Startseite
Icon Pfeil nach unten
Illertissen
Icon Pfeil nach unten

Babenhausen: Einst Geflüchteter, heute ehrenamtlicher Richter

Babenhausen

Einst Geflüchteter, heute ehrenamtlicher Richter

    • |
    Assad Wardak aus Babenhausen ist seit Juli ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht Augsburg, das auch für die Landkreise Unterallgäu und Neu-Ulm zuständig ist.
    Assad Wardak aus Babenhausen ist seit Juli ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht Augsburg, das auch für die Landkreise Unterallgäu und Neu-Ulm zuständig ist. Foto: Sabrina Karrer

    Assad Wardak ist ein spontaner Mensch. Ist er von etwas überzeugt, muss er nicht lange grübeln, um zu sagen: Das mach ich. Oder eben: Das mach ich nicht. Erstere Antwort gab der Babenhauser auf die Frage, ob er es sich vorstellen könne, ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht in Augsburg zu werden. Es reizt den 65-Jährigen, Einblicke in die Justiz zu erhalten, die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zu ergründen. Das Thema Asyl interessiert ihn dabei besonders. Das hat mit seiner eigenen Biografie zu tun: Assadullah

    Er, ein ehrenamtlicher Richter in Deutschland? Daran hätte der junge Assad Wardak wohl im Leben nicht gedacht. Lange erschien ihm seine Zukunft ungewiss. 1978 hatten afghanische Kommunisten durch einen Staatsstreich die Macht in seinem Heimatland ergriffen, was in Aufstände mündete. 1979 marschierte die Sowjetunion ein. Als Gegner des Kommunismus habe er im Widerstand gelebt, es sei eine schwierige Zeit gewesen. „Die haben offen gesagt: Entweder bist du Freund oder Feind“, erinnert sich Wardak. Als er keine Perspektive mehr sah, brach er sein Studium der Biochemie ab und flüchtete nach Pakistan. Von dort aus flog er über Paris nach Frankfurt. Seine Familie blieb in Afghanistan, in einem Land, das in den Jahren danach noch viel Leid erfahren sollte.

    Angekommen in Deutschland, sei sein Asylverfahren zunächst ins Stocken geraten. Schlussendlich aber wurde Wardak, damals Mitte 20, als politischer Flüchtling anerkannt. „Wir Afghanen sind damals mit offenen Armen empfangen worden“, schildert er seine Eindrücke.

    Wardak baute sich in Deutschland eine Existenz auf

    In München – er war gerade einmal eine Woche dort – lernte er seine heutige Frau Erna aus Babenhausen kennen. Beruflich an sein Studium anknüpfen konnte Wardak hier nicht, ihm fehlte ein Nachweis. Also lernte er zunächst Deutsch und half in der Boutique eines Bekannten aus, die er später übernahm. Seit Anfang der 90er-Jahre leben Erna und Assad Wardak in

    Richterliches Ehrenamt am Verwaltungsgericht

    Hauptaufgabe der Verwaltungsgerichte ist es, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zu kontrollieren, durch welche Rechte des Bürgers betroffen sind. Gerade weil sie über Fälle des täglichen Lebens zu entscheiden haben, sind neben den Berufsrichtern auch ehrenamtliche Richter, sogenannte Laienrichter, beteiligt. Sie sollen ihre beruflichen Kenntnisse, aber auch ihre Lebenserfahrung in die Entscheidungsfindung einbringen und haben ein volles richterliches Stimmrecht.

    An den Verwaltungsgerichten entscheidet im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Kammer in der Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern.

    Oberste Pflicht eines jeden Richters ist die Unparteilichkeit. Die Ehrenamtlichen sind wie die Berufsrichter unabhängig und nur dem Gesetz und Recht unterworfen. Sie haben ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. Ehrenamtliche Richter sind im Amt nicht an Weisungen gebunden.

    Ein Wahlausschuss wählt die ehrenamtlichen Richter am Verwaltungsgericht aus Vorschlagslisten der kreisfreien Städte und Landkreise aus. Bewerbungen sind an diese zu richten und müssen für jede Amtsperiode neu gestellt werden. Nähere Informationen unter stmi.bayern.de (az)

    „Ich bin dankbar, dass ich hier einen Platz bekommen habe“, sagt Assad Wardak. „Aber ich habe auch schon immer gesagt: Missbrauch darf nicht stattfinden.“ Es mache einen Unterschied aus, ob es sich um einen Asylbewerber handelt, der vor Krieg und/oder Verfolgung floh, oder um einen Migranten, der aus wirtschaftlichen Motiven wie Armut zuwanderte und – auch das sei legitim – auf ein besseres Leben und eine Chance hofft. In einem Asylverfahren könnten sie nicht „in einen Topf geworfen werden“. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht, das ist im Grundgesetz verankert.

    Ende Juli wurde Wardak vereidigt

    Gerne hätte sich der Babenhauser auch in seinem neuen Ehrenamt am Bayerischen Verwaltungsgericht in Augsburg mit Flucht und Asyl auseinandergesetzt: „Das ist meine Vergangenheit. Ich habe das selbst hinter mir.“ Das wird allerdings selten der Fall sein. Zwar kann es laut Pressestelle vorkommen, dass die neunte Kammer, welcher Wardak zugeordnet ist, in der Besetzung mit mehreren Richtern asylverfahrensrechtliche Streitigkeiten verhandelt. Jedoch treffen in der Regel Einzelrichter der Kammer diese Entscheidungen.

    In die Zuständigkeit der neunten Kammer fallen vor allem Sachgebiete wie Gesundheit und Hygiene, Naturschutzrecht, Abfallbeseitigungsrecht oder Umweltinformationsrecht. Themen, zu denen Wardak, Sprecher des Grünen-Ortsverbands Babenhausen, ebenfalls eine Verbindung hat. Dass er nun mit diesen Bereichen betraut sein wird, darüber sei er auch keineswegs traurig, sagt er. Die Beratung im Richtergremium, die Urteilsfindung, generell der Blick hinter die Kulissen – das sei spannend, so oder so.

    Eines möchte er weiterhin tun – „mit großer Überzeugung Ja oder Nein sagen“

    Neugierig sei er immer gewesen, auch politisch interessiert. Und durch seine berufliche Selbstständigkeit zeitlich flexibel. Vielleicht, mutmaßt er, habe ihn die ehemalige Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Unterallgäuer Kreistag deshalb für den Posten am Verwaltungsgericht Augsburg vorgeschlagen. „Ich war zuvor nie in einem Prozess gewesen“, verrät Wardak und lächelt, wie er es so oft tut.

    Assad Wardak ist ein spontaner Mensch. Doch bei seiner Tätigkeit am Gericht möchte er nicht aus dem Bauch heraus entscheiden. Er sei sich der Verantwortung bewusst und wolle sich konzentriert in Unterlagen einlesen, über Sachverhalte nachdenken, abwägen. Eines aber möchte er weiterhin tun – „mit großer Überzeugung Ja oder Nein sagen“.

    Lesen Sie auch:

    Kraft der Gedanken: Werke von Adi Hoesle erweitern Kunstsammlung des Bundestags

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden