Selten war eine Handballmannschaft des VfL Günzburg in einem Heimspiel derart chancenlos. Das 31:38 (16:22) stimmte die Mehrheit der 850 Zuschauer in der Rebayhalle äußerst nachdenklich, zumal es bei weitem nicht nur der unbestritten bärenstarke Gegner TG Landshut war, der das Ausmaß der Klatsche verursachte. Sandro Jooß, der in Abwesenheit von Chefcoach Stephan Hofmeister das alleinige Sagen bei den Gastgebern hatte, urteilte Minuten nach Spielende: "Wir hatten zu wenige, die an ihrem oberen Limit spielten. Das war in der Summe einfach zu wenig für diese Partie."
Torhüter bringen keine Hand an den Ball
Das Hinspiel hatten die Günzburger mit fast unglaublichen 14 Treffern Differenz verloren und auch diesmal wurde die Sache relativ früh einseitig. Die Einheimischen hatten Schwierigkeiten im Rückzugsverhalten und spielten damit den Niederbayern, die das Tempospiel zur Kunstform entwickelt haben, voll in die Karten. Hinzu gesellte sich als Problem, dass die beiden VfL-Torhüter Patrick Bieber und Sascha Langhans zumindest in der ersten Halbzeit kaum eine Hand an den Ball brachten. Auf der anderen Seite des Spielfeldes prallten die Weinroten mit ihren Vorstößen immer wieder wie ein Flummi an der TG-Defensive ab, die zumeist handlungsschnell den Ball wieder nach vorne brachte.
Es war deshalb kein Wunder, dass Landshut den von Beginn an erreichten Vorteil von zwei (0:2/3.) zunächst Schritt für Schritt auf sechs Tore ausbaute (12:18/26.). Mit diesem Abstand wurden auch die Seiten gewechselt und in der Pause sagte vermutlich nicht nur ein enttäuschter VfL-Fan: "Das ist vorne nichts und hinten nichts.“ Vielleicht war es an diesem Tag auch einfach so, dass eine Mannschaft mit dem Titelgewinn vor Augen die entscheidenden fünf oder zehn Prozent geiler aufs Gewinnen ist als ein Team, das sein ursprünglich formuliertes Saisonziel längst aufgegeben hat. So zumindest führte es VfL-Abteilungsleiter Torsten Zofka sinngemäß aus.
Systemwechsel haben erst spät Erfolg
Jooß versuchte, mit mehreren Systemwechseln gegenzusteuern. Der Effekt blieb kaum messbar - zumindest, so lange in dieser Begegnung noch ein Hauch von Chance bestand. Am griffigsten funktionierte die in der Schlussphase praktizierte 6:0-Abwehr. Da allerdings lagen die Einheimischen längst um bis zu zehn Tore im Hintertreffen, erstmals war dies beim 18:28 (39.) der Fall.
Naturgemäß schalteten die Niederbayern im letzten Drittel der Partie zurück. Dennoch ist es erwähnenswert, dass die Hausherren nun ihre beste Phase hatten, obwohl Jooß angesichts der längst verlorenen Sache munter durchwechselte. Zum Beispiel gönnte er Nico Schmidt einen längeren Einsatz, einem Mann, der Teil des bald anstehenden Generationenwechsels beim VfL sein wird. Jedenfalls zeigten die Weinroten bis zum Schluss Teamgeist und Willen und verhinderten damit eine möglicherweise zweistellige Tordifferenz im Endergebnis.
Schwaches Schiedsrichtergespann
Mehrmals während der Partie entzündete sich der Unmut der Günzburger Fans an den Schiedsrichtern. Zu Recht, denn tatsächlich waren Simon Ludwig und Nikolas Wolf nicht in der Lage, dem Tempo und der zupackenden Entschlossenheit eines Bayernliga-Spitzenspiels zu folgen. Ihren Tiefpunkt hatten die beiden, als David Pfetsch aus dem toten Winkel heraus ganz einfach umgehauen wurde – und die Unparteiischen unter den gellenden Pfiffen des Publikums auf Stürmerfoul entschieden, obwohl es selten eine klarere Rote Karte gegeben hat (48.). Der VfL-Linksaußen blieb eine Zeitlang benommen liegen und kehrte anschließend auch nicht mehr aufs Spielfeld zurück. Angesprochen auf die Spielleitung, antwortete Sandro Jooß im Rahmen der Sportdiplomatie: „Das Zeitstrafen-Verhältnis war nicht ganz optimal.“ Doch er räumte auch unmissverständlich ein, dass die Schiedsrichter nicht ursächlich für die Niederlage des VfL waren. "Landshut hat verdient gewonnen."
Die Sache mit den Unterschiedsspielern
Neben vielen anderen Kleinigkeiten bewies diese Begegnung einmal mehr, wie wichtig es neben mannschaftlicher Geschlossenheit ist, herausragende Einzelkönner zu haben. Aufseiten der Landshuter zeigte etwa Paul Saborowski eine brillante Vorstellung. Auf jeden Fall war er so dominant, dass ihm die Bezeichnung „Unterschiedsspieler“ gebührte. So einen Spieler besitzen die Weinroten aktuell nicht; ihr auch diesmal bester Werfer Kilian Weigl könnte einer werden, wechselt aber nach der aktuellen Runde in die dritte Liga.
Tatsache ist jedenfalls: Wer dieses Spiel gesehen hat, weiß bei aller Wertschätzung für die Weinroten, warum Günzburg in dieser Saison nicht ernsthaft ins Aufstiegsrennen eingreifen konnte und – eine Erkenntnis, die für die Zukunft womöglich noch wichtiger ist: wie weit es zum Beispiel zu einer TG Landshut fehlt, die in der aktuellen Runde nun ganz dicht vor dem Titelgewinn steht. Welche Schlüsse daraus zu ziehen und welche Ziele für die kommende Saison ins Auge zu fassen sind, müssen nun die Macher im VfL entscheiden.
VfL Günzburg Lohner, Bieber, Langhans; Pfetsch (3), Meye (2), M. Jahn (2), S. Jahn, Jäger (5), A. Jahn (1), Jensen (4), Heisch (3), Telalovic (1), Schmidt (1), Scholz, Weigl (9/4)