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Bellenberg: Eine Kneipe wie keine zweite

Bellenberg

Eine Kneipe wie keine zweite

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    Für Rockfans in der Region ist die Traube absoluter Kult. Nun wird mit einer dreitägigen Fete mit 14 Live-Acts 160 Jahre Traube groß gefeiert.
    Für Rockfans in der Region ist die Traube absoluter Kult. Nun wird mit einer dreitägigen Fete mit 14 Live-Acts 160 Jahre Traube groß gefeiert. Foto: Michael Seefelder

    Wie alt sie wirklich ist, weiß niemand. 200 Jahre schätzen manche, das älteste Haus in Bellenberg, sagen andere. Sicher ist, dass das Gasthaus Traube mindestens die vergangenen 160 Jahre überdauert hat. Von Samstag, 13. August, bis Montag, 15. August, wird das nun groß mit einem eigenen Traube-Festival gefeiert.

    Beim „Birthday Bash“ werden zwölf zum Teil internationale Bands und zwei Blaskapellen auftreten. Neben der großen Bühne in der Bahnhofstraße, die während des Festivals für den Verkehr gesperrt wird, gibt es auch im Lokal und im Biergarten im fliegenden Wechsel Live-Musik. Wie Traube-Pächterin Christina Riegel sagt, soll für jeden Geschmack und jedes Alter etwas geboten werden. Der Eintritt ist kostenlos.

    Für Kinder wird eine Hüpfburg und ein Bull-Riding aufgebaut, außerdem Süßwarenstände und ein Eiswagen. Im „Foto-Bus“ können sich die Besucher ablichten lassen. Die Ulmer Aktion Stadtgesichter ist mit einem Zelt vertreten, in dem sich Gäste gegen eine Spende für den guten Zweck bemalen lassen können. Foodtrucks mit typisch schwäbischen, aber auch veganen Gerichten, sorgen für die Verpflegung der Gäste. Außerdem werden Hamburger gegrillt. Um die 30 Traube-Mitarbeiter sind pro Schicht im Einsatz.

    Dass nun das Jubiläum der Gaststätte gefeiert wird, entspringt eher einem Zufall. Wirtin Christina Riegel hatte Nachforschungen angestellt, wie alt die Traube ist, um die Jahreszahl in einem Logo für das Lokal verwenden zu können. Das war nicht genau herauszufinden, jedoch entdeckte Christina Riegel im bayerischen Staatsarchiv den Vermerk eines Notars. Daraus geht die Übergabe des Krugrechts (Schankrecht) „der realen Bierwirtschaft und des Branntweinbrennereirechts“ des ehemaligen Oberen Wirtes zur jetzigen Traube hervor. Das war zum Jahreswechsel 1855/1856.

    Dadurch bot sich die Chance für ein Jubiläumsfest, das nun ein Festival werden wird. Seit einem halben Jahr laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, denn vom Bierausschank bis zum Band-Catering soll alles passen. „Jetzt geht es ans Eingemachte“, sagt Christina Riegel. In den letzten Tagen vor der großen Fete gibt es noch einmal eine Menge zu tun.

    Auch bei Rockfans aus der Region ist die Vorfreude auf das Ereignis riesig. Besonders der Comeback-Auftritt der legendären Band „Die Taucher“ mit drei Original-Mitgliedern dürfte nostalgische Gefühle wecken. Und mit dem „Schuppen“, wie die Traube von Stammgästen liebevoll genannt wird, verbinden viele Jugenderinnerungen.

    Die Traube ist für jeden etwas anderes: Rock-Mekka auf dem Land, Jugendhaus, Biker-Treff, Biergarten-Idylle, Wohnzimmer, Familie und nostalgische Fundgrube.

    Lange Zeit war das Lokal eine klassische Dorfwirtschaft. Als es noch keinen sonstigen Veranstaltungsort in Bellenberg gab, traf sich alles bei Wirt Wilhelm Heinrich. Hochzeiten, Bürgerversammlungen und sogar Ringerwettkämpfe fanden in der Traube statt. Die Attraktion war damals eine Holzkegelbahn im Freien. Von der gut bürgerlichen Küche zeugt heute noch das Schild „Hausschlachtung“.

    Zur Bier- und Musikkneipe baute das Lokal in den frühen 1980er Jahren Hermann Mader um, der heute eine Merchandising-Firma in Trochtelfingen betreibt. In seine Ära fallen Auftritte von Ton, Steine, Scherben mit Rio Reiser, Karl Dall, Vera Kaa, Rick Abao, Fredl Fesl und des österreichischen Sängers Wilfried.

    Des einen Freud, des anderen Leid: Der „Boléro“, ein über zehnminütiges Orchesterwerk von Maurice Ravel, leitet täglich den Feierabend für die Bedienungen ein. Für die Gäste heißt es dann jedoch: „letzte Bestellung“.

    Die Idee dazu hatten einst Armin und Peter, die die Traube nach Hermann Mader von 1984 bis 1993 führten. Armin, der im Gespräch darum bittet, dass nur sein Vorname in der Zeitung genannt wird, spricht von harten Anfangszeiten. Der Ruf der Traube war angekratzt, bevor er und Peter das Gasthaus übernahmen. Besorgte Eltern wollten ihre Sprösslinge nicht mehr in das Lokal gehen lassen. Doch die jungen Pächter starteten eine Image-Kampagne. Sie suchten das Gespräch mit Anwohnern, liefen mit einer Traube-Fußballmannschaft bei der Dorfmeisterschaft auf und eröffneten den Biergarten. Den besuchten bald auch viele Ältere, die die Kneipe bisher gemieden hatten. Die Traube wurde bald ein geschätzter Treffpunkt für Jung und Alt, für Normalos und Freaks, für Banker und Bauarbeiter.

    „Die Kastanie im Biergarten haben wir gepflanzt“, sagt Armin, „die haben wir beim Neu-Ulmer Volksfest gewonnen“. In den 1980er Jahren gab es nicht nur Vokuhila-Frisuren und Losbuden, an denen man Pflanzen gewinnen konnte, sondern auch noch viele Schallplatten. Anfangs wurden die neuesten Rockhits von Van Halen, Queen oder David Bowie in der Traube noch auf Vinyl abgespielt. Bis heute gilt der Grundsatz: „Keine Discomusik“.

    Von 1993 bis 2007 betrieb Michael Weber die Traube, die er erst 21-jährig übernahm. Gemeinsam mit der Jack Carleton Band stellten er und seine Mitarbeiter mehrmals das Open-Air in Kaisersmoos auf die Beine, das eine Bühne für lokale Bands und Liedermacher bot. Er führte den beliebten Weißen Ball weiter und organisierte einmal im Jahr die Bye-Bye-Summerparty. Während seiner Zeit als Wirt kam sogar in loser Folge eine eigene Traube-Zeitung heraus, in der unter anderem Witze, Musikcharts und eine nicht ganz ernst gemeinte psychologische Lebensberatung abgedruckt wurden. Mit einem Floß präsentierte sich das Traube-Team beim Ulmer Nabada. Beneidet wurde Weber von manchem Rock-Fan für seine umfangreiche CD-Sammlung, mit der den Gästen jeden Abend eine fein abgestimmte Musikmischung aus Rock-Klassikern, Neuerscheinungen und Raritäten bot. Auch er will sich das anstehende Festival nicht entgehen lassen, wie er auf Nachfrage sagt.

    Auf Weber folgten als Wirt vier Jahre lang Sebastian Hartmann und seit 2011 Christina Riegel.

    Geschichten und Originale hat das Lokal viele zu bieten. Ein Schatz ist auch die Postkarten-Wand, an der bunte Urlaubsgrüße aus mehreren Jahrzehnten an die Stammkneipe prangen. Das Obergeschoss machte für längere Zeit eine englische Rockband zu ihrem Hauptquartier, von dem aus sie auf Tournee ging. Ein eingestaubter Gynäkologenstuhl, der unlängst auf dem Dachboden zum Vorschein kam, nährt die Vermutung, dass auch ein Arzt in dem Gebäude praktiziert haben könnte.

    Das Lokal ist für seine friedliche und tolerante Atmosphäre bekannt. Dennoch wurden dort viele Schlachten geschlagen: am Billardtisch, am Tischkicker, an der Dart-Scheibe oder an der Bar. Dort spielte sich vor rund 15 Jahren ein packendes Duell ab. Ein Gast hatte mit dem Wirt gewettet, einen halben Liter Korea (Rotwein mit Cola) schneller leeren zu können als der hauseigene Staubsauger. Mensch gegen Maschine. Der Staubsauger siegte unter lautem Gejohle der Zuschauer. Er tat trotz der unsachgemäßen Befüllung Abend für Abend weiter seinen Dienst.

    Hier der Zeitplan für das Festival:

    Samstag: 17 Uhr: Modern Earl aus USA (Biergarten), Rock-Klassiker, Südstaatenrock, Blues-Balladen; 20 Uhr: Die Taucher (Hauptbühne), Rock, Punk, erstes Konzert der verbliebenen Original-Bandmitglieder seit 1991; 22 Uhr: 5 Horse Rodeo (Bühne in der Traube); Metal, Glamrock, Rock´n´Roll, lokale Band.

    Sonntag: 10 Uhr: Frühschoppen mit den Jungen Illertalern (Hauptbühne), böhmisch-mährische Blasmusik; 12 Uhr: Good Men Gone Bad aus Stuttgart (Biergarten), Blues, Funk, Rock; 14.30 Uhr: Rock Godess aus Großbritannien (Hauptbühne), klassischer Heavy Metal aus London; 16 Uhr: Pig Ass & The Hoodlums (Biergarten), Rock´n´Roll, „Traube-Hausband“; 18 Uhr: Skip Rock (Hauptbühne), Western Power Rock; 19.30 Uhr: Pig Ass & The Hoodlums Teil 2 (Biergarten); 21 Uhr: Bonfire (Hauptbühne), deutsche Hardrock-Legende; 23 Uhr: Donkeyhonk Company (Bühne in der Traube), Folk, Country und Blues.

    Montag: 10 Uhr: Frühschoppen mit der Musikgesellschaft Bellenberg (vor der Hauptbühne); 13 Uhr: Grachmusikoff (Hauptbühne), Schwabenrock; 16 Uhr: Selfish Murphy aus Rumänien (Biergarten), Irish Folk; 19 Uhr: Brass Knuckle Boogie (Biergarten), Rock´n´Roll, Rockabilly, Country.

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