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Babenhausen: Seit 100 Jahren pilgern Männer in die Kirche

Babenhausen

Seit 100 Jahren pilgern Männer in die Kirche

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    Das älteste erhaltene Bilddokument im Archiv von Heimatforscher Dieter Spindler zeigt einen Teil der Wallfahrtsgruppe 1931 am Waldrand bei Matzenhofen, wobei sich zwei Frauen aufs Bild schlichen.
    Das älteste erhaltene Bilddokument im Archiv von Heimatforscher Dieter Spindler zeigt einen Teil der Wallfahrtsgruppe 1931 am Waldrand bei Matzenhofen, wobei sich zwei Frauen aufs Bild schlichen.

    Die Babenhauser Männerwallfahrt hat eine lange Tradition. Der ehemalige Heimatpfleger Ludwig Zedelmaier charakterisiert die Pilgerei beispielsweise in einer Schrift aus dem Jahr 1982 wie folgt: „Als der Erste Weltkrieg kein Ende nehmen wollte, machten sich damals 1917 eine Handvoll betagter Männer auf den Weg nach Matzenhofen, um dort für die glückliche Heimkehrer ihrer Söhne aus dem Felde zu beten. Dort legten sie das Gelübde ab, dass sie diese Wallfahrt alljährlich am ersten Dienstag im September wiederholen wollen.“ Das Gelübde hat bis heute Bestand. Jahr für Jahr marschieren Männer aus dem Fuggermarkt zur rund zehn Kilometer entfernten Kirche mit der „schmerzhaften Muttergottes“.

    Die meisten Teilnehmer kamen in den 1980er Jahren: Damals pilgerten 102 Männer nach Matzenhofen. Doch über die Jahre reduzierte sich – vor allem aus Altersgründen – die Zahl der Marschierer. Allerdings nehmen immer noch rund 20 bis 30 Wallfahrer diese Tour samt Bergwertung in Unterschönegg auf sich, die hin und zurück einem Halbmarathon entspricht.

    Auch dieses Jahr ist wieder der Abmarsch um 9 Uhr an der Dilo-Brücke in der Frundsbergstraße geplant. Über die vergangenen 100 Jahre wurde nicht nur die Abmarschzeit beibehalten, sondern auch die anderen Regularien. So treffen sich die Wallfahrer, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto, gegen 11 Uhr in der Wallfahrtsgaststätte. Traditionell gibt es dort „Leberkäs und gschöpfte Wecka“. Um 13.15 Uhr läutet dann stets die Glocke des Kirchleins zur Andacht – und deren Liturgie hat sich ebenfalls seit 100 Jahren nicht verändert: Die kräftigen Stimmen der Männer singen Marienlieder und es wird die Lauretanische Litanei gebetet. Die Andacht endet mit einem Tedeum, dem „Großen Gott wir loben Dich“.

    Musikalisch umrahmt wird die Andacht seit 50 Jahren – mit kleineren Unterbrechungen – von Fritz Fahrenschon an der Orgel. Das Jubiläum nimmt der inzwischen 94-Jährige nun zum Anlass, zurückzutreten. Zukünftig sollen Jüngere das königliche Instrument „schlagen“.

    Mit ihm nimmt auch der 89-jährige Josef Habres als Chronist und Vorbeter Abschied. Beide Männer stehen zusammengerechnet schon genau so lange an vorderster Front, wie die Wallfahrt alt ist – also 100 Jahre. Mit den Abschieden geht eine Ära zu Ende, gehörte doch der Großvater von Josef Habres zu den Gründervätern der Männerwallfahrt, während sein Vater ihm das Wallfahrtsbuch übergab.

    Darin sind nicht nur die Namen der jeweiligen Wallfahrer, sondern auch der jeweilige Organist und der Wetterbericht verzeichnet. Gleichzeitig ist mit dem Amt der Chronisten auch jenes des Vorbeters verknüpft.

    Auf Wunsch von Habres und Fahrenschon tritt Altbürgermeister Theo Lehner das Amt des Vorbeters und Chronisten an. Auch er gehört seit Jahrzehnten zu den Wallfahrern. Während er zu seiner Bürgermeisterzeit oftmals aus Zeitgründen per Auto zu den Teilnehmern stieß, gehört er seit seinem kommunalen Ruhestand zu den Marschierern.

    Unter anderem gibt Heimatforscher Dieter Spindler detaillierte Auskünfte zur Wallfahrt nach Matzenhofen. Dabei wird deutlich, dass der gesellschaftliche Aspekt der Männerwallfahrt durchaus gleichberechtigt neben der kirchlichen Intension steht. Gemeinsam zu reden, zu wandern, Karten zu spielen und das eine oder andere Bierchen zu trinken ist ein fester Bestandteil der Tour. Und so manche Anekdote und Geschichte rankt sich darum.

    So mussten angeblich Pilger in den Nachkriegsjahren den aus Wehrmachtsbeständen stammenden Kaffeesatz teilweise gegen die Ziegenmilch für den Kaffee eintauschen. Auch die Sprüche des legendären Matzenhofer Wirtes Pius sind unvergessen. Beispielsweise, wie er dem damaligen Zweiten Bürgermeister Babenhausens, Roman Mayer, einige Biere von Nachbartischen aufgerechnet und gesagt haben soll: „Du hascht es doch!“.

    Zu den längst gedienten Wallfahrern gehörte auch der inzwischen verstorbene Schulrat Urban Wucher, der bereits als Dreijähriger auf dem Fahrradsitz seines Vaters mitfuhr und 80 Jahre später immer noch zu den Teilnehmern gehörte. Und als er einmal als Organist den Dienst versehen hatte, habe sich sein Langhaardackel namens Wäschte auf die Basspedale gelegt, so Heimatforscher Dieter Spindler, was ein verheerendes Brummen zur Folge gehabt habe. Erfolglos seien seine Versuche geblieben, den Hund mit den Füßen zur Seite zu schieben. Ruhe sei erst eingekehrt, erzählt Spindler weiter, als der Balgzieher Habres das Viech beim Schwanz gepackt habe und mit den Worten ‘nixiger Siach’ die Chorstiege hinuntergeschleudert habe, sagt er. Und auch der Komponist, Chorleiter und Musikpädagoge Otto Jochum war sich nicht zu schade, mehrmals an der Wallfahrt teilzunehmen und als Organist einzuspringen. Angeblich hat auch ein Teilnehmer den mitgebrachten Strauß Blumen nicht der Gottesmutter – wie geplant – gestiftet, sondern der Wirtin.

    Legendär sind die Einkehrschwünge auf dem Rückweg nach Babenhausen bei Brönners Fanny in Unterschönegg. Dabei mundete den Wallfahrern nicht nur das Selber-gschlachtete, sondern auch der hochprozentige Most, der zu dem einen oder anderen Problem auf dem Heimweg führte. Laut Aufzeichnungen fiel die Wallfahrt lediglich um die Jahre 1994/95 wegen der Renovierung der Kirche aus.

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