Startseite
Icon Pfeil nach unten
Illertissen
Icon Pfeil nach unten

Babenhausen: Was ist eigentlich ein Zehentstadel? Ein Blick in die Babenhauser Geschichte

Babenhausen

Was ist eigentlich ein Zehentstadel? Ein Blick in die Babenhauser Geschichte

    • |
    Beeindruckend ist nicht nur seine Größe – auch die vielen Gauben im Dach fallen auf: der Fugger’sche Zehentstadel auf dem Schlossgelände in Babenhausen.
    Beeindruckend ist nicht nur seine Größe – auch die vielen Gauben im Dach fallen auf: der Fugger’sche Zehentstadel auf dem Schlossgelände in Babenhausen.

    In der Diskussion um die Sanierung historischer Gebäude auf dem Schlossareal in Babenhausen nimmt der Zehentstadel eine zentrale Rolle ein. Welche Funktion hatte das mächtige Gebäude einst?

    Der Fugger’sche Zehentstadel – in anderer Schreibweise Zehntstadel – wurde ursprünglich als Lager für das Zehentgut errichtet, das die Untertanen jährlich abzuliefern hatten. Der Neubau erfolgte in den Jahren 1540 bis 1560 durch den Käufer der Herrschaft Babenhausen, Anton Fugger aus Augsburg. Vermutlich stand auf dem Schlossgelände vorher schon ein Zehentstadel, in dem die Vorbesitzer, zuletzt die Rechberger, die ihnen zustehenden Abgaben aufbewahrten.

    Die Abgabe von „Zehnten“ (lateinisch: decenia) durch die Untertanen an die vorgesetzten Stellen, hatte sich als steuerliche Haupteinnahmequelle herausgebildet. Schon im Alten Testament wird davon berichtet. Im Urchristentum entstand die Abgabe des zehnten Teils der geernteten Naturalien als Steuer und zum Unterhalt der Geistlichen. Seit Karl dem Großen entwickelte sich im frühen Mittelalter das Abgabewesen auch zugunsten der adeligen, weltlichen Grundherren. Sie forderten von den Untertanen zur Erntezeit den zehnten Teil der Naturprodukte aus den Grundstücken ein, die diesen zur Bewirtschaftung überlassen wurden. Die Zehentknechte kamen mit Fuhrwerken auf die Felder und holten „jede zehnte Garbe“ ab. Zur Lagerung der Früchte entstanden Zehentstadel, Frucht-, Abgabe- und Pfarrstadel, welche neben den Kirchen oft die größten Gebäude im Ort waren.

    Die Abgabe wurde einerseits in den „Großzehnt“ eingeteilt, bestehend aus Getreide wie Dinkel, Weizen und Roggen. Hier galt die alte Regel: „Wo der Pflug eingeht, geht der Zehnt auf“. Später kamen Kartoffeln dazu. Andererseits bestand der „Kleinzehnt“ etwa aus Küchenkräutern, Obst, Gemüse, Erbsen und Eiern. Er wurde meist als „Bringschuld“ eingezogen. Daneben wurde oft der „Blutzehnt“ fällig, der aus Hühnern, Enten, Gänsen, Tauben, gelegentlich Lämmern und Kälbern bestand. Der Klein- und der Blutzehnt stand meist dem Ortspfarrer zu. Die Abgabepflicht des zehnten Teils wurde im Grundbuch bei jedem Grundstück, und war es noch so klein, eingetragen.

    Die Abgaben an die Kirchenstiftung beziehungsweise an den Ortspfarrer wurden im Pfarrstadel oder in einem eigenen Zehentstadel gelagert. So gab es in Babenhausen neben dem Gebäude am Schloss auch einen Zehentstadel der Kirchenstiftung „Unsere Liebe Frau von Kirchhaslach“ in der Frauenstraße, das sogenannte Frauenhaus. In der jetzigen Form steht es seit 1720 dort. Die Kirchhaslacher bauten es zusätzlich zu ihrem Stadel im Haseltal für ihre reichlichen Abgaben. Als 1774 eine Sanierung anstand, beteiligte sich die Kirchenstiftung „St. Andreas Babenhausen“ an den Kosten und durfte fortan dort auch ihre Einnahmen lagern.

    Babenhauser Bauern lehnten sich auf

    Die seit dem Mittelalter auch von den adeligen Grundherren geforderten Abgaben und deren rechtliche Grundlage gaben immer wieder Anlass für Unruhen. Um 1525 lehnten sich auch in der Babenhauser Gegend Bauern auf und forderten die Abschaffung der Frohnen und harten Lehensabgaben. Der Griesbacher Freibauer Augustin Schlegel war Anführer des „Roten Fähnleins“, einer Bauernrotte, die sich mit dem „Baltringer Haufen“ zur Abwehr der Landsknechtsheere des „Bauernjörg“ und Georgs von Frundsberg zusammengetan hatte. In der heimatgeschichtlichen Erzählung „Das rote Fähnlein“ des Babenhauser Lehrers Jakob Bohneberg kommt der Zehentstadel mit seinen vergitterten Fenstern auch in einem Kapitel vor. Augustin Schlegel befreite demnach dort Bauern, die von den Rechberger Grundherrn wegen Abgabeverweigerung gefangen waren.

    Über die Architektur des Zehentstadels in Babenhausen

    Maße Der heutige Zehentstadel in Babenhausen hat eine Gesamthöhe von etwa 21 Metern. Er ist 50 Meter lang und 17 Meter breit. Das Gebäude imponiert mit fünf großen Korbbogentoren zum Brauereihof hin und einem mächtigen Dach.

    Dach Weil in dem Gebäude hauptsächlich Getreide gelagert werden sollte, wurde bereits bei dessen Bau auf eine Belüftung geachtet. Das Norddach wurde mit sechs Reihen von je vier übereinanderliegenden Schleppgauben (insgesamt 24 Stück) bestückt und das Süddach mit zwölf Reihen von je vier übereinanderliegenden Schleppgauben (48 Stück).

    Geschosse Über dem Erdgeschoss, in dem einst Pferde- und Kuhställe und zum Schluss Garagen sowie Gewerberäume der Brauerei untergebracht waren, erheben sich bis unter den Dachspitz fünf Geschosse. Das erste Obergeschoss ist durch drei hölzerne Stützenreihen in vier Längsschiffe geteilt. Das dritte und vierte Geschoss teilt eine Stützenreihe in der Mitte in zwei Längsschiffe. Das fünfte Geschoss mit durchgehender Lagerfläche reicht bis unter die Firstspitze.

    Fenster Die Wand- und Giebelflächen werden durch quadratische und runde Fenster durchbrochen. Die Fenster sind teils vergittert. Wildtauben fanden dort Nistmöglichkeiten, bis sie vertrieben wurden.

    Renovierung Bei Renovierungsarbeiten um 1960 wurde im Erdgeschoss eine Zwischendecke aus Beton eingezogen. Seitenwände wurden verstärkt. (az)

    Die Allgäuer Bauern forderten im März 1525 in ihren in der Kramerzunft am Memminger Weinmarkt verfassten „Zwölf Artikeln“, dass sie den Zehent nur noch an den Pfarrer geben wollen und „was über bleybt den armen und dürfftigen mittailen“ werden. Die Bauern unterlagen im folgenden Bauernkrieg. Es blieb bei den Abgaben – die Zehentstadel füllten sich und wurden teils erweitert und neu gebaut.

    Erst Jahrhunderte später, 1848, wurden die Abgaben abgeschafft. Die Stadel standen fortan leer. Den Bauern wurde die Möglichkeit gegeben, durch Kauf der Grundstücke die Lehenslast abzulösen. In Babenhausen baute Fürst Leopold Fugger einen Teil des Zehentstadels in eine Sennerei mit Kuhstall um und führte einen Milchviehbetrieb ein.

    Im Unterallgäu gibt es einige historische Zehentstadel

    Der Zehentstadel der Kirchenstiftung „Unsere Liebe Frau von Kirchhaslach“ in der Frauenstraße diente bald dem neu gegründeten Turnverein als erste Turnhalle. Heute beherbergt er neben einer Pizzeria Eigentumswohnungen. In Kirchhaslach wurde der Stadel in ein Schulhaus umgebaut. Heute steht an dieser Stelle das Rathaus. In Kettershausen baute ein Landwirt den Fugger’schen Zehentstadel an der Olgishofer Straße in ein stattliches Bauernhaus mit Tenne um. Es ist abgebrannt.

    Architektin Martina Gleich aus Babenhausen hat sich in ihrer Masterarbeit aus dem Jahr 2011, die sie als Studentin an der Hochschule Konstanz im Fachbereich Architektur schrieb, dem Thema „Umnutzung des Fugger’schen Zehentstadels Babenhausen/Schwaben“ gewidmet. In einem Kapitel befasste sie sich mit einer Liste des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege und führte 19 Zehntstadel im Unterallgäu auf, die zwischen 1515 und 1791 entstanden sind. Ab 1802/03, als die geistlichen Grundherrschaften säkularisiert wurden und 1806 die adeligen Besitztümer durch Mediatisierung im Königreich Bayern aufgingen, fanden auch deren Zehentstadel zum Teil neue Besitzer.

    Zwischen Apfeltrach und Woringen kamen die Zehentstadel des Fürstbischofs von Augsburg, des Fürstabts von Kempten, der benachbarten Klöster und der adeligen Grundherren in neue Hände. Sie wurden zu öffentlichem Besitz der Gemeinden, zu landwirtschaftlichen Anwesen und Wohnungen, zu Lagerhallen, Gewerbebetrieben, Gastwirtschaften oder Museen umgebaut – oder sie blieben als Bauruine stehen. Zuletzt wurden der ehemals hochstiftische Augsburger Zehentstadel in Engishausen und der Zehentstadel der Memminger Unterhospitalstiftung im Stadtteil Steinheim renoviert und neu genutzt.

    Lesen Sie dazu auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden