Burgau Eine Ära geht zu Ende. Zum 31. August schließt die Firma WMF Consumer Electric GmbH, früher Petra-Electric, ihre Fertigung im Burgauer Stadtteil Unterknöringen. Offiziell. Denn produziert wird dort bereits seit Mitte Juli nichts mehr. Für viele der 100 gekündigten Mitarbeiter war die Werksschließung ein harter Schnitt in ihrem Leben. Viele von ihnen waren seit Jahrzehnten in dem Betrieb beschäftigt.
„Es war wie ein Ehe – mit allen Höhen und Tiefen“, sagt eine 58-jährige Mitarbeiterin über die Arbeit bei Petra-Electric. Sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, denn noch ist ihre berufliche Zukunft unsicher. Was nach Petra-Electric kommt? Die Frau weiß es noch nicht. „Ich muss hier erst mal abschließen“, sagt sie. 25 Jahre arbeitete sie in dem Betrieb. Ihr Kollege, ein 52-Jähriger aus Burgau, war sogar 33 Jahre dort beschäftigt. Auch er möchte namentlich nicht genannt werden. Mit viel Glück habe er mittlerweile einen neuen Arbeitsplatz gefunden, erzählt er. „Dank Vitamin B.“ Anders sei es für ihn mit seinen 52 Jahren eigentlich nicht mehr möglich, eine neue Stelle zu finden. Anton Abold aus Unterknöringen war 21 Jahre in dem Betrieb – zuerst als Elektriker, am Ende als Qualitätsprüfer. Er wagt nun den Schritt in die Selbstständigkeit.
Die drei Kollegen sitzen um einen Tisch. Die Stimmung ist gedrückt. Jeden Tag müssen sie einen anderen Mitarbeiter verabschieden, erzählen sie. „Momentan resignieren wir“, gibt die 58-Jährige zu. Die drei Kollegen erzählen lange und viel. Wie sie von der Werksschließung erfahren haben, dass die derzeitige Arbeit „keinen Spaß mehr macht“. Sie berichten von Zukunftsängsten und frustrierenden Erlebnissen und dem Ärger, der sich in den vergangenen Jahren breitgemacht hat.
Die letzten Kaffeemaschinen und Wasserkocher sind bereits Mitte Juli vom Band gelaufen. Viele Kollegen sind im Urlaub oder bauen Überstunden ab. Die verbleibenden Mitarbeiter machen in den Lager- und Produktionshallen klar Schiff. Draußen fährt ein Lastwagen vorbei. „Der nimmt wieder einen Teil von Petra-Electric mit“, sagt einer aus der Runde. Die Maschinen werden in die neuen Produktionsstandorte nach Portugal, China und Polen gebracht.
Vor knapp einem Jahr wurde die Werksschließung bekannt. „Wir wussten gleich, dass wir betroffen sind“, sagt Abold. Die drei Kollegen betonen: „Wir wären gerne da geblieben.“ Auch wenn die Zeit nicht immer einfach war.
„Die erste Zeit war schön. Sehr kollegial“, erinnert sich Abold. „Wir haben den anderen auch mal einen Streich gespielt“, erzählt sein 52-jähriger Kollege und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er hatte nur zwei Minuten bis zu seinem Arbeitsplatz. „Alles war vertraut“, sagt er.
Dann kam die Zeit, in der es der Firma schlechter ging. Die Belegschaft arbeitete fünf Stunden in der Woche umsonst – damit der Betrieb wieder in die Gänge kommt. 2008 übernahm der Konzern WMF die Firma. „Was uns ärgert: Wir dachten, dass es aufwärtsgeht, als uns der Konzern gekauft hat“, berichtet Abold. Jetzt wird die Fertigung geschlossen.
Nicht nur für die Firma beginnt damit ein neuer Abschnitt. Ein neuer Job, neue Kollegen, neue Erfahrungen. „Ich fange von Null an“, sagt der 52-jährige Burgauer. Nur sei er eben keine 20 mehr. Ja, ihm sei dabei schon mulmig zumute, gibt er zu. Er hofft, dass er bis zum Ruhestand in seiner neuen Firma bleiben kann. Seinen Kollegen geht es ähnlich. Der Großteil hat noch keinen neuen Arbeitsplatz gefunden und kommt vorläufig in einer Transfergesellschaft unter. Dort bekommen sie Unterstützung, wie man gute Bewerbungen schreiben, ihnen werden Stellenangebote weitergeleitet.
Eines haben die drei Kollegen gelernt: Im Berufsleben muss man heutzutage flexibel bleiben – auch mit Mitte 50.
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