genauso wie in den vergangenen Jahren. Nur eben zu zweit, nicht mehr zu dritt.“ Sie will den Christbaum aufstellen und schmücken. Die große, zwei Meter lange Krippe, die Kesslinger sonst immer aufbaut, bleibt diesmal im Schrank: „Dazu habe ich heuer keine Kraft.“

    Sie weiß, dass die Trauer das gemeinsame Fest begleiten wird. „Sie gehört zu unserem Leben. Ebenso wie das Sterben.“ Viele Menschen schieben Kesslinger zufolge die Themen rund um den Tod weit von sich. Wenn man dann damit konfrontiert wird, träfe es den Betroffenen umso härter.

    An Weihnachten wird Kesslinger mit ihrer Tochter die Traditionen der Familie weiterführen. Die zwei Frauen werden in die Kirche gehen, zusammen essen, vor dem Christbaum sitzen und Lieder singen. Kesslinger will ihren Mann am Heiligabend dabei haben. An seinem Platz wird ein Foto stehen. „Auch wenn Tränen fließen: Wir machen es uns so schön wie möglich.“

    Betroffene können sich telefonisch beim Bereitschaftstelefon der Hospizgruppe Illertissen melden. Die Nummer lautet: 07303/159595.

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