Startseite
Icon Pfeil nach unten
Günzburg
Icon Pfeil nach unten

Memmingen: Prozess: Drogenkunden ausgenommen „wie eine Weihnachtsgans“

Memmingen

Prozess: Drogenkunden ausgenommen „wie eine Weihnachtsgans“

    • |
    Der „neue“ Richterarbeitsplatz am Landgericht Memmingen (mit Plexiglasscheiben), vor dem sich ein Duo wegen Drogenhandels verantworten muss.
    Der „neue“ Richterarbeitsplatz am Landgericht Memmingen (mit Plexiglasscheiben), vor dem sich ein Duo wegen Drogenhandels verantworten muss. Foto: Kurt Kraus

    Über mehrere Monate hinweg sollen sie im Kreis Günzburg mit Heroin gehandelt haben. Ein 42-jähriger Gebäudereiniger und eine 46 Jahre alte Frührentnerin sind deshalb vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Memmingen angeklagt. Ging es am ersten Prozesstag in erster Linie um die persönlichen Verhältnisse der beiden Angeklagten, insbesondere um ihre langjährige Drogenkarriere, wurden jetzt Details zu den Ermittlungen bekannt.

    Drogen: Krumbacher Lieferant und Günzburger Abnehmer

    Die Aussage der Hauptsachbearbeiterin der Kriminalpolizei Neu-Ulm lässt erahnen, welcher Aufwand getrieben werden musste, um den beiden Angeklagten auf die Schliche zu kommen. Im Januar 2019 seien die ersten Hinweise eingegangen, im März vergangenen Jahres seien die Ermittlungen aufgenommen worden.

    Wochenlang wurden Telefone angezapft, Gespräche mitgehört und Chats ausgewertet. Beide Angeklagten, aber auch ihr in Krumbach sitzender Lieferant oder die Abnehmer, die überwiegend in Günzburg wohnten, agierten dabei, wie es in solchen Fällen üblich ist, extrem konspirativ. Natürlich wurde nicht offen über Rauschgift gesprochen, vielmehr wurden unverfängliche Synonyme verwendet. So habe man sich vor der Übergabe der Drogen „zum Essen verabredet“ oder „Urlaubsreisen“ geplant. Weil der 42-Jährige und seine Freundin aber bei ihrem Treiben auch von der Polizei beobachtet wurden, konnte schließlich ermittelt werden, dass sie regelmäßig Heroin erworben hatten, meist in Mengen zwischen 20 und 60 Gramm.

    Richter stellt "Strafrabatt" für Geständnis in Aussicht

    Wie berichtet, hatte es bereits am ersten Prozesstag eine sogenannte „Verständigung“ gegeben. Für den Fall eines „voll umfänglichen Geständnisses“ stellte die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Christian Liebhart den Angeklagten einen „Strafrabatt“ in Aussicht. Als der 42-Jährige nun aber detailliert zu seinen Handlungen befragt werden sollte, fiel ihm nicht wirklich arg viel ein. Liebhart ermahnte den Angeklagten: „Wenn Sie Sachen sagen, die unplausibel sind, kommen wir nicht weiter.“

    Nach einer kurzen Unterbrechung konnte sich der Gebäudereiniger, der zuletzt arbeitslos war und Hartz IV bezog, dann doch noch an einige wenige Rauschgiftgeschäfte und auch an die Preise erinnern, die er für das Heroin bezahlt hatte. Etwa zwei Drittel oder gar drei Viertel des erworbenen Heroins hätten seine Freundin und er für sich verbraucht, den Rest verkauft „an Leute, die uns angebettelt haben, ihnen ein bisschen was abzugeben“.

    Angeklagte nahmen Drogen-Abnehmer aus

    Auf Vorhalt von Oberstaatsanwalt Markus Schroth, dass die vom Angeklagten dargelegte Rechnung hinsichtlich Einkauf und Verkauf der Drogen nicht aufgehen könne, schob Rechtsanwalt Alfred Nübling nach, man habe schließlich einen Abnehmer gefunden, den man ausgenommen habe, „wie eine Weihnachtsgans“. Dieser Abnehmer habe mehr als das Doppelte des Einkaufspreises für ein Gramm Heroin bezahlen müssen.

    Der als Sachverständiger geladene Leiter des Bezirkskrankenhauses Memmingen, Dr. Andreas Küthmann, bescheinigte den beiden Angeklagten eine langjährige Abhängigkeit von Alkohol und Opiaten. Eine Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Sinne einer verminderten Schuldfähigkeit attestierte Psychiater Küthmann den beiden Angeklagten nicht. Gegeben aber seien bei beiden Personen die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Dabei hielt er eine Therapie von weniger als zwei Jahren nicht für sinnvoll. Immerhin seien beide Angeklagten teilweise bereits Jahre lang mit Methadon substituiert worden. Geholfen habe es bislang nichts.

    Da der Prozess auch am zweiten Verhandlungstag nicht zu Ende gebracht werden konnte, wird er fortgesetzt.

    Lesen Sie auch:

    Prozess: Drogen bestimmen seit Jahrzehnten ihr Leben

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden