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Babenhausen/Kettershausen: Nach einer Abschiebung herrscht Ärger in Babenhausen

Babenhausen/Kettershausen

Nach einer Abschiebung herrscht Ärger in Babenhausen

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    Ein Flugzeug hat von 3. auf 4. Juli 69 abgelehnte Asylbewerber zurück nach Afghanistan geflogen.
    Ein Flugzeug hat von 3. auf 4. Juli 69 abgelehnte Asylbewerber zurück nach Afghanistan geflogen. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolfoto)

    Die Nachricht hat den Babenhauser Asylhelferkreis wie ein „Schlag ins Gesicht“ getroffen: Ein junger Afghane, der seit einiger Zeit in Kettershausen lebte, musste zurück in sein Heimatland. Wie die Helfer erzählen, wohnte Faizy F. seit 2014 in der Gemeinde. Er arbeitete zuletzt bei einem Bauunternehmen im Raum Babenhausen, hat Geld verdient, Deutsch gelernt. Dann, am 3. Juli, sei die Polizei frühmorgens vor der Tür gestanden, um ihn abzuholen.

    Stunden später saß der 24-Jährige mit 68 Landsleuten im Flieger zurück nach Afghanistan. Diese Abschiebung an Horst Seehofers 69. Geburtstag hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt – zumal sich einer der Männer später in Kabul das Leben nahm (Mehr dazu lesen Sie hier).

    Der Fall lässt dem Babenhauser Helferkreis keine Ruhe. Adi Hoesle, Vorsitzender der Kontaktgruppe „Menschen begegnen Menschen“, beschreibt die Gefühle, mit denen die Helfer zurückbleiben: „Wir sind bemüht, diese Menschen zu integrieren, ihnen das Leben zu erleichtern und eine Perspektive zur Selbstgestaltung zu geben. Und dann so was.“ Ähnlich sieht das Cäsar Kaiser, der sich ebenfalls im Vorstand des Helferkreises engagiert: „Das ist frustrierend.“

    Mitbewohner hatten Hoesle und Kaiser nachmittags erzählt, dass Faizy F. abgeholt wurde. Vorab habe der Verein weder vonseiten der Regierung von Schwaben, noch vom Landratsamt Unterallgäu oder der Polizei von der geplanten Abschiebung erfahren. Diese Vorgehensweise kritisiert Hoesle: „Wenn es eine Willkommenskultur geben soll, dann muss es doch auch eine Abschiedskultur geben.“ Dies wäre nicht nur für die Asylbewerber wichtig, sondern auch für jene, die sich um diese kümmern.

    Die Ausländerbehörde des Landratsamts Unterallgäu hatte nach eigenen Angaben keine Kenntnis von der Abschiebung. Für Rückführungen von afghanischen Staatsangehörigen sei die Zentrale Ausländerbehörde Schwaben (ZAB) zuständig.

    Der Pressesprecher der Regierung von Schwaben lässt indes wissen: „Auf die Planung von Rückführungen nach Afghanistan hat unsere Zentrale Ausländerbehörde keinen Einfluss.“ Termine dürften von Gesetzes wegen nicht veröffentlicht werden. Dem Landratsamt zufolge besteht ansonsten die Gefahr, dass Personen untertauchen.

    Kaiser kannte den jungen Asylbewerber und dessen Weg gut. Dieser habe sich Arbeit gesucht; zunächst bei einer Zeitarbeitsfirma, später für rund ein Vierteljahr bei dem Bauunternehmer. „Der Betrieb hat sich sehr um ihn bemüht“, berichtet Kaiser – zumal es in der Branche bekanntlich schwierig sei, Arbeitskräfte zu finden. Ende Juni sei die befristete Arbeitserlaubnis des Mannes ausgelaufen. Dann kam der 3. Juli.

    Der Inhaber des Bauunternehmens, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt auf Nachfrage: „Ich hätte ihn gerne dauerhaft eingestellt.“ Der Mitarbeiter sei ein „netter Kerl“ gewesen, hätte gut gearbeitet, sei pünktlich gewesen. „Wir brauchen doch Arbeiter in Deutschland“, so seine Meinung. Was ihn ärgert: Wenige Tage vor dem 3. Juli habe man ihm noch gesagt, er solle noch einmal einen Antrag auf eine Arbeitserlaubnis stellen.

    Der Pressesprecher der Regierung von Schwaben lässt auf Anfrage wissen, dass der Afghane im vorausgegangenen Verfahren einen Asylantrag gestellt hatte. Der wurde vom Bundesamt für Migration (Bamf) abgelehnt. In der schriftlichen Antwort heißt es: „Die Integrationsleistung und -willigkeit des Betroffenen hat bei dieser Entscheidung ebenso wenig Einfluss wie bereits erworbene Deutschkenntnisse.“ Eine Klage, die gegen die Ablehnung eingereicht worden sei, habe das Verwaltungsgericht Augsburg ebenfalls abgewiesen. „Die betreffende Person war seit Oktober 2017 vollziehbar ausreisepflichtig und erfüllte die Voraussetzungen für eine Rückführung“, ist weiter zu erfahren. Die Einschätzung der Sicherheitslage im Heimatland obliege dem Auswärtigen Amt. Zuletzt sei der Afghane in Besitz einer Duldung gewesen.

    Die Entscheidung, wieso der 24-Jährige zurückmusste, kann Kaiser nicht ganz nachvollziehen: „Es gibt sicher schwarze Schafe, die zum Beispiel kleinkriminell werden. Aber jemanden rauszupicken, der versucht, sich zu integrieren und sich ein Leben unabhängig vom Staat aufzubauen, der sich nie etwas zuschulden kommen lassen hat, ist doch nicht richtig.“ Kaiser zufolge wäre es ratsam und sinnvoll, wenn Zuständige den Kontakt zu Helfern vor Ort suchen und Gespräche führen würden. „Wir kennen doch die Hintergründe besser.“

    Der Bauunternehmer und die Helfer haben nach wie vor Kontakt zu dem Afghanen. Erst kürzlich habe Kaiser mit ihm telefoniert. Faizy F. habe berichtet, dass er zunächst ein paar Tage in einem Hotel in der Hauptstadt Kabul bleiben konnte. Dann sei er in seinen Geburtsort im Norden Afghanistans zurückgekehrt. Eine Familie habe er nicht; er wisse auch nicht, wie es nun weitergehen soll. Hinzu komme die Angst vor den Taliban. „Aber Afghanistan gilt ja nach wie vor als sicheres Herkunftsland“, sagt Kaiser sarkastisch.

    Im selben Flugzeug wie Faizy F. saß auch ein Asylbewerber, der sich zuletzt in Elchingen im Kreis Neu-Ulm aufhielt. Der ebenfalls 24-Jährige, der den „Quali“ ablegen wollte, hatte sich zuvor selbst verletzt, um der Abschiebung zu entgehen.

    Die Sprecherin des dortigen Helferkreises, Birgit Möller, bezeichnete den 3. Juli gegenüber unserer Zeitung als schwarzen Tag. In der Asylpolitik sei eine „unglaubliche Härte“ zu spüren. „Wir bekommen mittlerweile so viele Knüppel zwischen die Beine geworfen“, sagt sie. Allerdings nehme auch nicht jeder, der komme, seine Chance wahr. All das geht an den Elchinger Unterstützern nicht spurlos vorüber: Deren Zahl habe sich zuletzt reduziert. Der harte Kern aber kämpft weiter (Mehr zum Fall in Elchingen lesen Sie hier).

    Kontakt: Näheres zur Asylkontaktgruppe „Menschen begegnen Menschen“ unter www.mbm-babenhausen.de

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