Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Haushaltstricks der Ampel zur Umgehung der Schuldenbremse verworfen hat, gärt in Berlin eine Regierungskrise. Tatsächlich geht es in erster Linie um insgesamt 60 Milliarden Euro für einen Zeitraum von vier Jahren bis 2027, die im sogenannten „Klima- und Transformationsfonds“ fehlen, weil sie nun nicht einfach als neue Schulden aufgenommen werden dürfen. Leer ist der Klimafonds trotz des Milliardenlochs nicht: Er wird unter anderem auch von Einnahmen aus dem Europäischen Zertifikatehandel für Treibhausgas-Emissionen gespeist und ebenso aus Einnahmen der CO₂-Abgaben, die der Bund zusätzlich auf Sprit, Heizöl, Erdgas und Kohle erhebt. Nun fehlt dem Fonds deshalb wegen der Schuldenbremse aber ein Drittel für die 2024 geplanten Ausgaben. Deswegen wackeln nun viele Projekte oder könnten gekürzt werden. Wie sehr könnte sich das Milliardenloch auf die Privathaushalte und Unternehmen auswirken?
Private Stromkosten Für Privathaushalte könnte die Strompreisbremse bereits zum Jahreswechsel wegfallen und nicht wie geplant erst an Ostern. Denn auch der „Doppel-Wumms“ genannte Wirtschaftsstabilisierungsfonds kann nach dem Urteil wohl nicht verlängert werden. Derzeit liegen 60 Prozent der Grundversorger knapp über den 40 Cent pro Kilowattstunde, ab denen die Bremse greift, allerdings haben viele Versorger Preissenkungen angekündigt. Neuverträge sind derzeit im Schnitt ab 29 Cent zu bekommen.
Gewerbestromkosten Hier wackelt die von der Koalition beschlossene Entlastung für das produzierende Gewerbe. Bislang zahlt die Regierung der Industrie teilweise die Mehrkosten, die durch den steigenden CO₂-Preis auf Kohle und Gas entstehen: Für 2024 waren aus dem Fonds vier Milliarden Euro dafür vorgesehen. Auch die geplanten Zuschüsse an die Industrie für die Netzentgelte sind unsicher.
Heizkosten Wie beim Strom steht auch die Energiepreisbremse beim Gas möglicherweise bereits zum Jahreswechsel vor dem Aus. Das dürfte viele Haushalte treffen, die mit Gas heizen. Der Durchschnittspreis in der Grundversorgung liegt derzeit im Schnitt bei 14 Cent, zwei Cent über der Gaspreisbremse. Da die Mehrwertsteuer aus Gas zum Jahreswechsel von sieben auf 19 Prozent steigen soll, dürften viele angekündigte Preissenkungen zum Jahreswechsel davon aufgefressen werden. Heizöl dürfte wegen der Erhöhung der CO₂-Steuer kommendes Jahr um gut zwei Cent teurer werden.
Das bedeutet die Haushaltskrise für Spritpreise und 49-Euro-Ticket
Spritpreise Die CO₂-Steuer soll für Benzin um 2,9 und für Diesel um 3,2 Cent pro Liter angehoben werden. Viele Fachleute fordern jedoch eine stärkere Erhöhung der CO₂-Abgabe, um den Klimafonds aufzufüllen. Nach den jetzigen Plänen sollen die Spritpreise bis zum Jahr 2027 um 16 bis 18 Cent im Vergleich zu heute steigen.
49-Euro-Ticket Schon vor dem Milliardenloch war die weitere Finanzierung des Deutschlandtickets unklar. Der CDU-Verkehrsexperte Thomas Bareiß erwartet, dass der Preis nun nächstes Jahr auf 69 bis 89 Euro pro Monat steigen könnte.
Bahnsanierung Aus dem Klimafonds sollten 12,5 Milliarden Euro in die Sanierung des maroden Schienennetzes fließen. Bereits kommendes Jahr würden davon 4,5 Milliarden Euro fällig, sagte jüngst der Vorsitzende der Eisenbahngewerkschaft EVG und stellvertretende Bahn-Aufsichtsratschef Martin Burkert. Rein rechnerisch ist auch hier ein Drittel der Finanzhilfen gefährdet.
Heizung und Gebäude Alle bewilligten Fördermittel für die Heizungs- und Gebäudesanierung gelten selbstverständlich rechtsverbindlich weiterhin. Die Heizungsbranche verzeichnet aktuell einen starken Einbruch an Neuaufträgen für den Heizungstausch und führt dies auch auf die Verunsicherung nach dem Streit um das Heizungsgesetz zurück. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat „Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich“ von der Haushaltssperre ausgenommen. Dies deutet daraufhin, dass die Finanzierung der Gebäudesanierung weiterhin gesichert sein dürfte.
Klimafreundliche Produktion Die Bundesregierung will mit sogenannten „Klimaschutzverträgen“ klimafreundliche Industrieverfahren fördern und bei Pilotanlagen einen Großteil der Mehrkosten übernehmen, damit diese schneller marktreif werden. Hier steht durch das Urteil nun ein zweistelliger Milliardenbetrag im Feuer. Auch die Förderung der Produktion von „grünem Stahl“ mit Wasserstoff ist ein Schwerpunkt des Klimafonds. Eigentlich sollten 45 Industriebetriebe mit einem einstelligen Milliardenbetrag gefördert werden, bei 20 davon gibt es jedoch noch keine Genehmigung und es herrscht Unsicherheit.
Batteriefabriken Die Bundesregierung wollte aus dem Klimafonds auch den Aufbau von Batteriezellenfabriken fördern, die als Schlüssel für die Zukunft der Autoindustrie gelten. Laut Medienberichten sollte beispielsweise der schwedische Hersteller Northvolt für den Bau einer Fabrik in Schleswig–Holstein eine halbe Milliarde Fördermittel bekommen, allerdings hat das Unternehmen keinen rechtssicheren Förderbescheid, weil bislang die nötige Genehmigung der EU fehlt.
Chipfabriken Dass die Bundesregierung aus dem Klimafonds Fabriken für Computerchips fördert, stieß früh auf Kritik. Die Koalition rechtfertigt die Milliardensubventionen damit, dass sie den Umbau zu einer klimaneutralen Volkswirtschaft förderten und im Umfeld der Fabriken Tausende zukunftssichere Arbeitsplätze entstünden. Die Subventionen für das Werk des US-Chipriesen Intel in Magdeburg in Höhe von zehn Milliarden Euro und die vier Milliarden Euro für eine neue Fabrik des weltgrößten Halbleiter-Herstellers TSMC aus Taiwan in Dresden dürften angesichts ihrer internationalen Bedeutung relativ sicher sein.