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Waldstetten: Vom Stall ins Schlachthaus: Dieser Weg liegt hinter einem Stück Fleisch

Die Tiere, die Karl Mader in Waldstetten schlachtet, kommen aus Betrieben aus der Region. Rechtzeitig vor den Schlachttagen werden sie abgeholt. Hier ist Mader im Kühlhaus.
Waldstetten

Vom Stall ins Schlachthaus: Dieser Weg liegt hinter einem Stück Fleisch

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    Dass ihnen in wenigen Stunden der Todesstoß versetzt wird, das ahnen die beiden Jungrinder an einem frühen Mittwochabend noch nicht, als sie beobachten, wie ein Anhänger rückwärts vor den Kuhstall rangiert. Auf dem Hof der Familie Sauter in Oxenbronn. Metzgermeister Karl Mader und ein Kollege sind zu Landwirt Matthias

    Etwa 55 Kilogramm Fleisch pro Kopf sind laut Statista im vergangenen Jahr in Deutschland verzehrt worden, das sind etwa 150 Gramm am Tag, die der Durchschnittsbürger oder -bürgerin verzehrt. Damit sinkt der Fleischkonsum in

    Mehrere Tausend Tonnen Fleisch werden im Jahr beispielsweise aus den Niederlanden nach Deutschland importiert. Pro Tag werden in Deutschland laut Statistischem Bundesamt im Schnitt mehr als zwei Millionen Tiere geschlachtet – darunter 1,7 Millionen Hühner, 151.000 Schweine und 94.000 Puten. Die Fleischindustrie steht vor allem nach dem Tönnies-Skandal unter Beobachtung. Bei Familie Mader aus Waldstetten wird noch selbst geschlachtet. Von der Abholung der Rinder bis zum toten Tier vergehen allein knapp 40 Stunden. Bis zum fertigen Filetstück in der Theke mindestens eine Woche. Hinter einem Stück Braten, das die Kunden an Weihnachten auf dem Teller liegen haben und wahrscheinlich in wenigen Minuten verzehren, zig Arbeitsstunden. 

    Der Metzger kennt jeden seiner Bauern persönlich

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    Zurück in Oxenbronn. Als Sauter und seine Frau das Stroh im Anhänger des Metzgers verteilen, merken die Rinder, dass etwas nicht stimmt. Schließlich werden sie mithilfe von zwei Gattern, die den Weg schirmen, in den Anhänger gelenkt. Es rumpelt ganz schön. Die Türe schnappt zu. Aus Karl Mader und Matthias Sauter werden jetzt zwei Geschäftsmänner. Zweimal unterschreiben, die Angaben passen. Ein "Danke dir, basst." Fertig. Wie viel der Metzger gerade für die zwei Rinder gezahlt hat? "Das können Sie immer donnerstags in Ihrer Zeitung nachlesen", sagt Mader und lacht. Er hat es eilig, sonst werden die Rinder unruhig. In gemächlichem Tempo geht es mit der Ware zurück nach Waldstetten, etwa zehn Minuten Fahrt. "Wir ham's nie weit", sagt der 51-Jährige. Ihm ist es wichtig, dass die Tiere vor dem Schlachten wenig Stress haben. Deswegen dürfen sie erst einmal eine Nacht bei ihm bleiben, fressen und sich ausruhen. Dass die Rinder oder Schweine einen Stall direkt neben dem Schlachthaus haben, ist nicht üblich. 

    Die ganze Familie Sauter hilft mit, als die Rinder vom Stall in Oxenbronn in den Tieranhänger des Metzgers getrieben werden.
    Die ganze Familie Sauter hilft mit, als die Rinder vom Stall in Oxenbronn in den Tieranhänger des Metzgers getrieben werden. Foto: Bernhard Weizenegger

    Der Metzger kennt jeden seiner Bauern persönlich, teilweise schon seit Generationen. Die Schweine, Rinder, Puten oder auch Lämmer kommen aus Ettenbeuren, Hagenried, Wallenhausen (Kreis Neu-Ulm) oder Buch. Nie weiter weg als 30 Kilometer von Waldstetten. Während die beiden Rinder ihre neue Heimat auf Zeit erkunden, zeigt der Metzgermeister das Schlachthaus.

    "In 14 Tagen verliert das Stück mindestens 15 Prozent Wasser"

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    Ein süßlicher Geruch steigt einem in die Nase, sobald man den weißen Fliesenboden betritt. Der erste Blick fällt auf einen Korb, in dem Messer unterschiedlicher Größe und Klinge liegen. Was die beiden Rinder wohl jetzt gerade tun? Hat man sich an den Geruch gewöhnt und den Gedanken an die süßen Tiere weggeschoben, blickt man in einen Handwerksbetrieb. Unzählige Maschinen, Werkzeuge, Wannen und Haken rundherum. Mader zieht sich um und geht in den rechten Teil des Gebäudes. Er steigt auf eine Stufe. "Von hier oben verpasst man den Bolzenschuss. Das Tier fällt dann hinten raus." Es wird an den Füßen aufgehängt, aufgeschnitten, blutet aus, beim Rind etwa 20 Liter Blut in maximal fünf Minuten, schließlich enthauptet. "Dann kommt das Tier auf 'n Porsche", sagt Mader und zeigt auf einen Schiebekarren. 

    In seinem Kühlhaus neben dem Zerlegeraum hängen Rinder, die das alles schon hinter sich haben. Auf einem Etikett steht, wann geschlachtet wurde, woher das Fleisch ist und um welches Stück es sich handelt. Zwei bis drei Grad hat es im Kühlhaus. Das Fleisch wirkt imposant, wenn es so von der Decke hängt. "In 14 Tagen verliert das Stück mindestens 15 Prozent Wasser", erklärt der 51-Jährige. Deswegen ist Dry Aged Beef auch so teuer. Was bevorzugen denn die Leute in der Region? "Also die Älteren in Günzburg mögen meistens kein ganz so Frisches", meint Mader. Da soll es etwas abgehangen sein. "Die jüngere Kundschaft bevorzugt eher Saftiges." Er überlegt und sagt dann: "Die Gesellschaft hat sich verändert und das nicht zum Vorteil des Fleischgenusses." Kaufentscheidungen werden spontan an der Theke getroffen, man kauft einzelne Stücke, keine Knochen, kocht kleinere Mengen, fängt der Metzger an zu erklären. An Weihnachten werde nur geringfügig mehr gekauft.

    Karl Mader beim Guntiafest 2016 mit seinem beliebten "Ochs am Spieß".
    Karl Mader beim Guntiafest 2016 mit seinem beliebten "Ochs am Spieß". Foto: Bernhard Weizenegger (Archivbild)

    Eine Datenanalyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln kommt zum Ergebnis, dass die Deutschen an Weihnachten am liebsten Fleisch essen. "Regelmäßig steigt die Anzahl der geschlachteten Tiere ab Herbst an." Davon würde aber auch ein Großteil in den Export gehen. Mader kann nur bedingt zustimmen. "Es wird nicht so viel mehr gekauft über die Feiertage. Sondern mehr weggeworfen. An Weihnachten kommen oft Familien zusammen zum Essen. Das heißt wiederum, dass Omas Gäste nichts mehr kaufen." Mehr Umsatz würde den vielen Handwerksbetrieben allerdings guttun.

    Denn auch die Preissteigerungen merkt der Metzgermeister. Zum einen an seinen eigenen Ausgaben im Betrieb, aber auch am Kaufverhalten. "Die Leute sparen. Bei vielen wird es dann doch das billigere Produkt." Er würde seine Preise eher als Mittelklasse beschreiben: "Gutes Fleisch darf kein Luxus für Wenige sein", findet er. Und fasst das Grundproblem zusammen: "Wenn alle ihr Kaufverhalten an das anpassen würden, was sie über ihren Fleischkonsum behaupten, wäre die Situation eine andere." 

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